Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Werbungskostenabzug bei Verlusten in der privaten Vermögenssphäre; Tatrichterliche Überzeugungsbildung; Rügeverzicht
Leitsatz (NV)
1. Entsprechend der steuerlichen Systematik bleiben Wertänderungen (Verluste) in der privaten Vermögenssphäre bei der Einkunftsermittlung im Rahmen der Überschusseinkünfte grundsätzlich außer Betracht.
2. Ein Vermögensverlust kann unter Beachtung des objektiven Nettoprinzips nur dann als Erwerbsaufwand berücksichtigt werden, wenn besondere Umstände den Schluss rechtfertigen, dass die Gründe für den unfreiwilligen (völligen oder teilweisen) Verlust in der Berufs- bzw. Erwerbssphäre liegen.
3. Ob die jeweiligen Aufwendungen (Verluste) ‐ unter Beachtung der einschlägigen rechtlichen Maßstäbe ‐ der einkommensteuerlich relevanten Erwerbssphäre oder der privaten Vermögenssphäre zuzuweisen sind, ist unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des betreffenden Einzelfalls durch das FG zu entscheiden.
4. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie diesbezügliche Schlussfolgerungen sind einer Nachprüfung durch den BFH weitgehend entzogen.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 9 Abs. 1 S. 1; FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 118 Abs. 2, § 155; ZPO § 295
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) wegen Nichtzulassung der Revision ist --bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet. Gründe nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die eine Zulassung rechtfertigen würden, liegen nicht vor.
1. a) "Grundsätzliche Bedeutung" kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23, m.w.N.). Eine Rechtsfrage ist u.a. dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 28, m.w.N.).
b) Das Finanzgericht (FG) hat im Streitfall entschieden, dass der Beteiligungsverlust des Klägers an der ihn beschäftigenden Kapitalgesellschaft nicht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden könne; der Verlust sei der steuerlich unbeachtlichen Vermögenssphäre des Klägers zuzurechnen. Für die Zuweisung des Beteiligungsverlustes zur Berufs- bzw. Erwerbssphäre lägen keine hinreichenden Gründe vor.
c) Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob (und unter welchen Voraussetzungen) ein Beteiligungsverlust zu Werbungskosten führe, ist durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung bleiben --entsprechend der steuerlichen Systematik-- Wertänderungen (Verluste) in der privaten Vermögenssphäre bei der Einkunftsermittlung im Rahmen der Überschusseinkünfte grundsätzlich außer Betracht (z.B. BFH-Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830; BFH-Urteile vom 12. Mai 1995 VI R 64/94, BFHE 177, 472, BStBl II 1995, 644; vom 24. Mai 2000 VI R 28/97, BFHE 191, 552, BStBl II 2000, 474; umfassend: Kreft in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz 185 ff.; vgl. auch Grube in Festschrift für Franz Klein, Köln 1994, S. 913 ff., 923, insbesondere zu Darlehensverlusten). Ein Vermögensverlust kann unter Beachtung des objektiven Nettoprinzips nur dann als Erwerbsaufwand berücksichtigt werden, wenn besondere Umstände den Schluss rechtfertigen, dass die Gründe für den unfreiwilligen (völligen oder teilweisen) Verlust in der Berufs- bzw. Erwerbssphäre liegen (s. auch Schmidt/Drenseck, EStG, 27. Aufl., § 9 Rz 24 ff. und 56 ff.; Schneider, Der Betrieb, Beilage 6/2006, S. 51 ff., insbesondere S. 56 f.).
d) Ob die jeweiligen Aufwendungen (Verluste) --unter Beachtung der vorgenannten Rechtsmaßstäbe-- der einkommensteuerlich relevanten Erwerbssphäre oder der privaten Vermögenssphäre zuzuweisen sind, kann nur unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des betreffenden Einzelfalles entschieden werden. Dies ist Aufgabe des Tatsachengerichts.
Unter Berücksichtigung der angeführten Rechtsprechung des BFH hat das FG rechtsfehlerfrei festgestellt und eingehend ausgeführt, dass im Streitfall keine besonderen Umstände vorliegen, die es rechtfertigen könnten, den Beteiligungsverlust ausnahmsweise den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzuweisen.
e) Insgesamt weist der Rechtsstreit keine grundsätzlichen, fallübergreifenden Rechtsfragen auf, die einer weitergehenden Klärung durch den BFH bedürften (vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 20. August 2008 VI B 17/08, BFH/NV 2009, 13; vom 22. Februar 2007 VI B 99/06, BFH/NV 2007, 1297; vom 10. November 2005 VI B 47/05, BFH/NV 2006, 296; vom 10. November 2005 VI B 141/04, BFH/NV 2006, 529).
2. Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen (umfassend hierzu z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 48 ff.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz 58 ff.). Der Kläger hat bereits nicht schlüssig dargelegt, dass das FG seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch Nichtvernehmung von Zeugen bzw. des Klägers verletzt habe. Der Kläger verkennt insbesondere, dass diese Rüge zu den verzichtbaren Verfahrensrügen gehört (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Deshalb erfordert eine ordnungsgemäße Rüge dieser Verfahrensmängel auch den Vortrag, dass die Verletzung der betreffenden Verfahrensvorschrift in der Vorinstanz gerügt wurde, sofern sich die Rüge nicht schon aus dem angegriffenen Urteil ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Oktober 2008 VIII B 20-22/08, BFH/NV 2009, 183; vom 16. Juli 2008 X B 202/07, BFH/NV 2008, 1681; vom 9. September 2005 I B 40/05, BFH/NV 2006, 101; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 103). Entsprechende Darlegungen fehlen in der Beschwerdebegründung. Auch aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem FG vom 18. November 2008 ergibt sich nichts Einschlägiges.
3. Soweit sich die Beschwerde gegen die tatrichterliche Überzeugungsbildung des FG richtet, rechtfertigt dies keine Zulassung der Revision. Der Kläger vernachlässigt insoweit, dass die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie diesbezügliche Schlussfolgerungen einer Nachprüfung durch den BFH weitgehend entzogen sind (vgl. § 118 Abs. 2 FGO; z.B. BFH-Beschluss vom 30. Dezember 2004 VI B 67/03, BFH/NV 2005, 702). Die tatrichterliche Überzeugungsbildung kann im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob die Schlussfolgerungen des FG aus den (verfahrensrechtlich einwandfrei) festgestellten Tatsachen mit den allgemeinverbindlichen Grundsätzen der Beweiswürdigung, insbesondere den allgemeinen Erfahrungssätzen und den Denkgesetzen vereinbar sind (vgl. hierzu Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 82). Im Übrigen betrifft das Vorbringen gegen eine vom FG vorgenommene Tatsachenwürdigung einen die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigenden materiell-rechtlichen Mangel der Vorentscheidung (z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. August 2006 III B 198/05, BFH/NV 2006, 2281; vom 25. Januar 2000 VI B 384/98, BFH/NV 2000, 868). Dies trifft auch im Streitfall zu.
Fundstellen