Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausnahmen von der dreijährigen Bindungsfrist
Leitsatz (NV)
- Der Anspruch auf Investitionszulage nach dem InvZulG 1996 für die Anschaffung eines Wirtschaftsgutes entfällt, wenn der Investor das Wirtschaftsgut vor Ablauf von drei Jahren seit der Anschaffung an einen Erwerber außerhalb des Fördergebiets veräußert.
- Die Nichterfüllung der Zugehörigkeits- und Verbleibensvoraussetzungen ist nur dann ausnahmsweise zulagenunschädlich, wenn das Wirtschaftsgut wegen technischer Abnutzung oder wirtschaftlichen Verbrauchs aus dem Betrieb des Investors ausscheidet und auch für andere keinen oder nur einen sehr geringen Wert besitzt, oder wenn der Investor das angeschaffte Wirtschaftsgut an den Veräußerer zurückgibt und gegen ein anderes Wirtschaftsgut gleicher oder ähnlicher Art austauscht.
- Die Frage, ob weitere Ausnahmen zuzulassen sind, wenn keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Investitionszulage vorliegen, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; InvZulG 1996 § 2 S. 1 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (Urteil vom 29.09.2005; Aktenzeichen 5 K 1048/04) |
Tatbestand
I. Gegenstand des von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) in Form einer GmbH betriebenen Unternehmens ist im Wesentlichen ein Kranverleih sowie die Durchführung von Transporten und Montagen.
Die Klägerin erwarb im Mai 1996 einen Mobilkran Firma G im Rahmen eines Mietkaufvertrags zu Anschaffungskosten von 1 320 000 DM.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) gewährte zunächst die hierfür beantragte Investitionszulage von 66 000 DM. Der Investitionszulagenbescheid für 1996 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).
Die Klägerin veräußerte im Juli 1998 den Kran an eine holländische Firma zum Preis von 1 200 000 DM. Sie trug hierzu vor, der Kran sei mangelhaft gewesen und daher in Absprache mit der Firma G an einen Dritten weiterveräußert worden. Ebenfalls im Juli 1998 erwarb sie von der Firma G einen baugleichen, aber technisch besser ausgestatteten Mobilkran zum Preis von 1 390 000 DM.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, infolge der Veräußerung des Mobilkrans sei die Zugehörigkeits- und Verbleibensdauer von mindestens drei Jahren nach § 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG 1996) nicht erfüllt. In einem nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Bescheid versagte das FA dementsprechend die bisher gewährte Investitionszulage und forderte sie von der Klägerin zurück.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führt in seiner Entscheidung im Wesentlichen aus, das Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aus dem Betrieb des Investors vor Ablauf der dreijährigen Bindungsfrist könne nach der ständigen Rechtsprechung nur dann als zulagenunschädlich angesehen werden, wenn das betreffende Wirtschaftsgut verbraucht gewesen sei und auch für Dritte keinen oder nur noch einen sehr geringen Wert besessen habe. Ein Veräußerungserlös für ein solches Wirtschaftsgut sei nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Dezember 1999 III R 49/97 (BFHE 190, 559, BStBl II 2000, 434) lediglich dann zu vernachlässigen, wenn dieser im Verhältnis zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht mehr als 10 v.H. betragen habe. Da der von der Klägerin erzielte Veräußerungserlös 90,9 v.H. der Anschaffungskosten betragen habe, sei diese Grenze überschritten. Auch ein Objekttausch im Sinne der Entscheidung des BFH vom 8. März 1968 VI R 29/67 (BFHE 92, 81, BStBl II 1968, 430) sei nicht gegeben, da der Kran nicht an den Hersteller zurückgegeben, sondern im Rahmen eines neuen Kaufvertrags an einen Dritten weiterveräußert worden sei.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde trägt die Klägerin vor:
Die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Zu klären sei, unter welchen Voraussetzungen ein Wirtschaftsgut begünstigt sei, auch wenn die sog. Zugehörigkeits- und Verbleibensvoraussetzungen des § 2 InvZulG 1996 nicht erfüllt seien. Der Gesetzeswortlaut lasse keine Ausnahme zu. Die Rechtsprechung habe jedoch Ausnahmen anhand lebensnaher, am Sinn und Zweck der Investitionsförderung orientierter wirtschaftlicher Überlegungen herausgebildet. Eine Ausnahme werde etwa angenommen, wenn das Ausscheiden des geförderten Wirtschaftsguts auf Gründen beruhe, die vom Investor nicht zu vertreten seien, beispielsweise wegen technischer Abnutzung, wirtschaftlichen Verbrauchs, eines Totalschadens oder wenn das Wirtschaftsgut mangelhaft gewesen sei und es durch ein mangelfreies in einem wirtschaftlich einheitlichen Vorgang ausgetauscht worden sei (BFH-Urteile vom 9. März 1967 IV R 149/66, BFHE 87, 589, BStBl III 1967, 238; in BFHE 92, 81, BStBl II 1968, 430; vom 15. Oktober 1976 III R 139/74, BFHE 120, 317, BStBl II 1977, 59, und vom 1. Juli 1977 III R 74/76, BFHE 123, 109, BStBl II 1977, 793). Hieraus ließen sich aber keine eindeutigen tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ausnahme von der gesetzlich festgelegten Zugehörigkeits- bzw. Verbleibensdauer in § 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 InvZulG 1996 entnehmen. Aus Gründen der Rechtsklarheit, Rechtseinheitlichkeit und insbesondere der Rechtsentwicklung sei daher eine Entscheidung des BFH geboten.
