Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Urteilsausführungen zu unerheblichem oder unsubstantiiertem Vorbringen; falsche Beweiswürdigung kein Verfahrensmangel
Leitsatz (NV)
- Ein Gericht ist nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es darf insbesondere Vorbringen unerörtert lassen, das nach seiner Rechtsauffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist.
- Mit der Begründung fehlerhafter Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG kann die Zulassung wegen eines Verfahrensmangels nicht erreicht werden.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 96 Abs. 1-2
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GbR, an der in den Jahren 1991 bis 1994 die Rechtsanwälte Dr. J.S., Dr. G.S. und D. und ―ab dem 1. Juli 1994― R. beteiligt waren.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) ließ nach einer Außenprüfung in den Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre 1991 bis 1995 Vorsteuerbeträge nicht mehr zum Abzug zu, die für die Anschaffung von Fahrzeugen, deren laufende Unterhaltung sowie für den Bezug anderer Lieferungen und Leistungen angefallen waren, die bei der Gesellschaft als Sonderbetriebsausgaben der Gesellschafter erfasst wurden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, abzugsberechtigter Leistungsempfänger sei grundsätzlich derjenige, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis berechtigt und verpflichtet sei; das sei regelmäßig der Vertragspartner, der den schuldrechtlichen Anspruch auf die Leistung habe. Da bei der Beurteilung von Leistungsbeziehungen, Unternehmereigenschaft und Berechtigung zum Vorsteuerabzug zwischen Gesellschaftern und Gesellschaften als verschiedenen Rechtssubjekten unterschieden werde, müssten, um bestimmte umsatzsteuerrechtliche Folgen und Gestaltungen zu erreichen, klare Vereinbarungen getroffen und tatsächlich auch durchgeführt werden. Dabei sei die Behandlung in der Buchführung und die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs gewichtiges Beweisanzeichen für und die Unterlassung des Vorsteuerabzugs ein Indiz gegen eine Zuordnung. Umsatzsteuerrechtlich sei der Leistungsbezug des Gesellschafters nicht als solcher der Gesellschaft zu behandeln, auch wenn die Aufwendungen als Sonderbetriebsausgaben für Zwecke der Gewinnermittlung behandelt würden. Hiernach stehe der Klägerin der Vorsteuerabzug nicht zu. Für die bei den Sonderbetriebsausgaben des D. geltend gemachten Vorsteuerbeträge habe die Klägerin keinen Nachweis erbracht, dass die Lieferungen und Leistungen von ihr bezogen worden seien; vielmehr spräche die Behandlung der Kfz als Sonderbetriebsvermögen des D. und die Verbuchung aller mit dem Betrieb des Fahrzeugs angefallenen Aufwendungen als Sonderbetriebsausgaben dafür, dass die Leistungen von D. und nicht für die GbR bezogen worden seien. Vergleichbares gelte für die Kfz-Aufwendungen für das Kfz des Dr. G.S. Zwar sei dessen Fahrzeug in der Bilanz im GbR-Vermögen bilanziert worden, doch diese sei insoweit nicht klar und eindeutig, denn sie enthalte auch Gegenstände des Kanzleiinventars, die nach dem schriftlichen Sozietätsvertrag eindeutig diesem Gesellschafter und nicht der GbR gehörten. Auch für die laufenden Kosten komme ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht, weil die Rechnungen zum Teil auf Dr. G.S. lauteten und im Übrigen die Aufwendungen von Dr. G.S. und nicht von der Gesellschaft getragen und dementsprechend in der Buchführung behandelt worden seien. Auch für die Anschaffung des Kfz für R. stehe der Klägerin der Vorsteuerabzug nicht zu; zwar liege eine auf die GbR lautende Rechnung vor. Tatsächlich habe jedoch nicht die GbR, sondern R. das Fahrzeug erworben und bezahlt; dementsprechend sei es seinem Sonderbetriebsvermögen zugeordnet und die entsprechenden laufenden Ausgaben als seine Sonderbetriebsausgaben erfasst worden. Die vorgelegten Rechnungen über die Anschaffung der Kfz für Dr. G.S. seien nachträglich ―als Folge der Beanstandungen durch die Außenprüfung― erstellt worden. Nicht abziehbar seien auch die das häusliche Arbeitszimmer für D. und Dr. G.S. betreffenden Vorsteuerbeträge.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, Abweichungen von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sowie wegen Verletzung rechtlichen Gehörs.
Das FG habe den Grundsatz des Vertrauensschutzes unbeachtet gelassen, denn bei vorausgehenden Prüfungen sei bei vergleichbarer Gestaltung der Vorsteuerabzug nicht beanstandet worden.
