Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen von darlehensähnlichen Rechtsverhältnissen
Leitsatz (NV)
Schenkt ein Vater seinem Sohn einen Geldbetrag (90000 DM) zur Teilfinanzierung eines Bauvorhabens und soll dieser Betrag in 90 gleichen Monatsraten - nach § 323 ZPO abänderbar - zurückgezahlt werden, so liegt eine Vermögensübergabe im Rechtssinne, die zur Abziehbarkeit einer dauernden Last führen könnte, schon deswegen nicht vor, weil die wiederkehrenden Leistungen nicht auf die Lebenszeit der Berechtigten gezahlt werden. Soweit der Sohn die Rückzahlungsverpflichtung erfüllt, sind die Zahlungen von Anfang an und über die gesamte Laufzeit hinweg in eine Vermögensumschichtung und einen - nur im Ausnahmefall steuerrechtlich zu berücksichtigenden - Zinsanteil aufzuteilen.
Normenkette
EStG § 12 Nr. 2, § 22 Nr. 1 S. 1; ZPO § 323
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrte in seinem Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung u.a. die Eintragung eines Freibetrages für eine dauernde Last in Höhe von 12000 DM. Er legte einen mit seinen Eltern geschlossenen privatschriftlichen Vertrag vom 1. Dezember 1991 vor, in dem es u.a. heißt:
Vertrag über eine Schenkung unter Auflage im Wege vorweggenommener Erbfolge.
Hiermit schenken A und B X ihrem Sohn ... einen Geldbetrag in Höhe von 90000 DM im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter folgenden Auflagen:
1. daß der Geldbetrag zur Teilfinanzierung eines Baugrundstückes verwendet wird ...
2. daß sich der Sohn verpflichtet, seinen Eltern monatlich einen Geldbetrag von zunächst 1000 DM unter dem Vorbehalt der Abänderbarkeit im Sinne der Bestimmung des § 323 ZPO zahlt. Der vorgenannte Betrag kann nach oben oder unten geändert werden, wenn sich die Bedürfnisse der Empfangsberechtigten (Eltern) ändern, und zwar bei Änderung der persönlichen Lebenshaltungskosten oder bei familiär bedingten Aufwendungen, etc., oder wenn sich die wirtschaftliche Situation des Verpflichteten (Sohn) ändert.
Diesem Sachverhalt entsprechende Abmachungen über Änderungen der jeweils zukünftigen Zahlungen treffen Eltern und Sohn einvernehmlich und legen dieses ggf. zu Beginn eines jeden Kalenderjahres schriftlich fest ...
Die Versorgungszahlungen sollen über 90 Monate laufen, im Januar 1992 beginnen und im Juni 1999 enden ...
Sollte innerhalb des genannten Zeitraums einer der beiden Elternteile vorzeitig sterben, bleibt das volle Empfangsrecht dem anderen Elternteil für den restlichen Zahlungszeitraum erhalten. Im Fall des vorzeitigen Todes beider Elternteile endet die Zahlungsverpflichtung des Sohnes ...
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) lehnte die Eintragung eines Freibetrages insoweit mit der Begründung ab, es handle sich um einen darlehensähnlichen Vorgang. Demgegenüber machte der Kläger geltend, der Geldbetrag sei ihm unter der Auflage geschenkt worden, ein Grundstück zu kaufen; da ihm der Geldbetrag wegen der Erfüllung der Auflage nicht mehr zur Verfügung stehe, sei er mit der Rückzahlung von Anfang an wirtschaftlich belastet gewesen.
Der eingelegte Einspruch und die Klage hatten keinen Erfolg. Mit der vorliegenden Beschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Abweichung von den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78) und vom 27. Februar 1992 X R 136/88 (BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609) geltend.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Soweit sie auf den Gesichtspunkt der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) gestützt ist, entspricht sie mangels Darlegung einer Abweichung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO (vgl. hierzu z.B. Beschluß vom 22. Juli 1992 II B 40/82, BFH/NV 1993, 322); sie ist insofern unzulässig.
Die vom Kläger als rechtsgrundsätzlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 FGO) dargelegte Rechtsfrage kann anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze beantwortet werden; es bedarf zur Klärung keiner weiteren höchstrichterlichen Entscheidung.
Der Große Senat des BFH hat sich in seinem Beschluß in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78 mit Versorgungsleistungen befaßt, die in sachlichem Zusammanhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbart werden. Diese Versorgungsleistungen sind, sofern gleichbleibend, eine Leibrente und im Falle der Abänderbarkeit eine dauernde Last. Eine solche Vermögensübergabe liegt hier indes nicht vor, sondern ein zumindest darlehensähnliches Rechtsgeschäft. Dies folgt bereits daraus, daß die wiederkehrenden Zahlungen nicht auf die Lebenszeit der Eltern gezahlt werden, sondern zeitlich befristet sind. Das geschenkte Geldvermögen, das ohnehin keine existenzsichernde Wirtschaftseinheit im Sinne der Rechtsprechung zur steuerlichen Vermögensübergabe ist, soll nicht dem Kläger verbleiben, sondern an die Eltern zu deren Lebzeiten zurückfließen. Dem Umstand, daß der Kläger aufgrund einer Auflage mit diesem Geld einen Grundstückskauf finanziert hat, kommt im Streitfall keine rechtliche Bedeutung zu. Den Charakter einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme einer Erbfolge erhält der Rechtsvorgang nicht dadurch, daß die Zahlungen als Versorgungsleistungen bezeichnet werden und mit dem Tode des längstlebenden Elternteils enden sollen.
Ist hiernach das steuerrechtliche Sonderrecht der Vermögensübergabe nicht anwendbar, verbleibt es dabei, daß die Zahlungen, soweit eine Rückzahlungsverpflichtung erfüllt wird, nach den Grundsätzen des Senatsurteils in BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609 von Anfang an und über die gesamte Laufzeit hinweg in eine Vermögensumschichtung (im weiten Sinne einschließlich der Tilgung einer Darlehensforderung) und in einen Zinsanteil aufgeteilt werden. Hierbei ist unerheblich, ob gleichbleibende oder abänderbare Leistungen vereinbart sind. Das Senatsurteil in BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609 ist zu einem Fall ergangen, in welchem der darlehensähnliche Vorgang auf die Lebenszeit der Gläubiger gestreckt war. Der hier gegebene Umstand, daß die Zahlungen zusätzlich nach Ablauf einer Höchstzeit enden sollen, begründet keinen steuerrechtlich erheblichen Unterschied. Auf die Frage, ob der Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO überhaupt bürgerlich-rechtlich zu einem Versorgungsvertrag führen konnte, aufgrund dessen abänderbare Leistungen zu zahlen wären, kommt es hier gleichfalls nicht an.
In den Zahlungen enthaltene Zinsanteile sind Entgelt für überlassenes Kapital; sie sind damit keine dauernde Last. Ob die Zinsen aus anderen Rechtsgründen - z.B. als Schuldzinsen i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1, § 10e Abs. 6a des Einkommensteuergesetzes - steuerlich abziehbar sind, ist nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens.
Im übrigen ergeht der Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 419495 |
BFH/NV 1994, 237 |