Die Revision sei auch zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO zuzulassen, weil die Frage, unter welchen generell abstrakt formulierten Voraussetzungen eine Ausnahme von der Nichteinhaltung der Verbleibensvoraussetzung zulagenunschädlich festgestellt werden könne, noch nicht geklärt sei und eine Entscheidung darüber der Weiterentwicklung des Rechts diene.
Ferner sei die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO erforderlich, weil das FG bei seiner Entscheidung von dem Urteil des BFH in BFHE 92, 81, BStBl II 1968, 430 abgewichen sei.
Schließlich sei dem FG ein gravierender Rechtsanwendungsfehler unterlaufen, da es § 2 Satz 1 InvZulG 1996 fehlerhaft ausgelegt habe und diese Auslegung objektiv willkürlich sei. Das FG habe verkannt, dass das Urteil des BFH in BFHE 92, 81, BStBl II 1968, 430 nicht darauf abgestellt habe, aufgrund welcher rechtlichen Verbindung das mangelhafte geförderte Wirtschaftsgut gegen ein mangelfreies gleichwertiges ausgetauscht werde, sondern darauf, ob sich dieser "Austausch" in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang vollziehe und dieser Vorgang den Sinn und Zweck der Investitionszulage genauso gewährleiste, als wenn das Wirtschafsgut während der Verbleibensdauer nicht aus dem Anlagevermögen entfernt worden wäre. Dies entspreche auch den Grundsätzen, die das Thüringer FG in seinem Urteil vom 12. Dezember 1996 II 151/94 (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1997, 1547) aufgestellt habe. Die im Streitfall durchgeführte Abwicklung komme einem Tausch i.S. des § 480 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gleich. Das FG habe im Streitfall nicht berücksichtigt, dass es ihr, der Klägerin, wegen vorher getroffener verbindlicher Vereinbarungen zwischen allen Beteiligten nicht freigestanden habe, den Kaufpreis für etwas anderes als den neu angeschafften Kran zu verwenden.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).
1. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) kommt nicht in Betracht, da der Senat die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage in seinem Urteil in BFHE 190, 559, BStBl II 2000, 434 bereits in einem abstrakten über den Einzelfall hinausgehenden Sinne geklärt hat.
a) Die Klägerin hat selbst darauf hingewiesen, dass im Streitfall die in § 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 InvZulG 1996 geforderte Zugehörigkeits- und Verbleibensvoraussetzung bezogen auf den im Mai 1996 angeschafften und im Juli 1998 wieder weiter veräußerten Mobilkran nicht erfüllt ist und das Gesetz selbst insofern keine Ausnahme zulässt. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut steht der Klägerin insoweit keine Investitionszulage zu.
b) Durch die investitionszulagenrechtliche Zugehörigkeits- und Verbleibensdauer soll sichergestellt werden, dass die Investitionszulage nicht dazu missbraucht wird, Wirtschaftsgüter unter Inanspruchnahme der Zulage anzuschaffen, um sie schon kurze Zeit später wieder in einen außerhalb des Fördergebiets belegenen Betrieb oder eine Betriebsstätte zu verbringen (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 120, 317, BStBl II 1977, 59). Der BFH hat deshalb, worauf die Klägerin ebenfalls zutreffend verwiesen hat, in Einzelfällen, in denen ein derartiger Missbrauch von vorneherein ausgeschlossen war, eng begrenzte Ausnahmen zugelassen und in den von der Klägerin zitierten Fällen Investitionszulage gewährt, obwohl die Zugehörigkeits- und Verbleibensvoraussetzungen nicht erfüllt waren (BFH-Urteile in BFHE 87, 589, BStBl III 1967, 238; in BFHE 92, 81, BStBl II 1968, 430; in BFHE 120, 317, BStBl II 1977, 59, und in BFHE 123, 109, BStBl II 1977, 793).
