Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung bei Verspätung wegen unvollständiger und fehlerhafter Anschrift
Leitsatz (NV)
Mit dem Transport einer Fristsache innerhalb der regelmäßigen Postlaufzeiten kann nicht gerechnet werden, wenn der Adressat nur mit der Abkürzung "BFH" bezeichnet wird, die Nummer des Postfachs fehlt und eine unzutreffende Postleitzahl verwendet wird.
Normenkette
FGO §§ 56, 120
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Steuerberaterin. Die Frist für die Begründung der fristgerecht in eigener Sache eingelegten Revision der Klägerin wurde bis zum 20. März 1995 verlängert. Mit Schreiben vom 22. März 1995 teilte die zuständige Geschäftsstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) der Klägerin unter Hinweis auf die in § 124 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Folgen und auf § 56 FGO mit, daß die Revisionsbegründung bisher nicht vorliege. Das Schreiben wurde der Klägerin am 24. März 1995 zugestellt. Am 28. März 1995 ging beim BFH ein Schreiben vom 23. März 1995 auf dem Briefpapier der Klägerin mit u. a. folgendem Inhalt ein:
"wir haben aus Versehen 2 Revisionsbegründungen an die falsche Adresse geschickt, bitte berücksichtigen Sie dies, denn es war wirklich nur ein Versehen. Wir haben Ihnen als ,Beweis` den anderen Umschlag beigefügt."
Der Umschlag enthält die folgende Anschrift "BFH, Postfach, 81675 München" und den Stempelaufdruck: "Zurück-Retour".
Dem Schreiben vom 23. März 1995 war eine Revisionsbegründung mit dem Datum des 1. Februar 1995 beigefügt, die an "BFH, Postfach, 81675" adressiert war.
Am 31. März 1995 ging beim BFH ein Schriftsatz der Klägerin vom 28. März 1995 ein. Darin wird auf ein Telefongespräch vom 23. März 1995 Bezug genommen. Weiter heißt es wie folgt:
"Am gleichen Tag gingen bei uns noch 2 Revisionsbegründungen mit einem Schreiben raus. Am 17. 03. 1995 gingen diese Revisionsbegründungen schon bei uns raus, jedoch mit der falschen Postleitzahl, den ,Beweis` in Form des Umschlages habe ich Ihnen die 2 Revisionsbegründungen beigefügt. Ich hoffe, Sie sehen den Sachverhalt genau wie ich als Versehen an und genehmigen mir die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand."
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Denn die Revisionsbegründung ist nicht innerhalb der Frist, die der Klägerin dafür eingeräumt war (vgl. § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO), eingegangen. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) liegen nicht vor. Die Revision ist daher durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 FGO).
Die Frist für die Begründung der Revision war bis zum 20. März 1995 verlängert worden. Die Revisionsbegründung ist erst am 28. März 1995 und damit verspätet eingegangen.
Der Klägerin ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sie hat keine Tatsachen dargelegt und glaubhaft gemacht, die dafür sprechen, daß sie ohne Verschulden verhindert war, die Frist für die Revisionsbegründung einzuhalten (§ 56 FGO). Die Adresse auf dem Umschlag, mit dem die Klägerin die Revisionsbegründung rechtzeitig zur Post gegeben hat, war fehlerhaft und unvollständig. Die Klägerin hat den Namen des Adressaten, des Revisionsgerichts, nicht ausgeschrieben, sondern abgekürzt, die Nummer des Postfachs nicht angegeben und eine falsche Postleitzahl verwendet. Unter diesen Umständen mußte sie damit rechnen, daß bei der Beförderung des Briefes erhebliche Verzögerungen eintreten würden, die dann aber nicht der Deutschen Bundespost, sondern ihr selbst als der Absenderin anzulasten waren (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 19. Dezember 1985 VIII R 3/85, BFH/NV 1987, 648, 649, und vom 1. Dezember 1987 VI R 27/87, BFH/NV 1988, 381, 382).
Die Mängel der Adressierung beruhten jedenfalls auch auf einem eigenen Verschulden der Klägerin. Denn die Revisionsbegründung enthält die gleichen Mängel bei der Bezeichnung des Empfängers wie der Briefumschlag, in dem sie versendet worden ist. Insbesondere die fehlende Angabe der Postfachnummer hätte ins Auge fallen müssen. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, die Mängel der Adressierung zu beanstanden und zu beseitigen, bevor sie den Schriftsatz unterschrieb (vgl. auch BFH- Beschluß in BFH/NV 1987, 648, 649, mittlere Spalte). Die vollständige und korrekte Anschrift des Revisionsgerichts lag der Klägerin auch vor. Sie ergab sich sowohl aus der Rechtsmittelbelehrung des finanzgerichtlichen Urteils als auch aus dem Schreiben des BFH vom 20. März 1995, in dem die Fristverlängerung gewährt worden war. Gründe dafür, weshalb von dieser Anschrift bei der Übersendung der Revisionsbegründung kein Gebrauch gemacht worden ist, hat die Klägerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Mit dem pauschalen Hinweis auf ein Versehen hat die Klägerin einen Entschuldigungsgrund für die Verwendung einer fehlerhaften und unvollständigen Adresse nicht substantiiert dargelegt.
Fundstellen
BFH/NV 1997, 595 |
JurBüro 1999, 167 |