Entscheidungsstichwort (Thema)
Bevollmächtigung nach Rechtsscheingrundsätzen; Darlegungserfordernisse nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO
Leitsatz (NV)
1. Es ist grundsätzlich geklärt, dass aufgrund von Bevollmächtigungen in den Vorjahren und den von diesem Bevollmächtigten für die Stpfl. für das Streitjahr gestellten Fristverlängerungsanträgen nach Rechtsscheingrundsätzen von einer Bevollmächtigung auch für das Streitjahr ausgegangen werden kann.
2. Die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung muss in Gestalt einer die Abweichung erkennbar machenden Gegenüberstellung von Rechtssätzen oder eines offensichtlichen (materiellen oder formellen) Rechtsanwendungsfehlers des FG von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung dargelegt werden.
3. Zur Darlegung einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen von Beweismitteln sind neben genauen Angaben und Ausführungen zu bestimmten Punkten insbesondere Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit erforderlich.
4. Mit Einwänden gegen die vermeintlich fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung einschließlich eines Widerspruchs zu "allgemeinen Denkgrundsätzen" und die unzutreffende Rechtsanwendung werden materiell-rechtliche Fehler, also die inhaltliche Richtigkeit des FG-Urteils gerügt; damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.
Normenkette
AO 1977 § 80 Abs. 1, § 162 Abs. 1, § 164 Abs. 1, § 172 Abs. 1 Nr. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (Urteil vom 05.08.2004; Aktenzeichen 2 K 866/02) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil entspricht ihre Begründung nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO); die nach Ablauf der zweimonatigen Begründungsfrist vorgebrachten Ausführungen bleiben, soweit nicht nur erläuternd und ergänzend, unberücksichtigt (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Juni 2003 III B 98/02, BFH/NV 2003, 1214, unter 3.; vom 30. Juli 2003 X B 152/02, BFH/NV 2003, 1603). Im Übrigen sind die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht gegeben.
1. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) vorgelegte Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch ist eine BFH-Entscheidung zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) erforderlich. Unabhängig von der fehlenden Auseinandersetzung mit der schon vorhandenen Rechtsprechung (zur Anscheins- und Duldungsvollmacht: z.B. BFH-Entscheidungen vom 25. September 1990 IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120; vom 3. März 2003 IX B 206/02, BFH/NV 2003, 884, m.w.N.; zum Nachprüfungsvorbehalt bei Schätzung: rechtskräftige Urteile z.B. des Finanzgerichts --FG-- des Saarlandes vom 10. April 1996 1 K 135/95, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1996, 956, des FG Baden-Württemberg vom 1. März 2001 3 K 125/98, juris-Dok.-Nr. STRE 200171641; des Hessischen FG vom 15. März 2001 13 K 1061/00, EFG 2001, 798, m.w.N.; zum groben Verschulden auch als Tatfrage: z.B. BFH-Urteile vom 25. Juli 2001 VI R 82/96, BFH/NV 2001, 1533; vom 16. September 2004 IV R 62/02, BFHE 207, 269, BStBl II 2005, 75; jeweils m.w.N.) und den in der Literatur (zur Anscheins- und Duldungsvollmacht: z.B. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 80 AO Tz. 10; Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2004, § 80 Rz. 22; zum Nachprüfungsvorbehalt bei Schätzung: z.B. Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Tz. 101; Pahlke/Koenig, a.a.O., § 164 Rz. 29; Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, § 164 AO Rz. 7; zum groben Verschulden: Tipke/Kruse, a.a.O., § 173 AO Tz. 76; von Groll in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, a.a.O., § 173 AO Rz. 275, 280; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 8. Aufl. 2003, § 173 Rz. 118) vertretenen Ansichten liegen jedenfalls die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor. Denn das FG konnte auf der Basis der vorstehend zitierten Rechtsprechung a) aufgrund der Bevollmächtigungen in den Vorjahren und den von ihrem Prozessbevollmächtigten für die Kläger gestellten Fristverlängerungsanträgen nach Rechtsscheingrundsätzen von einer Bevollmächtigung auch für das Streitjahr ausgehen, was durch die spätere ausdrückliche Bevollmächtigung bestätigt wurde, b) davon ausgehen, dass auch Schätzungsbescheide nicht zwingend unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--) ergehen müssen (so im Übrigen auch Anwendungserlass zur Abgabenordnung --AEAO-- Nr. 4 zu § 162, BStBl I 2000, 190, 242), und c) nach Maßgabe der Einzelfall-Umstände in der Nichtvorlage der Steuererklärung ein grobes Verschulden der Kläger sehen.
2. Ebenso haben die Kläger die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) in Gestalt einer die Abweichung erkennbar machenden Gegenüberstellung von Rechtssätzen oder eines offensichtlichen (materiellen oder formellen) Rechtsanwendungsfehlers des FG von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. Januar 2003 IX B 174/02, BFH/NV 2003, 649; vom 8. Januar 2004 V B 37-39, 57/03, BFH/NV 2004, 829, jeweils m.w.N.) nicht dargelegt. Eine Abweichung liegt auch nicht vor (s. auch zu 1.).
3. Soweit die Kläger die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) durch Übergehen von Beweismitteln rügen, fehlt es an den für eine hinreichende Darlegung erforderlichen genauen Angaben und Ausführungen zu bestimmten Punkten (z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Oktober 1998 X B 115/97, BFH/NV 1999, 630; vom 10. September 2002 X B 42/02, BFH/NV 2003, 70). Insbesondere fehlt es an Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit vor allem deshalb, weil das FG (im Urteil S. 5) die Wirksamkeit der Bescheidbekanntgabe schon "spätestens mit der Weiterleitung an die Kläger durch den Prozessbevollmächtigten" annimmt. Im Übrigen wurde der Auslandsaufenthalt der Kläger im Klageverfahren schriftsätzlich nicht unter Beweis gestellt.
4. Soweit sich die Kläger gegen die vermeintlich fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung einschließlich eines Widerspruchs zu "allgemeinen Denkgrundsätzen" und unzutreffende Rechtsanwendung wenden, rügen sie materiell-rechtliche Fehler, also die inhaltliche Richtigkeit des FG-Urteils; damit kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476; vom 19. Juni 2002 IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331, unter 3.a).
Fundstellen
BFH/NV 2005, 1130 |
BFH/NV 2005, 1131 |