Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Bestellung als Steuerberater ‐ weitere berufliche Tätigkeit als Landwirt als unvereinbare Tätigkeit
Leitsatz (NV)
- Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union hat keine rechtverbindliche Wirkung in den Mitgliedstaaten.
- Die Inkompatibilitätsregelung des § 57 Abs. 4 StBerG ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Mit dieser Regelung soll der abstrakten Gefahr begegnet werden, dass ein Steuerberater aufgrund seiner umfassenden Kenntnisse über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seines Mandanten bei seiner anderweitigen beruflichen Tätigkeit in Interessenkollision gerät.
Normenkette
StBerG § 40 Abs. 3 Nr. 2, § 57 Abs. 4 Nr. 1; GG Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist seit der Übernahme des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs seiner Eltern im Wege vorweggenommener Erbfolge als Landwirt tätig. Nach eigenen Angaben beschränkt sich seine diesbezügliche Tätigkeit auf die Buchhaltung und die Mitarbeit in der Produktion an den Wochenenden für vier bis fünf Stunden, während seine Eltern den Ackerbau und die Viehfütterung und seine Ehefrau das Management übernommen haben.
Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) lehnte den Antrag des Klägers, ihn als Steuerberater zu bestellen, mit der Begründung ab, dass die Tätigkeit des Klägers als Landwirt mit dem Beruf des Steuerberaters nicht vereinbar sei. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass es sich bei der anzuwendenden Vorschrift des § 57 Abs. 4 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) nicht um eine abschließende Aufzählung inkompatibler Tätigkeiten handele, so dass nach allgemeiner Auffassung auch die Tätigkeit als Landwirt mit dem Beruf des Steuerberaters nicht vereinbar sei. Auf die Dauer des Arbeitseinsatzes des Klägers komme es insoweit nicht an, sondern darauf, dass er Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebs sei. Eine nachhaltige Teilnahme des Betriebs am Leistungs- und Güteraustausch mit Gewinnerzielungsabsicht liege angesichts der in den zurückliegenden Jahren getätigten nicht unerheblichen Umsätze vor.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er im Wesentlichen auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) stützt. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob die Einschränkung der freien Berufswahl durch § 40 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG gegen Art. 15 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2000 Nr. C 364/1) verstoße. Dieses Grundrecht sehe nämlich keine Einschränkungen der Berufsfreiheit durch den nationalen Gesetzgeber vor. Ein deutscher Steuerberater habe während des Aufbaus eines Mandantenstammes nicht die Möglichkeit, ein zusätzliches Einkommen zu beziehen, sondern müsse sein gesamtes Einkommen aus der Beraterpraxis erwirtschaften und sei damit gegenüber anderen europäischen Mitbewerbern benachteiligt.
Soweit das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Einschränkung der Berufsfreiheit bei einer möglichen Konkurrenzsituation des Steuerberaters mit seinen Mandanten als mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar angesehen habe, müsse der Begriff der Konkurrenz dahin gehend ausgelegt werden, dass erlangte Kenntnisse auch zum Schaden des Mandanten verwendet werden könnten; die bloße Ausübung einer Tätigkeit als Landwirt reiche insoweit nicht. Eine mit dem Beruf des Steuerberaters nicht vereinbare Tätigkeit, die in seinem (des Klägers) landwirtschaftlichen Betrieb ohnehin nicht anfalle, müsse deshalb bezeichnet werden; dies sei aber im Streitfall nicht geschehen. Insoweit werde eine mangelnde Sachverhaltsaufklärung gerügt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil in der Beschwerdeschrift die vom Kläger geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt.
Einer Rechtsfrage ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn ihre Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/ oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 29. April 2002 IV B 29/01, BFHE 198, 316, BStBl II 2002, 581, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung und innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Juni 1995 II B 5/95, BFH/NV 1996, 141, m.w.N.; vom 14. März 2000 V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148; Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2002 VII B 178/02, BFH/NV 2003, 214).
Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Mit der von der Beschwerde vertretenen Ansicht, dass die Einschränkung der freien Berufswahl durch § 40 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG gegen Art. 15 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstoße, wird schon deshalb keine klärungsbedürftige Rechtsfrage bezeichnet, weil die Charta der Grundrechte der Europäischen Union zwar proklamiert, von den Mitgliedstaaten jedoch nicht ratifiziert worden ist, weshalb ihr keine rechtsverbindliche Wirkung in den Mitgliedstaaten zukommt.
Dass die mit § 57 Abs. 4 StBerG getroffene Inkompatibilitätsregelung mit der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Freiheit der Berufswahl vereinbar ist, ist bereits höchstrichterlich entschieden (BVerfG-Beschluss vom 15. Februar 1967 1 BvR 569, 589/62, BVerfGE 21, 173; Senats-Urteile vom 5. September 1978 VII R 50/77, BFHE 126, 346, BStBl II 1979, 202; vom 4. August 1987 VII R 169/85, BFHE 150, 272, BStBl II 1987, 790; vom 9. Februar 1993 VII R 89/92, BFH/NV 1993, 693). Zur Begründung einer gleichwohl vorliegenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hätte die Beschwerde somit eingehend darlegen müssen, warum sie eine erneute Entscheidung des BFH zu der betreffenden Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält, und hätte hierfür substantiiert darstellen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantwortete Frage umstritten ist, insbesondere welche neuen gewichtigen, bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben werden (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 3. April 2000 VIII B 99/99, BFH/NV 2000, 985, m.w.N.). An solchen Darlegungen fehlt es jedoch im Streitfall.
Entsprechender Darlegungen hätte es auch hinsichtlich der von der Beschwerde für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Frage bedurft, ob der Begriff der Konkurrenz in der Weise auszulegen ist, dass erlangte Kenntnisse des Steuerberaters auch zum Schaden des Mandanten verwendet werden können, oder ob das bloße Vorhandensein eines Berufskollegen als Konkurrenz zu werten ist. Diese Frage ist nämlich vom Senat bereits dahin beantwortet worden, dass mit der Inkompatibilitätsregelung des § 57 Abs. 4 StBerG der abstrakten Gefahr begegnet werden soll, dass ein Steuerberater aufgrund seiner umfassenden Kenntnisse über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seines Mandanten bei seiner anderweitigen beruflichen Tätigkeit in Interessenkollision gerät (Senatsurteil in BFH/NV 1993, 693). Auch das BVerfG hat in dem Beschluss in BVerfGE 21, 173 die Vorschrift erkennbar in dieser Weise verstanden.
Da auch das FG im Streitfall ―zutreffend― von dieser Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist es nicht erkennbar, weshalb ―wie die Beschwerde meint― das FG hätte aufklären müssen, welche konkrete vom Kläger in seinem landwirtschaftlichen Betrieb ausgeübte Tätigkeit mit dem Beruf des Steuerberaters nicht vereinbar ist. Auch eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG (§ 76 Abs. 1 FGO) ist somit nicht schlüssig dargelegt. Die Beschwerde trägt insoweit lediglich ihre abweichende Ansicht vor, dass die bloße Ausübung einer Tätigkeit als Landwirt nicht als eine mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbare Tätigkeit i.S. des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG angesehen werden könne.
Fundstellen
Haufe-Index 1178748 |
BFH/NV 2004, 1297 |
DStRE 2004, 1055 |