Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei Minderjährigen ist grundsätzlich Bevollmächtigung durch beide Elternteile erforderlich
Leitsatz (NV)
1. Prozeßvollmacht kann nachgereicht werden. Die vorangegangenen Prozeßhandlungen werden dadurch (rückwirkend) wirksam.
2. Obliegt die gesetzliche Vertretung eines beschränkt geschäftsfähigen Klägers beiden Elternteilen, so ist auch eine von beiden unterzeichnete Prozeßvollmacht dem Gericht vorzulegen.
Normenkette
BGB §§ 106, 1629; FGO § 62 Abs. 1, 3; ZPO § 80 ff.
Verfahrensgang
Tatbestand
Gegen das klagabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) legte der Steuerberater J mit Schreiben vom 24. Mai 1985 Revision ein. Im Rubrum dieses Schriftsatzes ist die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) als ,,S. H., vertreten durch ihre Eltern J. und E. H. . . ." bezeichnet.
Nachdem sich in den Akten des FG nur eine mit einem unleserlichen Schriftzeichen versehene Vollmacht befindet, wurde J mit per Einschreiben versandtem Brief vom 19. September 1985 von der Geschäftsstelle des Senats unter Hinweis auf § 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ,,um Übersendung einer von den gesetzlichen Vertretern unterzeichneten Prozeßvollmacht" bis zum 15. November 1985 gebeten.
Am 17. Januar 1986 ging beim Senat das Schreiben eines Steuerbevollmächtigten E ein, mit welchem eine auf ,,Herrn W. M." lautende, mit einer unleserlichen Unterschrift versehene Vollmacht vorgelegt wurde.
Mit Schreiben vom 20. Januar 1986 bat der Vorsitzende des Senats den J ,,Unter Bezugnahme auf das Schreiben der Geschäftsstelle vom 19. September 1985 und unter Hinweis auf die Kostentragungspflicht durch den vollmachtlosen Vertreter (. . . BFHE, 87, 1, BStBl III 1967, 5)" nochmals um Vorlage einer ,,auf Sie ausgestellte - von den gesetzlichen Vertretern unterzeichnete - Prozeßvollmacht . . .".
Am 14. März 1986 ging beim Senat ein auf Briefkopfbogen des Steuerbevollmächtigten E geschriebener Schriftsatz ein, worin u. a. Verzicht auf mündliche Verhandlung erklärt wurde. In der oberen linken Ecke des Briefbogens ist ein Stempelaufdruck ,,M. und K. Steuerberatungssozietät . . ." angebracht. Der Schriftsatz ist mit einer unleserlichen Unterschrift versehen.
Am 17. März 1986 fragte daraufhin die Geschäftsstelle des Senats per Einschreiben bei der Sozietät M. und K. an, ob sie die Prozeßvertretung übernommen habe, und stellte für diesen Fall anheim, bis 30. April 1986 eine ordnungsgemäße Prozeßvollmacht i. S. des § 62 Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 80 ff. der Zivilprozeßordnung (ZPO) einzureichen. Daraufhin ging am 13. Juni 1986 eine auf ,,Herrn W. M." lautende Prozeßvollmacht ein. Übersandt wurde sie vom Steuerbevollmächtigten E. Die Vollmacht ist mit einer unleserlichen Schrift unterzeichnet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Denn sie wurde nicht von einer Person unterzeichnet, die sich durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht hierzu legitimiert hat (§§ 62 Abs. 3 Satz 1, 124, 126 FGO).
Nach § 62 Abs. 1 FGO können sich die Beteiligten durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Die Vollmacht ist jedoch schriftlich zu erteilen. Sie kann nachgereicht werden, wofür das Gericht eine Frist bestimmen kann (§ 62 Abs. 3 FGO). Die von dem ,,Bevollmächtigten" zunächst ohne Vollmacht vorgenommenen Prozeßhandlungen sind wirksam, wenn die Vollmacht nachträglich eingereicht wird oder die Prozeßhandlungen vom Vertretenen genehmigt werden.
Der ,,Bevollmächtigte" hat innerhalb der ihm gesetzten Frist eine ordnungsgemäße Vollmacht nicht vorgelegt. Unter diesen Umständen fehlt es an einer Prozeßvoraussetzung (vgl. Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 28. Aufl., § 88 2 Bb; Koehler, Verwaltungsgerichtsordnung, § 67 III 7; Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, Vor § 63 Tz. 8; Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. November 1966 V R 46/66, BFHE 87, 1, BStBl III 1967, 5).
Die Revision wurde von J eingelegt. Deshalb wäre es erforderlich gewesen, eine auf J lautende Vollmacht beider gesetzlicher Vertreter (vgl. §§ 106, 1629 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) der beschränkt geschäftsfähigen Klägerin vorzulegen. Hieran fehlt es selbst dann, wenn die auf J lautende, sich in den FG-Akten befindliche ,,Vollmacht" mit in Betracht gezogen wird. Denn diese ,,Vollmacht" ist allenfalls von nur einem Elternteil unterzeichnet, und es ist nicht erkennbar von welchem.
Damit fehlt es an der erforderlichen Klarheit der Vollmachtserteilung (vgl. u. a. Urteil des Senats vom 17. Juli 1984 VIII R 20/82, BFHE 141, 463, BStBl II 1984, 802; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 62 FGO Tz. 9 mit weiteren Nachweisen).
Auch die auf Herrn W. M. ausgestellte Vollmacht leidet an diesem Mangel, so daß schon deshalb nicht geprüft zu werden braucht, ob etwa die gesetzlichen Vertreter der Klägerin über den Steuerberater M. die Revisionseinlegung durch J durch schlüssiges Verhalten, wie etwa die Mandatsübertragung auf M., genehmigt haben. Hinzu kommt, daß der Steuerberater M. gegenüber dem Gericht nicht erklärt hat, daß er die Prozeßvertretung übernommen habe. Die bloße Anbringung eines Stempelaufdrucks ,,M. und K." auf einem Schriftsatz, der ausweislich des Briefkopfs vom Steuerbevollmächtigten E stammt, hat nicht die Mandatsübernahme durch den Steuerberater M. zum Inhalt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Zur Kostentragungspflicht des Steuerberaters J wird auf den Beschluß in BFHE 87, 1, BStBl III 1967, 5 verwiesen.
Fundstellen