Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug gemeinnütziger Forschungseinrichtungen
Leitsatz (NV)
1. Gemeinnützige Körperschaften können einen unternehmerischen und einen nichtunternehmerischen Bereich haben, wobei der unternehmerische Bereich die wirtschaftliche und die nichtwirtschaftliche Tätigkeit umfasst.
2. Übt ein Steuerpflichtiger zugleich wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Tätigkeiten aus, ist ein Abzug von Vorsteuern nur insoweit zulässig, als die Eingangsleistungen der wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen sind.
3. Die Eigenforschung gehört zur nichtwirtschaftlichen Tätigkeit einer gemeinnützigen Forschungseinrichtung, wenn sie nicht auf die Lieferung von Gegenständen oder die Leistung von Diensten gegen Entgelt gerichtet ist.
Normenkette
UStG 1999 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2, 4; EWGRL 388/77 Art. 2 Nr. 1; FGO § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3
Verfahrensgang
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde ist unbegründet.
Rz. 2
Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Rz. 3
1. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) eine Entscheidung des BFH. Beide Zulassungsgründe setzen eine klärungsbedürftige und im Revisionsverfahren klärbare Rechtsfrage voraus (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. März 2010 X B 51/09, BFH/NV 2010, 1291). Hieran fehlt es im Streitfall. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage, ob bei einer gemeinnützigen Forschungseinrichtung die Eigenforschung eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit (oder eine Vorbereitungshandlung für spätere Einnahmen) begründet, ist weder klärungsbedürftig noch in einem Revisionsverfahren klärbar:
Rz. 4
a) Durch die bereits vorliegende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des BFH ist geklärt, dass auch eine gemeinnützige Körperschaft einen unternehmerischen und einen nichtunternehmerischen Bereich haben kann (vgl. BFH-Beschluss vom 14. April 2008 XI B 171/07, BFH/NV 2008, 1215, m.w.N. aus der Rechtsprechung), wobei der unternehmerische Bereich die wirtschaftliche und die nichtwirtschaftliche Tätigkeit umfasst (EuGH-Urteil vom 12. Februar 2009 C 515/07, VNLTO, Slg. 2009, I-00839, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2009, 421, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2009, 199 Rz 35). Dabei besteht die wirtschaftliche Tätigkeit in der entgeltlichen Lieferung oder Erbringung von Dienstleistungen (EuGH-Urteil VNLTO in Slg. 2009, I-00839, HFR 2009, 421, UR 2009, 199 Rz 34). Geht ein Steuerpflichtiger zugleich wirtschaftlichen Tätigkeiten und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten nach, ist ein Abzug der Vorsteuer für Aufwendungen nur insoweit zulässig, als diese der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen i.S. des Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) zuzurechnen sind (EuGH-Urteile vom 13. März 2008 C 437/06, Securenta, Slg. 2008, I-1597, HFR 2008, 526, Leitsatz sowie Rz 31, und in Slg. 2009, I-00839, HFR 2009, 421, UR 2009, 199 Rz 37). Daraus ergibt sich, dass die Eigenforschung dann der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen ist, wenn sie nicht auf die Leistung von Gegenständen oder Dienstleistungen gerichtet ist.
Rz. 5
b) Die als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage wäre zudem im Revisionsverfahren nicht klärbar. Das FG hat sein Urteil damit begründet, dass der Kläger mit seiner Eigen- oder Grundlagenforschung eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt habe. Der Kläger habe in den Streitjahren …wissenschaftliche Forschung betrieben, indem er --ausweislich seiner Satzung-- Erkenntnisse über … gesammelt, erweitert und verbreitet habe. Damit habe der Kläger dazu beitragen wollen, die empirischen und theoretischen Grundlagen zu verbessern, die zur Vorbereitung und Durchführung von Entscheidungen im Bereich der …politik notwendig seien. In erster Linie seien dabei die Interessen des Bundes, aber auch der Länder und Gemeinden sowie der übrigen in diesem Bereich tätigen Institutionen und Organisationen berücksichtigt worden. Die hierfür gewährten Zuschüsse seien für die Grundlagenforschung des Klägers bestimmt gewesen, konkrete Projekte seien damit nicht gefördert worden. Dies und die umfangreichen, damit abgedeckten Ausgaben des Klägers zeigten, dass dieser in sehr erheblichem Maß auf dem Gebiet der Forschung tätig gewesen sei, ohne damit Entgelte im umsatzsteuerrechtlichen Sinne anzustreben, also einen umfangreichen nichtwirtschaftlichen Bereich unterhalten habe.
Rz. 6
An diese --auf tatrichterlichem Gebiet liegende-- Würdigung des FG wäre der Senat in einem Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, da der Kläger keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen hiergegen erhoben hat.
Rz. 7
2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) zuzulassen.