Zugleich hat der BFH es aber abgelehnt, weitere Ausnahmen von der gesetzlichen Regelung allein deshalb zuzulassen, weil Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Investitionszulage nicht vorlägen. Er hat ausdrücklich klargestellt, dass die gesetzgeberische Zielsetzung, Missbräuche zu vermeiden, nicht in dem weiten Sinne zu verstehen sei, dass bereits jeder wirtschaftlich anerkennenswerte Grund für die Annahme eines Ausnahmefalles ausreiche. Das Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aus dem Betrieb des Investors vor Ablauf der dreijährigen Bindungsfrist sei nur dann zulagenunschädlich, wenn das betreffende Wirtschaftsgut entweder technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht gewesen sei und auch für Dritte keinen oder nur noch einen sehr geringen Wert aufweise. Betrage der Veräußerungserlös im Verhältnis zu den ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht mehr als 10 v.H., sei von einem geringen Wert in diesem Sinn auszugehen (vgl. Senatsurteil in BFHE 190, 559, BStBl II 2000, 434, m.w.N.). Für eine weitere Klärung besteht kein Bedarf.
2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung der Rechtseinheit (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) zuzulassen.
a) Die von der Klägerin behauptete Divergenz, welche die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern würde, liegt nicht vor.
Entgegen der Auffassung der Klägerin weicht das Urteil des FG nicht von der Entscheidung des BFH in BFHE 92, 81, BStBl II 1968, 430 ab. Der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt ist insofern entscheidend anders, als der Mobilkran nach den ―mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen und den Senat daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden― Feststellungen des FG nicht in die Verfügungsgewalt der Firma G wieder zurückgelangt ist, sondern unmittelbar an einen Dritten weiterveräußert wurde. Es fand mithin auch tatsächlich kein "Austausch" zwischen den beiden Mobilkränen statt.
Im Übrigen würde die Übertragung der Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils in BFHE 92, 81, BStBl II 1968, 430 auf den Streitfall wohl nicht zu dem von der Klägerin angestrebten Ergebnis führen: Der BFH hat in seiner Entscheidung zwar das ursprünglich angeschaffte und das ausgetauschte neue Wirtschaftsgut bezogen auf die investitionszulagenrechtliche Verbleibensdauer einheitlich betrachtet. Dies hatte aber zugleich zur Folge, dass hinsichtlich des ausgetauschten neu erworbenen Wirtschaftsguts ein Investitionszulagenanspruch nur in Höhe der Differenz zwischen den Anschaffungskosten des ersten und des zweiten Wirtschaftsguts gegeben war. Dagegen ist im Streitfall weder vorgetragen noch aus den Akten erkennbar, dass die Klägerin bezogen auf den im Juli 1998 angeschafften neuen Mobilkran die Investitionszulage nur in Höhe der Differenz der Anschaffungskosten zwischen den beiden Kränen geltend gemacht und auch erhalten hätte.
b) Die von der Klägerin gerügte Abgrenzung des Streitfalls von der Entscheidung des BFH in BFHE 92, 81, BStBl II 1968, 430 durch das FG stellt auch keinen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung dar, der zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO die Zulassung der Revision erfordern würde (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 28. Juni 2002 III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474, m.w.N.).
Eine Entscheidung ist nur dann (objektiv) willkürlich in diesem Sinn, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (Senatsbeschluss vom 24. Juli 2002 III B 54/02, BFH/NV 2002, 1488, m.w.N.). Greifbare Gesetzwidrigkeit ist anzunehmen, wenn das Urteil jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt oder auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht (vgl. Senatsbeschluss vom 5. März 2001 III B 119/00, BFH/NV 2001, 1036).
Im Kern wendet sich die Klägerin mit ihren Ausführungen gegen die Rechtmäßigkeit des Urteils, wobei sie ihre Auffassung an die Stelle derjenigen des FG setzt. Dies vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen.
Fundstellen
Haufe-Index 1528703 |
BFH/NV 2006, 1512 |