Die Argumentation des FG sei inkonsequent und unlogisch, soweit das FG Folgerungen gezogen habe aus Rechnungsadressat, Zahlungsmodalität und Zuordnung von Gegenständen, für deren Erwerb der Vorsteuerabzug geltend gemacht wird. Über einen solchen Sachverhalt habe der BFH noch nicht entschieden. Nicht berücksichtigt habe das FG den Vortrag der Klägerin, dass sämtliche auf den Namen der einzelnen Sozien zugelassenen Fahrzeuge allen Sozien zur Verfügung gestanden hätten und dass bei Wahrnehmung auswärtiger Termine entstandene Fahrtkosten den Mandanten berechnet, aber deren Erstattung der Kanzlei zugeflossen sei. Obwohl unerheblich, habe das FG dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass es keine ausdrückliche Vereinbarung über die kostenlose Zurverfügungstellung der Fahrzeuge gegeben habe. Das Fehlen schriftlicher Vereinbarungen beruhe auf dem Vertrauensverhältnis der einzelnen Sozien untereinander. Dies belege auch die unkonventionelle Art der Gewinnverteilung. Das FG habe diese Einwendungen nicht berücksichtigt und dadurch das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt. Außerdem habe es die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung ohne Rücksicht auf die Besonderheiten dieses Sachverhalts angewandt, weshalb die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Es gelten die Zulassungsvoraussetzungen nach der Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567). Da die Vorentscheidung am 8. März 2000 zugestellt worden ist, richtet sich die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs gemäß Art. 4 2.FGOÄndG nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften.
2. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des BFH abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann. In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.).
a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert über die Herausstellung einer Rechtsfrage hinaus vor allem die Begründung der Klärungsbedürftigkeit der Frage. Hierzu hätte die Klägerin erläutern sollen, welche über den Streitfall hinausgehende Bedeutung eine Entscheidung über eine nicht nur an den Besonderheiten des konkreten Streitfalls orientierte Rechtsfrage hat (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 4. August 1999 VIII B 77/99, BFH/NV 2000, 71, m.w.N.). Daran fehlt es, denn die Klägerin hat stattdessen lediglich ausführlich dargelegt, weshalb ihrer Auffassung nach das FG die höchstrichterliche Rechtsprechung auf die Besonderheiten ihres Sachverhalts nicht zutreffend angewandt hat. Mit der Begründung, das FG habe unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH den konkreten Sachverhalt falsch entschieden, ist die grundsätzliche Bedeutung aber nicht dargelegt.
b) Mit der Begründung, die angefochtene Entscheidung stehe "gegen die gefestigte Rechtsprechung des BFH", weil dessen Grundsätze "völlig andere Sachverhalte und Grundlagen betreffen" und deshalb nicht unbesehen auf den vorliegenden Sachverhalt angewandt werden dürften, hat die Klägerin nicht, wie erforderlich (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 7. Januar 1999 VII B 258/98, BFH/NV 1999, 819, und vom 14. März 2000 III B 6/00, BFH/NV 2000, 1121, ständige Rechtsprechung), dargetan, dass das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher angeführten, genau bezeichneten Rechtsprechung des Revisionsgerichts nicht übereinstimmt. Die Klägerin hätte des Weiteren in der Beschwerdeschrift die abstrakten Rechtssätze des erstinstanzlichen Urteils und der Divergenzentscheidung des BFH so genau bezeichnen müssen, dass eine Abweichung erkennbar wird.
c) Die Klägerin rügt, das FG habe das rechtliche Gehör insoweit verletzt, weil es "einzelne" der von ihr in der Beschwerdebegründung zur materiell-rechtlichen Würdigung vorgetragenen Gesichtspunkte nicht beachtet habe.
Das Recht auf Gehör verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 29. November 1990 IV R 30/90, BFH/NV 1991, 531). Für die schlüssige Rüge einer Verletzung des Rechts auf Gehör muss die Klägerin darlegen, inwiefern ihr das FG das rechtliche Gehör versagt habe, zu welchem dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Tatsachen sie sich nicht habe äußern können, was sie bei ausreichender Gewährung des Gehörs noch vorgetragen hätte; dass sie keine Möglichkeit besessen habe, den Verfahrensverstoß vor dem FG zu rügen und inwiefern sein unterbliebenes Vorbringen die Entscheidung des FG auf der Grundlage dessen materiell-rechtlicher Auffassung anders hätte ausfallen lassen können (z.B. BFH-Beschluss vom 24. November 2000 IV B 154/99). Ein Gericht ist aber nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es darf insbesondere Vorbringen unerörtert lassen, die nach seiner Rechtsauffassung unerheblich oder unsubstantiiert sind.
Die Klägerin legt zwar dar, weshalb ihrer Auffassung nach das FG zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen. Die Klägerin will nach Auffassung des Senats im Grunde jedoch nicht die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend machen, sondern, wie die Beschwerde unmissverständlich zum Ausdruck bringt, die fehlende oder nicht ausreichende rechtliche Würdigung ihres Vorbringens durch das FG, unzutreffend eingebettet in die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend machen. Die Grundsätze der Tatsachen- und Beweiswürdigung sind aber revisionsrechtlich dem materiellen Recht zugeordnet und deshalb der Prüfung des BFH im Rahmen eines mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO entzogen (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Oktober 2000 VII B 196/00).
d) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe den verfassungsrechtlich gesicherten Grundsatz des Vertrauensschutzes unbeachtet gelassen, fehlt es bereits an einer hinreichend klaren Bezeichnung des Zulassungsgrundes.
Fundstellen