Rz. 8
a) Soweit der Kläger seine Beschwerde damit begründet, die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage werde in der Finanzgerichtsbarkeit uneinheitlich beantwortet, liegt eine Divergenz nicht vor. Eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung erfordert, dass das Finanzgericht (FG) bei gleichem oder vergleichbarem festgestelltem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als insbesondere der BFH oder ein anderes FG (BFH-Beschlüsse vom 14. Oktober 2009 IX B 105/09, BFH/NV 2010, 443; vom 28. September 2009 IV B 99/08, BFH/NV 2010, 167). Der vorliegende Streitfall ist nicht mit den Sachverhalten vergleichbar, die den Urteilen des Schleswig-Holsteinischen FG vom 7. September 2006 4 K 223/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1867) und des Sächsischen FG vom 29. Januar 2002 6 K 1747/98 (nicht veröffentlicht) zugrunde lagen:
Rz. 9
aa) Das Schleswig-Holsteinische FG hatte über die Aufteilung von Vorsteuern auf steuerpflichtige und steuerbefreite Umsätze nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes zu entscheiden. Es war zudem davon ausgegangen, dass die Steuerpflichtige keine Eingangsleistungen für den Bereich ihrer ideellen (nichtwirtschaftlichen) Tätigkeit bezogen hatte. Im Streitfall geht es nicht um die Aufteilung von Vorsteuern auf steuerpflichtige und steuerbefreite Umsätze, sondern um die Aufteilung von Vorsteuern einer gemeinnützigen Körperschaft, die wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Tätigkeiten ausübt und für letztere Zuschüsse erhalten hat.
Rz. 10
bb) Der vom Sächsischen FG entschiedene Fall betrifft keine gemeinnützige Körperschaft, sondern eine GmbH, die Fördermittel (Zuschüsse) erhielt. Dabei stand die durch Zuschüsse geförderte Tätigkeit in einem sachlichen Zusammenhang zur unternehmerischen Tätigkeit der GmbH, so dass sie deren Unternehmen zuzuordnen war. Im Streitfall war der Kläger in erheblichem Umfang auf dem Gebiet der Eigen- oder Grundlagenforschung tätig, ohne dass nach den bindenden Feststellungen des FG insoweit ein sachlicher Zusammenhang zur unternehmerischen Tätigkeit des Klägers (Auftragsforschung) bestand.
Rz. 11
b) Mit der Behauptung, das Urteil des FG lasse mehrere Rechtsfragen offen und verstoße gegen die Systematik des Umsatzsteuerrechts nach der Richtlinie 77/388/EWG (Neutralitätsprinzip), wendet sich der Kläger letztlich gegen die seiner Ansicht nach fehlerhafte Tatsachenwürdigung und setzt seine eigene Rechtsauffassung an die Stelle des FG. Damit macht er eine unzutreffende Rechtsanwendung durch das FG geltend und rügt mithin materiell-rechtliche Fehler, also die inhaltliche Unrichtigkeit des FG-Urteils, womit jedoch die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht erreicht werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juni 2003 IX B 29/03, BFH/NV 2003, 1212, m.w.N.). Etwas anderes gilt zwar ausnahmsweise dann, wenn die Vorentscheidung an einem sog. qualifizierten Rechtsanwendungsfehler leidet, d.h. offensichtlich materielle oder formelle Fehler im Sinne einer willkürlichen Entscheidung aufweist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. März 2006 V B 15/05, BFH/NV 2006, 1366; vom 16. Juni 2009 V B 131/08, BFH/NV 2009, 1678). Ein derartiger Fehler ist jedoch vom Kläger selbst nicht geltend gemacht worden und für den Senat nicht erkennbar.
Rz. 12
3. Soweit der Kläger rügt, das FG habe die von ihm vorgetragene finanzgerichtliche Rechtsprechung in seinem Urteil nicht "gewürdigt", führt dies nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Rz. 13
a) Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verpflichtet das Gericht, Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Aus der Begründung seiner Entscheidung muss erkennbar werden, dass das Gericht dieser Verpflichtung, das wesentliche tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nachgekommen ist. Indes muss sich das Gericht nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen. Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass das Gericht das gesamte Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat. Nur wenn sich aus den besonderen Umständen des Falls deutlich ergibt, dass das Gericht wesentliche Ausführungen eines Beteiligten bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht berücksichtigt hat, ist das rechtliche Gehör verletzt (BFH-Beschlüsse vom 21. Mai 2010 V B 143/09; vom 16. Oktober 1996 VIII B 19/95, BFH/NV 1997, 489, m.w.N.).
Rz. 14
b) Im Streitfall kann offen bleiben, ob ein Verfahrensfehler schon deswegen ausgeschlossen ist, weil sich der Grundsatz des rechtlichen Gehörs lediglich auf das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten, nicht aber auf deren Rechtsansichten bezieht. Denn die vom Kläger angeführten finanzgerichtlichen Entscheidungen betreffen --wie unter 2.a) näher ausgeführt wurde-- andere Sachverhalte, so dass deren Würdigung in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit unterbleiben konnte.
Fundstellen
Haufe-Index 2371696 |
BFH/NV 2010, 1876 |