Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Beschwerde gegen Vorabentscheidungsersuchen der FG
Leitsatz (NV)
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß gegen Vorabentscheidungsersuchen der FG nach Art. 177 EGV die Beschwerde nicht statthaft ist.
Normenkette
EGVtr Art. 177 (jetzt Art. 234 EG); FGO § 128; StBerG § 36 Abs. 3
Tatbestand
Mit dem angefochtenen Beschluß setzte das Finanzgericht (FG) in dem bei ihm anhängigen Klageverfahren wegen Befreiung der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) von der Steuerberaterprüfung das Verfahren aus und legte dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nach Art. 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:
Liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG vom 9. Februar 1976 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 39/40) oder gegen anderes Gemeinschaftsrecht in Form der "mittelbaren Diskriminierung von Frauen" vor,
wenn nach Vorschriften des nationalen Rechts (§ 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, Abs. 2 i. V. m. § 36 Abs. 3 des Steuerberatungsgesetzes -- StBerG --) sich die als Voraussetzung für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung geforderte mindestens 15-jährige Sachbearbeitertätigkeit im gehobenen Beamtendienst der Finanzverwaltung bei Teilzeitbeschäftigung mit Ermäßigung bis auf die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit entsprechend verlängert,
und wenn von den 119 teilzeitbeschäftigten Beamten des gehobenen Dienstes der bremischen Finanzverwaltung 110 Frauen sind (92,4 %)?
Gegen diese Entscheidung legte der Beklagte und Beschwerdeführer (Senator für Finanzen) Beschwerde ein, mit der er sinngemäß beantragt, den Vorlagebeschluß aufzuheben. Er macht u. a. geltend, die Regelung des § 36 Abs. 3 StBerG i. d. F. des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl I, 1387), die bei Teilzeitbeschäftigung eine verhältnismäßige Verlängerung der nach dem Gesetz anrechenbaren berufspraktischen Tätigkeiten vorschreibt, stelle gerade eine Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes dar, da sie Männer und Frauen gleichermaßen betreffe. Eine Vorlage an den EuGH hätte nicht erfolgen dürfen, weil die strittige nationale Regelung an Art. 3 des Grundgesetzes zu messen sei und allenfalls eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht in Betracht komme. Die Bestimmung betreffe auch nur deutsche Staatsangehörige. Die vom FG zitierte EG- Richtlinie sei schließlich auf den Streitfall nicht anwendbar.
Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Gegen Vorabentscheidungsersuchen des FG nach Art. 177 EGV ist -- wie der Senat mit Beschluß vom 27. Januar 1981 VII B 56/80 (BFHE 132, 217, BStBl II 1981, 324) entschieden hat -- die Beschwerde nicht statthaft. Das gilt auch für die damit verbundene Verfahrensaussetzung, die nur einen beiläufigen und im Grunde überflüssigen Teil des Vorabentscheidungsersuchens darstellt. Der Senat hält an dieser Rechtsauffassung, die inzwischen von der einhelligen Kommentarliteratur geteilt wird (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 128 Rz. 9; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 128 FGO Tz. 17; Schwarz, Finanzgerichtsordnung, § 128 Rz. 7) und gegen die von der Beschwerde keine substantiierten Einwendungen erhoben worden sind, fest; zur Begründung nimmt er auf seine vorstehend zitierte Entscheidung Bezug.
Ob die dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage für den Streitfall entscheidungserheblich ist -- was von der Beschwerde verneint wird --, ist demnach für das vorliegende Verfahren unbeachtlich. Der Senat hat in BFHE 132, 217, BStBl II 1981, 324 die Unzulässigkeit der Beschwerde gegen Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 177 EGV gerade auch damit begründet, daß der Bundesfinanzhof die Entscheidungserheblichkeit der dem EuGH vorgelegten Frage gegebenenfalls auch noch im Revisionsverfahren zu überprüfen hat. Die Statthaftigkeit der Beschwerde gegen den Beschluß des FG kann im Streitfall auch nicht daraus hergeleitet werden, daß der EuGH nach Art. 177 EGV über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, nicht aber über die Auslegung nationalen Rechts oder die Vereinbarkeit nationalen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden hat. Ob ein zulässiges Vorabentscheidungsersuchen gegeben bzw. eine vorlagefähige Frage des Gemeinschaftsrechts gestellt worden ist, entscheidet der EuGH in eigener Zuständigkeit. Dabei entspricht es häufig seiner Verfahrenspraxis, die Vorlagefrage gegebenenfalls so umzudeuten, daß das Vorabentscheidungsersuchen zulässig wird (vgl. Lenz, Die Rolle und der Wirkungsmechanismus des Vorabentscheidungsverfahrens, Deutsche Richterzeitung 1995, 213, 216).
Fundstellen