Nutzungspflicht des beA für eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Vor dem 1.8.2022 bestand für eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH als Bevollmächtigte keine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs gemäß § 52d Satz 1 oder 2 FGO, und zwar auch dann nicht, wenn sie durch einen Rechtsanwalt als Vertreter i. S. d. § 62 Abs. 2 Satz 3 FGO handelte.

Hintergrund: Gesetzliche Regelungen

Nach § 52d Satz 1 FGO, der am 1.1.2022 in Kraft getreten ist, sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt – ebenfalls mit Wirkung ab dem 1.1.2022 – nach § 52d Satz 2 FGO für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht. Wer vertretungsberechtigt ist, ergibt sich aus § 62 Abs. 2 FGO.

Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 52a Abs. 3 Satz 1 FGO). Sichere Übermittlungswege sind nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO der Übermittlungsweg zwischen dem beA nach § 31a BRAO oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts.

§ 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO enthält in der ab dem 1.8.2022 geltenden Fassung – im Folgenden § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO n. F. – einen Verweis auch auf das für Gesellschaften errichtete beA.

Sachverhalt: Erhebung der Klage per Telefax

Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren über die Frage, ob ab dem 1.1.2022 eine finanzgerichtliche Klage durch eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, die durch einen Rechtsanwalt in Prokura vertreten wurde, als elektronisches Dokument nach §§ 52a, 52d FGO erhoben werden musste.

Der Kläger hatte gegen einen Haftungsbescheid Einspruch eingelegt. Dieser blieb erfolglos. Die Einspruchsentscheidung war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, in der ein Hinweis auf eine Klageerhebung auf elektronischem Übermittlungsweg nach §§ 52a, 52d FGO nicht enthalten war.

Der Kläger erhob innerhalb der Klagefrist per Telefax Klage vor dem FG. Er war dabei vertreten durch seine damalige Prozessbevollmächtigte, die X Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Zweigniederlassung Y (Rechtsanwalts-GmbH). Bereits seit dem 17.7.2020 bestand zugunsten dieser Rechtsanwalts-GmbH – seinerzeit unter einer anderen Firma – eine Vollmacht des Klägers.

Die Klageschrift war unterzeichnet im Namen der Rechtsanwalts-GmbH von dem Prokuristen M und versehen mit dem Zusatz „Rechtsanwalt/Steuerberater“ und in der Folgezeile „Fachanwalt für Steuerrecht“. Auf dem Briefkopf der Rechtsanwalts-GmbH war M als „Ansprechpartner“ und in der Fußzeile des Briefkopfes als anwaltlicher Berufsträger benannt.

Aufgrund eines gerichtlichen Hinweises auf § 52d Satz 1 FGO beantragte die Rechtsanwalts-GmbH – erneut unter einer anderen Firma – zunächst eine Fristverlängerung und trug sodann innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist schriftsätzlich vor, § 52d FGO sei vor dem 1.8.2022 auf eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH nicht anwendbar. Die vorgenannten Schriftsätze gingen per Telefax beim FG ein. Mit einem weiteren Schriftsatz begründete die Rechtsanwalts-GmbH – unter der neuen Firma – die Klage in der Sache. Diesen Schriftsatz übermittelte eine für die Rechtsanwalts-GmbH tätige Rechtsanwältin über das für sie eingerichtete beA.

Klage nach Auffassung des FG unzulässig

Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Es erklärte, die Klage sei nicht in der gesetzlichen Form nach §§ 52d, 52a FGO innerhalb der Klagefrist erhoben worden. Soweit die Rechtsanwalts-GmbH durch die Klagebegründung erstmals einen den Anforderungen des § 52d FGO entsprechenden Schriftsatz elektronisch eingereicht habe, sei dies nicht innerhalb der Klagefrist erfolgt. Dabei habe die Klagefrist einen Monat betragen, da die in der Einspruchsentscheidung enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung den Anforderungen des § 55 Abs. 1 FGO entsprochen habe. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht ersichtlich.

Kläger legt Revision ein

Der Kläger hat dagegen Revision eingelegt, die dem BFH durch ein elektronisches Dokument per beA übermittelt worden ist. Zur Begründung trägt er vor, der persönliche Anwendungsbereich des § 52d FGO habe zumindest bis zum 1.8.2022, dem Zeitpunkt der Einführung von Gesellschaftspostfächern nach § 31b BRAO, eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH nicht umfasst. Vor diesem Zeitpunkt habe für eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH kein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung gestanden. Eine Nutzungspflicht des beA ergebe sich auch nicht aus § 52d Satz 1 FGO, da die Klage nicht durch einen Rechtsanwalt eingereicht worden sei, sondern von einem Rechtsanwalt (M) als Vertreter der Rechtsanwalts-GmbH. Eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH sei nach § 59l BRAO prozessfähig, nach § 62 Abs. 2 FGO postulationsfähig und nehme Prozesshandlungen daher selbst vor.

