Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung des anderen Ehegatten bei abweichendem Antrag eines Ehegatten auf getrennte Veranlagung
Leitsatz (NV)
Besteht Streit zwischen den Ehegatten, ob eine Zusammenveranlagung oder eine getrennte Veranlagung durchzuführen ist, ist der andere Ehegatte notwendig beizuladen. Dies gilt auch dann, wenn der andere Ehegatte der Änderung des Veranlagungswahlrechts nicht ausdrücklich widerspricht.
Normenkette
EStG § 26 Abs. 1; FGO § 60 Abs. 3, § 142; ZPO § 114
Tatbestand
I. Die Antragstellerin, Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde mit Bescheid vom 11. Juni 1996 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit ihrem damaligen Ehemann für 1991 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Mit Bescheid vom 5. September 2000 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Einkommensteuer 1991 aufgrund des § 53 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Steuerfreistellung des Existenzminimums von Kindern um 868 DM niedriger fest und erklärte den Bescheid für endgültig. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Das FA wies den Einspruch mit der Begründung zurück, die Besteuerungsgrundlagen könnten nach Ablauf der Festsetzungsfrist am 31. Dezember 1997 nicht mehr geändert werden, der angefochtene Bescheid sei lediglich im Rahmen der angeordneten Vorläufigkeit nach § 165 der Abgabenordnung (AO 1977) korrigiert worden.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage, mit der sie geltend macht, sie habe erst durch den Bescheid vom 5. September 2000 von dem ersten Bescheid vom 11. Juni 1996 erfahren. Sie sei nicht zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert worden und mache Verjährung, Verwirkung und Verfristung geltend. Weiterhin behauptet sie, sie habe mündlich und schriftlich die getrennte Veranlagung, aber auch die Erteilung eines Aufteilungsbescheides beantragt. Wegen des Ablaufs der Festsetzungsfrist begehre sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Durch Beschluss vom 31. März 2003 hat das Finanzgericht (FG) den geschiedenen Ehemann der Klägerin zu dem Verfahren beigeladen. Zur Begründung führt das FG im Wesentlichen aus: Da die Klägerin die Zusammenveranlagung durch eine getrennte Veranlagung ersetzen wolle, die auch zu entsprechenden Änderungen der Steuerfestsetzung für ihren früheren Ehemann führen würde, sei der frühere Ehemann an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen könne. Er sei deshalb nach § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu dem Verfahren notwendig beizuladen.
Hiergegen hat die Klägerin mit der Begründung Beschwerde eingelegt, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 FGO seien nicht gegeben. In den Gründen des angefochtenen Beschlusses seien keine Feststellungen dazu getroffen, ob Streit zwischen den früheren Ehegatten über die Zulässigkeit des Begehrens bestehe. Nur in diesem Fall sei eine notwendige Beiladung erforderlich. Insoweit werde auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Mai 1992 III B 110/91 (BFHE 168, 215, BStBl II 1992, 916) verwiesen. Des Weiteren beantragt die Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren und einen Rechtsanwalt beizuordnen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf Gewährung von PKH wird abgelehnt.
1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Beschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Das FG hat den früheren Ehemann der Klägerin zu Recht notwendig zum Verfahren beigeladen.
a) Nach § 60 Abs. 3 FGO sind Dritte zu einem Rechtsstreit dann notwendig beizuladen, wenn eine Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Der BFH hat die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung i.S. des § 60 Abs. 3 FGO bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten im Regelfall verneint, weil die Entscheidung nicht einheitlich ergehen muss (ständige Rechtsprechung, BFH-Beschluss in BFHE 168, 215, BStBl II 1992, 916, m.w.N.). Der Zusammenveranlagungsbescheid ist kein einheitlicher Verwaltungsakt, sondern eine Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbständiger Verwaltungsakte.
Hiervon macht der BFH jedoch dann eine Ausnahme, wenn Streit darüber besteht, ob eine Zusammenveranlagung oder eine getrennte Veranlagung durchzuführen ist. Diese Beurteilung beruht entscheidend auf der Überlegung, dass die in § 26 Abs. 1 EStG genannten Vorschriften bei der Besteuerung beider Ehegatten nur einheitlich angewendet werden können. Die Änderung der Veranlagungsart bei einem Ehegatten hat zwangsläufig eine Änderung der Steuerfestsetzung beim anderen Ehegatten selbst dann zur Folge, wenn dessen Einkommensteuer bereits bestandskräftig festgesetzt ist (BFH-Beschluss in BFHE 168, 215, BStBl II 1992, 916). Diese Änderung der Steuerfestsetzung hat bei einem Wechsel von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung durch den Verlust des sog. Splittingvorteils im Regelfall eine höhere Steuerbelastung des anderen Ehegatten zur Folge; daraus ergeben sich entgegengesetzte Interessen der Ehegatten.
b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen einer getrennten Veranlagung vorliegen oder ob die Bestandskraft des Bescheides vom 11. Juni 1996 und/oder der Ablauf der Festsetzungsfrist einer getrennten Veranlagung entgegensteht. Da der frühere Ehemann der getrennten Veranlagung nicht ausdrücklich zugestimmt hat, sich der Wechsel von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung für ihn negativ ausgewirkt hat, ist davon auszugehen, dass er andere Interessen als die Klägerin verfolgt.
Die Beiladung des geschiedenen Ehemannes ist unabhängig davon geboten, ob zwischen den Eheleuten ausdrücklich Streit darüber besteht, ob getrennt zu veranlagen ist. Zum einen erfährt der geschiedene Ehegatte im Regelfall erst über die Hinzuziehung bzw. Beiladung von dem Antrag des früheren Ehegatten, darüber hinaus kann das Schweigen zum Antrag des Ehegatten nicht als Einverständnis oder gemeinschaftlicher Antrag auf getrennte Veranlagung ausgelegt werden. Hierzu ist vielmehr eine ausdrückliche Zustimmung des geschiedenen Ehegatten erforderlich. Fehlt diese, ist davon auszugehen, dass er an der Zusammenveranlagung festhalten will.
Das FG hat daher den früheren Ehemann der Klägerin zu Recht notwendig beigeladen.
2. Der Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei.
Fundstellen