Entscheidungsstichwort (Thema)
Überraschungsentscheidung; Bindung des BFH an Ablehnung einer Tatbestandsberichtigung durch Vorinstanz; private Mitveranlassung einer Informationsreise ins Ausland; offenbare Unrichtigkeit bei Auswertung eines Prüfungsberichts
Leitsatz (NV)
1. Wird ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung befragt, kann er durch eine entsprechende Feststellung im Urteil nicht überrascht sein.
2. Lehnt das FG die beantragte Berichtigung des Tatbestandes ab, können etwa dennoch vorhandene Unrichtigkeiten mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr geltend gemacht werden. Diese Frage ist auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung.
3. Ob eine Informationsreise ins Ausland betrieblich oder privat mitveranlasst war, ist eine Frage des Einzelfalls. Sie hat daher keine grundsätzliche Bedeutung.
4. Die Nichtauswertung eines Teils eines Prüfungsberichtes kann eine offenbare Unrichtigkeit i.S. von § 129 AO 1977 darstellen.
Normenkette
AO 1977 § 129; FGO §§ 108, 115 Abs. 2; EStG § 12 Nr. 1 S. 2
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14.02.2003; Aktenzeichen 3 K 2835/00) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine von den einzelvertretungsberechtigten Gesellschaftern der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), die ein Weingut betreibt, durchgeführte Reise nach Argentinien und Chile betrieblich bedingt war. Die Reise fand im Februar 1997 statt und war vom … veranstaltet worden. Das Finanzgericht (FG) nahm u.a. an, der Teilnehmerkreis und die Reise seien nicht auf die betrieblichen Verhältnisse von Weinbaubetrieben wie den der Klägerin zugeschnitten gewesen. Der Reiseverlauf, die Reiseroute über die Anden und die Besichtigung touristisch interessanter Städte sprächen gegen eine nahezu ausschließlich betriebliche Veranlassung. Auch hätten die Gesellschafter nichts über verwertbare Ergebnisse für ihren Betrieb berichten können.
Entscheidungsgründe
Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin die geltend gemachten Zulassungsgründe jeweils entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt hat.
1. Ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt nicht vor, soweit die Klägerin behauptet, durch die Feststellung des FG (im angefochtenen Urteil), dem Gesellschafter A sei in der mündlichen Verhandlung nicht einmal der Name eines der bedeutendsten Weingüter der besuchten Region erinnerlich gewesen, überrascht worden zu sein. Wie aus den Entscheidungsgründen ersichtlich, hat das FG die betreffenden Feststellungen ja gerade in der mündlichen Verhandlung getroffen; der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und der Gesellschafter A haben an dieser Verhandlung teilgenommen.
Den Antrag der Klägerin auf Berichtigung des Tatbestandes (§ 108 FGO) hat das FG durch Beschluss vom 15. April 2003 abgelehnt. Daher können etwa dennoch vorhandene Unrichtigkeiten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht mehr mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden (Senatsbeschluss vom 14. September 1988 IV S 2/87, BFH/NV 1989, 384). Da die insoweit von der Klägerin aufgeworfene Frage nach den Folgen eines etwa unrichtigen Tatbestandes mithin bereits durch den o.g. Senatsbeschluss entschieden worden ist, hat sie entgegen der Ansicht der Klägerin auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO mehr. Nichts anderes kann für den Fall gelten, dass das FG einen Antrag auf Urteilsergänzung (§ 109 FGO) abgelehnt hat oder ein solcher nicht gestellt worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 22. März 2001 VI B 190/00, BFH/NV 2001, 1025).
2. Die Frage, ob die geltend gemachten Aufwendungen für die Reise nach Chile und Argentinien betrieblich bedingt waren oder nicht, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Sie betrifft den konkreten Einzelfall und berührt nicht wie erforderlich das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts (vgl. zu diesem Erfordernis den Senatsbeschluss vom 13. September 2001 IV B 87/01, BFH/NV 2002, 352). Zudem ist gerade durch den von der Klägerin zitierten Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) die Frage geklärt, dass die sowohl durch die Lebensführung als auch durch den Beruf (Betrieb) veranlassten Aufwendungen nicht abzugsfähig sind, es sei denn, die private Veranlassung sei von ganz untergeordneter Bedeutung. Denn durch das so genannte Aufteilungsverbot soll verhindert werden, dass Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewusst herbeigeführte Verbindung von beruflichen (betrieblichen) und privaten Erwägungen Aufwendungen für ihre Lebensführung wegen ihres Berufes oder Betriebes in einen einkommensteuerlich relevanten Bereich verlagern können, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus versteuerten Einkünften decken müssen. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage nach dem Maß der privaten Mitveranlassung kann hier schon deshalb nicht geklärt werden, weil der Senat an die im angefochtenen Urteil festgestellten Tatsachen gebunden ist und das FG insoweit gerade keine Feststellungen getroffen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Juni 2000 IX B 5/00, BFH/NV 2000, 1238).
Der Senat kann daher auch nicht davon ausgehen, dass das angefochtene Urteil --wie die Klägerin meint-- auf einem schwerwiegenden Mangel beruht (zu einem solchen Mangel vgl. den BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2002 I B 147/01, BFH/NV 2003, 197). Aus diesen Gründen ist die Revision auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
3. Schließlich ist die Revision auch nicht im Hinblick auf das von der Klägerin genannte Revisionsverfahren V R 52/02 zuzulassen. Denn der BFH hat in diesem Verfahren durch Urteil vom 27. November 2003 V R 52/02 (BFH/NV 2004, 605) entschieden, dass auch die Nichtauswertung eines Teils eines Prüfungsberichtes eine offenbare Unrichtigkeit i.S. von § 129 der Abgabenordnung (AO 1977) darstellen kann. Ebenso wie in dem vom BFH entschiedenen Fall hat das FG im Streitfall eine Nichtberücksichtigung von Prüfungsergebnissen wegen etwaiger abweichender Tatsachenfeststellungen oder rechtlicher Überlegungen ausgeschlossen. Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 FGO scheidet damit aus.
Fundstellen