Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungsanforderungen der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung, der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und des Verfahrensmangels
Leitsatz (NV)
1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache setzt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage voraus, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit erforderlich und die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist.
2. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung setzt voraus, dass nicht nur das Urteil, von dem die Vorinstanz abgewichen sein soll, bezeichnet wird, sondern auch der Rechtssatz, den das FG falsch ausgelegt oder angewandt haben soll.
3. Macht der Kläger einen Verfahrensmangel geltend, wonach das FG einen Beweisantrag übergangen habe, so muss er auch darlegen, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde, oder weshalb diese Rüge nicht möglich war.
4. Die Geltendmachung des Verfahrensmangels, wonach das FG seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis der Verhandlung zugrunde gelegt habe, weil es seiner Entscheidung angeblich einen Sachverhalt zugrunde gelegt habe, der dem schriftlichen Vorbringen der Beteiligten nicht entsprochen habe, oder nach den Akten klar feststehende Tatsachen unberücksichtigt gelassen habe, erfordert die genaue Bezeichnung des nicht berücksichtigten Akteninhalts sowie die Darlegung, inwieweit die Berücksichtigung des angeblich nicht zur Kenntnis genommenen Akteninhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 05.02.2004; Aktenzeichen 8 K 720/03 F) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie war deshalb zu verwerfen.
1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Senats zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in einer den Anforderungen der §§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 2. Alternative, 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Weise dargelegt.
a) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO setzt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage voraus, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit erforderlich und die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217).
Die Klägerin trägt insoweit lediglich vor, dass sie ihre erweiterte Mitwirkungspflicht erfüllt habe, die Recherche des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) durch Dokumente widerlegt worden sei und dass das Finanzgericht (FG) die Anträge und Beweise zum entscheidungserheblichen Sacherverhalt nicht beachtet habe. Des Weiteren weist die Klägerin hinsichtlich der Anforderungen an die Benennung eines Zahlungsempfängers auf das Urteil des BFH vom 27. Juni 2001 I R 46/00 (BFH/NV 2002, 1) hin.
Damit hat die Klägerin aber lediglich ihr Interesse an der Klärung ihres Einzelfalls kundgetan und sich weder mit der Rechtsprechung des BFH zu den Anforderungen an die Benennung eines Zahlungsempfängers i.S. des § 160 der Abgabenordnung (AO 1977) auseinander gesetzt noch dargelegt, dass diese Rechtsfrage umstritten und damit klärungsbedürftig sei (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., 2002, § 116 Rz. 33).
b) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO setzt entsprechend der früheren Divergenzrüge auch nach der Neufassung der Vorschriften über die Revisionszulassung durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) voraus, dass nicht nur das Urteil, von dem die Vorinstanz abgewichen sein soll, bezeichnet wird, sondern auch der Rechtssatz, den das FG falsch ausgelegt oder angewandt haben soll, bezeichnet werden (Senatsbeschluss vom 9. Juli 2002 IV B 160/01, BFH/NV 2002, 1563; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 41). Die Klägerin hat zwar mit dem Urteil des BFH in BFH/NV 2002, 1 eine Entscheidung benannt, sie hat es jedoch versäumt, divergierende abstrakte Rechtssätze sowohl aus dem angefochtenen Urteil als auch aus der Entscheidung des BFH in BFH/NV 2002, 1 zu bezeichnen.
2. Die Klägerin hat ebenso einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht ordnungsgemäß i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
a) Die Rüge, dass das FG seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt habe, genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Der Senat braucht dabei nicht zu prüfen, ob sich aus dem Vorbringen der Klägerin schlüssig die erforderlichen Angaben zum Beweisantritt und zum Beweisthema, also die den angeblichen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen, ergeben, denn der Klägerin kommt für ihre Verfahrensrüge insoweit eine in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Begründungserleichterung zugute. Soweit nämlich das FG --wie im Streitfall-- selbst begründet hat, weshalb von der Erhebung einzelner Beweise abgesehen worden ist, ergeben sich die den angeblichen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen aus dem Urteil selbst, so dass die Forderung nach ihrer Angabe zusätzlich auch in der Beschwerdeschrift eine unnötige Förmelei darstellen würde (ständige Rechtsprechung, aus jüngerer Zeit BFH-Beschluss vom 14. August 2000 VII B 87/00, BFH/NV 2001, 147, m.w.N.).
b) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe die Beweisanträge übergangen, fehlt es allerdings an dem zur Darlegung dieses Verfahrensmangels gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war. Denn bei dem Übergehen eines Beweisantrages handelt es sich um einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, auf deren Einhaltung gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) verzichtet werden kann (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 4. März 2002 IV B 109/01, BFH/NV 2002, 1036). Die Klägerin hat --obwohl in der mündlichen Verhandlung vor dem FG bereits durch die jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten-- nicht dargelegt, weshalb diese nicht auf der beantragten Beweiserhebung bestanden haben oder weshalb ihnen dies nicht möglich gewesen sei. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2004 hat die anwesende Prozessbevollmächtigte die schriftsätzlich gestellten Beweisanträge nicht einmal wiederholt.
c) Soweit die Klägerin weiter einen Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO rügt, weil das FG seiner Entscheidung angeblich einen Sachverhalt zugrunde gelegt habe, der dem schriftlichen Vorbringen der Beteiligten nicht entsprochen habe, oder eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen habe, ist auch dieser Verfahrensfehler nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise hinreichend schlüssig dargelegt (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 5. April 1994 V B 164/93, BFH/NV 1995, 883; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 80). Die Klägerin hat weder die nicht berücksichtigten Aktenteile genau bezeichnet noch dargelegt, inwieweit die Berücksichtigung des angeblich nicht zur Kenntnis genommenen Akteninhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des Gerichts zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
d) Kein Verfahrensfehler, sondern ein materieller Rechtsfehler liegt vor, wenn der Inhalt des Verfahrens zwar vollständig zur Kenntnis genommen, aber fehlerhaft gewürdigt wird. Dies gilt insbesondere für die Beweiswürdigung (vgl. BFH-Beschluss vom 4. August 1999 IV B 96/98, BFH/NV 2000, 70). Soweit die Klägerin daher rügt, dass die vom Abnehmerkreis als Zahlungsempfänger der Klägerin gemachten Angaben zu den Personen als richtig hätten angesehen werden müssen, macht sie die Verletzung materiellen Rechts geltend, auf die eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision nicht gestützt werden kann. Insoweit ist die Beschwerde daher ebenfalls unzulässig.
Fundstellen