Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistung
Hintergrund: Übertragung eines vermieteten Grundstücks auf ein Kind gegen Versorgungsleistungen
In 2011 übertrug der Vater (V) ein vermietetes Mehrfamilienhaus auf seine Tochter (T). Nach dem Grundstücksübertragungsvertrag erfolgte die Übertragung "unentgeltlich". Zugunsten des V war jedoch "als Gegenleistung" eine lebenslange, wiederkehrende, nicht wertgesicherte Leistung von monatlich 2.000 EUR zu erbringen. Zur Absicherung wurde eine Reallast zugunsten des V eingetragen und T verpflichtete sich, V von der Mithaft für die im Grundbuch eingetragenen dinglichen Belastungen freizustellen sowie über den Grundbesitz nur mit Zustimmung des V zu verfügen.
Nachdem eine Grundpfandgläubigerin die vorgesehene Schuldübernahme nicht genehmigt hatte, löste V die noch offenen Darlehen ab und T verpflichtete sich in einem geänderten Grundstücksübertragungsvertrag, dem V den für die Ablösung der Darlehen aufgewendeten Betrag (50.000 EUR) zu ersetzen. Die monatliche Leistung wurde auf 2.500 EUR erhöht.
T machte für das Streitjahr 2013 die Zahlungen an V (2.500 EUR x 12 Monate = 30.000 EUR) als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus dem vermieteten Mehrfamilienhaus geltend. Das FA sah in den Zahlungen eine Leibrente (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG) und berücksichtigte lediglich den Ertragsanteil (3.900 EUR jährlich) als Werbungskosten (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG).
Das FG wies die Klage ab. Es handele sich weder um Werbungskosten noch um Sonderausgaben. Die Zahlungen seien dem Privatbereich zuzuordnen.
Entscheidung: Teilentgeltliche Vermögensübergabe
Bei den von T geschuldeten Leistungen handelt es sich um Entgelte im Rahmen einer teilentgeltlichen Vermögensübergabe. Die Zahlungen stellen keine nicht abziehbaren Aufwendungen i.S. des § 12 EStG und auch keine zum Sonderausgabenabzug zugelassene Versorgungsleistungen dar. Die wiederkehrenden Leistungen sind vielmehr als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen als teilentgeltlicher Vorgang
Nach der Systematik des EStG handelt es sich bei der Übertragung von Vermögen von Eltern auf Kinder gegen eine – nicht kaufmännisch abgewogene – Gegenleistung grundsätzlich nicht um einen unentgeltlichen Vorgang, sondern um ein (teil-)entgeltliches Geschäft. Das gilt auch dann, wenn im Einzelfall vermutet wird, dass die Gegenleistung einen familiären, unentgeltlichen Charakter hat (BFH v. 29.1.1992, X R 193/87, BStBl II 1992, 465). Abweichend hiervon wird jedoch die (dem Grunde nach teilentgeltliche) Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen i.S. des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG zur Prolongierung derartiger Vermögensübergänge als unentgeltlicher Vorgang fingiert. Gleichwohl verbleibt es in anderen Fällen (außerhalb des Rahmens des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG) bei dem Grundsatz, dass die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen dem Grunde nach als (teil-)entgeltlich anzusehen ist, da sie im Austausch mit einer Gegenleistung – in Form der Versorgungsleistung – erfolgt.
Keine Privataufwendungen
Die monatlichen Zahlungen der T sind nicht dem Privatbereich (§ 12 EStG) zuzuordnen. Es handelt sich weder um Unterhaltsleistungen noch um Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht.
Kein Sonderausgabenabzug
Es liegen auch keine Sonderausgaben vor. Denn die Zahlungen der T beruhen nicht auf der Übergabe eines nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. a bis c EStG begünstigten Vermögens.
Berücksichtigung als Werbungskosten
Nutzt aber der Übernehmer das übertragene Vermögen zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und fällt die Vermögensübertragung (wie im Streitfall) nicht unter das Sonderrecht des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG, führen die an den Übergeber entrichteten wiederkehrenden Leistungen in Höhe ihres Barwerts (Tilgungsanteil) zu Anschaffungskosten und folglich im Wege der AfA zu Werbungskosten. Der Zinsanteil stellt ebenfalls Werbungskosten dar und ist sofort abziehbar. Auch soweit der Übernehmer weitere Gegenleistungen erbringt und damit Anschaffungskosten trägt (hier für die Ablösung der Darlehen), können diese über die AfA als Werbungskosten abgezogen werden.
Zurückverweisung an das FG
Das FG hat die Höhe der bei den Einkünften der zu berücksichtigenden Werbungskosten neu zu ermitteln. Soweit T das übertragene Vermögen entgeltlich erworben hat, stellen die monatlichen Zahlungen in Höhe des Barwerts "verrentete" Anschaffungskosten dar, die im Rahmen der AfA zu berücksichtigen sind. Auch der Aufwand für die Ablösung der Darlehen führt zu entsprechenden AfA. Der Ertragsanteil der monatlichen Zahlungen ist als sofort abziehbare Werbungskosten zu berücksichtigen. Soweit die T unentgeltlich erworben hat, hat sie keine eigenen Anschaffungskosten getragen. Die AfA bemisst sich insoweit nach § 11d Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStDV nach den (anteiligen) Anschaffungs- und Herstellungskosten des Rechtsvorgängers V und nach dem Hundertsatz, der für den Rechtsvorgänger maßgebend sein würde, wenn er noch Eigentümer wäre, und zwar bis zur Höhe des vom Rechtsvorgänger noch nicht ausgeschöpften AfA-Volumens.
Hinweis: Keine extensive Auslegung
Die Grundsatzentscheidung bringt Klarheit in Fällen der Übertragung von Privatvermögen gegen wiederkehrende Leistungen. Der BFH hatte das BMF zum Verfahrensbeitritt nach § 122 Abs. 2 Satz 3 FGO aufgefordert (BFH v. 28.4.2020, IX R 11/19, BFH/NV 2020, 977). Der BFH teilt die Auffassung des BMF, dass wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit einer Übertragung von nicht nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. a bis c EStG n.F. begünstigtem Vermögen grundsätzlich als Entgelt anzusehen sind. Es liegt keine unentgeltliche "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" vor (BMF v. 11.3.2010, BStBl I 2020, 227, Rz 57, 65). Der Gesetzgeber hat das von der früheren Rechtsprechung sehr weit ausgedehnte Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen mit der Neufassung des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG (JStG 2008) auf seinen Kernbereich beschränkt. Die Regelung ist entsprechend dem Wortlaut auszulegen. Aufgrund der Gesetzeshistorie kommt eine teleologische Extension nicht in Betracht.
BFH Urteil vom 29.09.2021 - IX R 11/19 (veröffentlicht am 07.01.2022)
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