Zudem sei die Rechtsbehelfsbelehrung in der Einspruchsentscheidung unrichtig gewesen, sodass für die Klageerhebung die Jahresfrist gemäß § 55 Abs. 2 FGO gegolten habe. Diese Frist sei aufgrund der beim FG per beA eingegangenen Klagebegründung gewahrt worden.

Entscheidung: Revision führt zur Zurückverweisung an FG

Der BFH hat entschieden, dass die Revision begründet ist und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung führt.

Das FG hat die Klage zu Unrecht durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen. Die Sache ist zurückzuverweisen, da sich das FG nicht mit dem Vorbringen der Beteiligten in der Sache befasst und den Sachverhalt nicht festgestellt hat.

Die finanzgerichtliche Klage ist innerhalb der Monatsfrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO erhoben worden. Die per Telefax beim FG vor Ablauf der Monatsfrist eingegangene Klage hat diese Frist gewahrt, weil sie der von § 64 Abs. 1 FGO vorgegebenen Form entsprochen und nicht den Vorgaben der §§ 52a, 52d FGO unterlag.

Rechtsanwalts-GmbH im Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift nicht zur Nutzung des beA verpflichtet

Eine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs ergibt sich nicht aus § 52d Satz 2 FGO. Für die Prozessbevollmächtigte des Klägers, eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, hat ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO n. F. erst ab dem 1.8.2022 zur Verfügung gestanden. Erst ab diesem Zeitpunkt hat die Bundesrechtsanwaltskammer nach § 31b Abs. 1 BRAO n. F. für eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ein beA als Gesellschaftspostfach eingerichtet. Mithin sind Berufsausübungsgesellschaften daher erst ab diesem Zeitpunkt zur Nutzung des beA gegenüber den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit verpflichtet.

Mangels sicheren Übermittlungswegs i. S. d. § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO hat sich für die Rechtsanwalts-GmbH bei Einreichung der Klageschrift keine Nutzungspflicht nach § 52d Satz 2 FGO zur Übermittlung der Klageschrift als elektronisches Dokument ergeben.

Eine Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für die Rechtsanwalts-GmbH ergibt sich auch nicht aus § 52d Satz 1 FGO. Denn nach dieser Vorschrift sind – neben Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts – lediglich Rechtsanwälte, die in ihrer beruflichen Funktion als Rechtsanwalt selbständig tätig sind und nach § 31a BRAO ein beA unterhalten müssen, verpflichtet, vorbereitende und bestimmende Schriftsätze unter Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs als elektronisches Dokument zu übermitteln. Rechtsanwaltsgesellschaften i. S. d. § 59c Abs. 1 BRAO a. F. sind demgegenüber von dem Wortlaut des § 52d Satz 1 FGO nicht erfasst.

Eine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs nach § 52d Satz 1 FGO ergibt sich für die Rechtsanwalts-GmbH auch nicht aus dem Umstand, dass sie durch M als Vertreter gehandelt hat, der eine Zulassung als Rechtsanwalt besaß, auf dem Briefkopf der Rechtsanwalts-GmbH als „Ansprechpartner“ und in der Fußzeile des Briefkopfes als Berufsträger ausgewiesen war sowie die Klageschrift mit dem Zusatz „Rechtsanwalt/Steuerberater“ und in der Folgezeile „Fachanwalt für Steuerrecht“ unterzeichnet hatte. Dieser hätte als Organ oder Vertreter der Rechtsanwalts-GmbH zwar das für ihn eingerichtete beA nutzen können, aber nicht müssen.

Gebot des effektiven Rechtsschutzes

Nach Maßgabe des Gebots des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG darf eine Klage nur dann aufgrund eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs nach § 52d FGO als unzulässig abgewiesen werden, wenn ein eindeutiger Verstoß gegen § 52d FGO vorliegt. In Zweifelsfällen – etwa dann, wenn es unklar erscheint, ob eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von dem Normbefehl erfasst ist oder nicht – ist einer rechtsschutzgewährenden Auslegung der Norm der Vorrang einzuräumen und die Klage als zulässig anzusehen.

Hinweis: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann dahinstehen

Die Fragen, ob die Frist für die Erhebung der finanzgerichtlichen Klage aufgrund einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung in der Einspruchsentscheidung auf ein Jahr verlängert wurde (§ 55 Abs. 2 FGO) und ob eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, konnte nach Ansicht des BFH im Urteilsfall dahingestellt bleiben können.

BFH, Urteil v. 16.1.2024, VII R 34/22; veröffentlicht am 6.6.2024

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