Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung von Prozeßkostenhilfe für die Anfechtung von Schätzungsbescheiden
Leitsatz (NV)
1. Der Senat läßt weiterhin offen, ob er an seiner Rechtsauffassung festhält, daß eine Rechtsverfolgung dann mutwillig ist, wenn sich der Kläger, der keine Steuererklärung abgegeben hat, einschätzen läßt und die Steuererklärung erst im gerichtlichen Verfahren vorlegt (vgl. Beschluß vom 5. November 1992 X B 167/92, BFH/NV 1993, 324).
2. Die beantragte Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten ist auf der Rechtsgrundlage des § 121 Abs. 2 ZPO zu versagen, wenn mit der Vorlage der Steuererklärungen nichts anderes erbracht wird, als was zuvor schon Gegenstand außerprozessualer Mitwirkungspflichten gewesen war und ohne fachkundige Hilfe zu bewältigen gewesen wäre (BFH-Beschluß vom 27. Januar 1989 III B 130/88, BFH/NV 1989, 767).
3. Wird die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst mit der Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozeßkostenhilfe vorgelegt, ändert dies nichts daran, daß die Entscheidung des FG rechtmäßig ist (BFH-Beschluß vom 3. August 1993 VII B 71/93, BFH/NV 1994, 257, m. w. N. der Rechtsprechung).
Normenkette
FGO §§ 142, 155; ZPO §§ 114, 117, 121 Abs. 2, § 570
Verfahrensgang
Tatbestand
In dem beim FG anhängigen Klageverfahren streiten die Beteiligten um die Höhe von Schätzungen, die der Beklagte und Antragsgegner (das Finanzamt -- FA --) den angefochtenen Bescheiden über Einkommensteuer und Umsatzsteuer 1990 zugrunde gelegt hat. Die Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) hatten die Steuererklärungen nicht eingereicht. Sie haben beim FG beantragt, ihnen Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren. Das FG hat den Antrag mit Beschluß vom 5. Juli 1993 im Hinblick darauf abgelehnt, daß die Antragsteller Verfahrensvollmachten, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die Steuer erklärungen nicht eingereicht hatten.
Mit der Beschwerde machen die Antragsteller geltend, sie hätten inzwischen die fehlenden Unterlagen und Erklärungen nach gereicht. Wegen ihrer dem FA bekannten Überschuldung seien sie nicht in der Lage gewesen, eine steuerlich versierte Kraft mit der Erstellung des Jahresabschlusses zu betrauen. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. In seinem Beschluß vom 29. November 1993 hat es ausgeführt, die Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung ergebe sich daraus, daß die PKH gleichsam zur Finanzierung der Jahresabschlußarbeiten beantragt worden sei. Es sei aber nicht Sinn und Zweck der PKH, Hono rarbeiträge zur Bilanzerstellung zu leisten. Es sei eindeutig, daß sich das Prozeßkostenhilferecht auf die "eigentliche Prozeßführung" beschränke.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Begründung des FG gefolgt werden kann. Denn PKH wird u. a. dafür gewährt, daß ein Prozeßvertreter im finanzgerichtlichen Verfahren tätig wird. Es kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, daß sich der Prozeßvertreter nicht diese Tätigkeit, sondern (nur) die Hilfe bei der Erstellung der Bilanz vergüten läßt. Der Senat läßt weiterhin offen, ob er an seiner Rechtsauffassung festhält, daß eine Rechtsverfolgung dann mutwillig ist, wenn sich der Kläger, der keine Steuererklärung abgegeben hat, einschätzen läßt und die Steuererklärung erst im gerichtlichen Verfahren vorlegt (Beschluß vom 5. November 1992 X B 167/92, BFH/NV 1993, 324). Demgegenüber ist zu bedenken, daß dem Recht der PKH -- anders als dem Kostenrecht -- Erwägungen einer kostenrechtlichen Sanktion grundsätzlich fremd sind (vgl. hierzu auch Senatsbeschluß vom 17. Juli 1989 X B 39/89, BFH/NV 1990, 551; Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 2. Juli 1992 VIII B 9/90, nicht veröffentlicht -- NV --; vom 10. Januar 1994 XI B 65/93, BFH/NV 1995, 429). Die beantragte Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten ist auf der Grundlage des § 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung zu versagen, wenn mit der Vorlage der Steuererklärungen nichts anderes erbracht wird, als was zuvor schon Gegenstand außerprozessualer Mitwirkungspflichten gewesen war und ohne fachkundige Hilfe zu bewältigen gewesen wäre (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Januar 1989 III B 130/88, BFH/NV 1989, 767, 769, unter 2.).
Das FG hat den Antrag auf PKH zu Recht u. a. deswegen abgelehnt, weil die Antragsteller die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt haben. Die Nachholung der Erklärung im Beschwerdeverfahren ändert nichts daran, daß die Entscheidung des FG rechtmäßig ist. Nach der Rechtsprechung des BFH, welcher sich der erkennende Senat anschließt, ist die erst im Beschwerdeverfahren vorgelegte Erklärung verspätet, weil die PKH grundsätzlich nur für die Zukunft bewilligt werden kann; insoweit wird auf den BFH-Beschluß vom 3. August 1993 VII B 71/93 (BFH/NV 1994, 257, m. w. N. der Rechtsprechung) Bezug genommen. Es bleibt den Antragstellern unbenommen, erneut einen Antrag auf Bewilligung der PKH an das FG zu stellen, mit dem sie die notwendigen Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH vollständig darlegen und die erforderlichen Unterlagen beifügen.
Fundstellen