Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen hilfsweiser Einlegung und wegen unterlassener Begründung infolge Schwierigkeit der Sache
Leitsatz (NV)
1. Eine hilfsweise erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist in der Regel bedingt eingelegt worden und daher unzulässig.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unterlassener rechtzeitiger Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Schwierigkeit der Sache gestützt werden.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 2, § 115 Abs. 2-3
Tatbestand
Die Klägerinnen und Beschwerdeführerinnen (Klägerinnen) sind Rechtsnachfolgerinnen der verstorbenen Eheleute X. Der verstorbene X unterhielt in den Streitjahren einen Groß- und Einzelhandel. Außerdem war er Inhaber einer Gaststätte und überließ entgeltlich möblierte Zimmer und Appartements in demselben Gebäude an Prostituierte.
Aufgrund einer Außenprüfung und der Auffindung von Unterlagen durch die Steuerfahndung kam es zu erheblichen Hinzurechnungen durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) zu den für die Streitjahre erklärten Umsätzen und Gewinnen u. a. hinsichtlich der Gaststätte und der Vermietung der Zimmer und Appartements an Prostituierte. Die Einsprüche gegen die entsprechenden Änderungsbescheide des FA blieben erfolglos.
Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück. Es vertrat die Auffassung, daß die Hinzurechnungen zu Recht vorgenommen worden und auch in der Höhe nicht zu beanstanden seien. Die Revision ließ das FG nicht zu.
Gegen das Urteil des FG legten die Klägerinnen Revision ein. In der Revisionsschrift heißt es unter II.: ,,In der gleichen . . . Angelegenheit wird . . . hiermit hilfsweise Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision . . . erhoben." Zur Begründung der Beschwerde wird mangelnde Sachaufklärung bezüglich der Höhe der durch das FA geschätzten Mieteinnahmen aus der Vermietung der Zimmer und Appartements an Prostituierte gerügt. Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, das FG hätte ,,die in den Schriftsätzen des Einspruchsverfahrens - die Gegenstand des Klagevorbringens gewesen sind - benannten Zeugen" vernehmen müssen. Dadurch hätte das FG Aufschluß darüber gewinnen können, daß die von dem FA schätzungshalber ermittelten Mieteinnahmen nicht erzielt worden seien. Im übrigen wird eine Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt.
Die Revision nahmen die Klägerinnen zwischenzeitlich wieder zurück. Nach ihrer Auffassung ist die hilfsweise eingelegte Beschwerde nunmehr als unbedingt gestellter alleiniger Hauptantrag zu sehen. Da die von ihnen beantragte Verlängerung der Begründungsfrist für die Beschwerde nicht möglich sei, müsse der Verlängerungsantrag in einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand umgedeutet werden. Für den Fall, daß eine derartige Umdeutung nicht möglich sein sollte, beantragen die Klägerinnen nochmals selbständig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags führen sie an, daß ihre Mutter, die ursprüngliche Mitklägerin, wegen einer schweren Erkrankung, die mittlerweile zum Tode geführt habe, für ihren Prozeßbevollmächtigten nicht zur Verfügung gestanden habe. Der Prozeßbevollmächtigte habe dadurch erst Anfang der 10. Kalenderwoche 1991 Gelegenheit erhalten, sämtliche im Besitz der Verstorbenen befindlichen Unterlagen einzusehen und müsse sich nun, nachdem die Verstorbene nicht mehr für Auskünfte zur Verfügung stehe, in die sehr umfangreichen Unterlagen, insbesondere in die seinerzeit von der finanzamtlichen Betriebsprüfung beschlagnahmten Belege, einarbeiten. Das Hindernis i. S. des § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sei daher erst am 7. April 1991 als weggefallen zu betrachten.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerinnen ist unzulässig.
1. Die Unzulässigkeit der Beschwerde folgt schon daraus, daß sie bedingt eingelegt worden ist.
Wegen der im Prozeßrecht erforderlichen Klarheit über das Schweben eines Rechtsstreits wird die bedingte Einlegung eines Rechtsmittels allgemein als unzulässig angesehen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Juni 1982 VII B 115/81, BFHE 136, 70, BStBl II 1982, 603, mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen; vgl. aus neuerer Zeit auch BFH-Beschluß vom 17. März 1988 VII B 192/87, BFH/NV 1988, 720). Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerinnen ist als bedingt eingelegt anzusehen.
Das ergibt sich daraus, daß die Nichtzulassungsbeschwerde ausdrücklich nur hilfsweise eingelegt worden ist. Das Wort ,,hilfsweise" wird im prozessualen Sprachgebrauch verwendet, um zum Ausdruck zu bringen, daß ein Hilfsantrag gestellt wird. Ein Hilfsantrag wird nur für den Fall angebracht, daß der in erster Linie gestellte Antrag (Hauptantrag) keinen Erfolg hat. Die Verwendung des Wortes ,,hilfsweise" macht also ein Bedingungsverhältnis kenntlich. Seiner Verwendung im Zusammenhang mit der Einlegung eines Rechtsmittels kann im Regelfall keine andere Bedeutung beigemessen werden (BFH-Beschluß in BFHE 136, 70, BStBl II 1982, 603 m. w. N.).
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen spricht gegen das Bedingungsverhältnis zwischen der Revision und der hilfsweise eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde nicht, daß Revision und Nichtzulassungsbeschwerde bezüglich ihrer Zulässigkeit notwendig in einem gegenseitigen innerprozessualen Bedingungsverhältnis stehen und Hinweise in der Rechtsmittelschrift auf dieses Bedingungsverhältnis es allein noch nicht rechtfertigen, das Rechtsmittel als unter einer Bedingung eingelegt anzusehen (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 29. Oktober 1975 2 BvR 630/73, BVerfGE 40, 272, BStBl II 1976, 271). Wie die Unterstreichung des Wortes ,,hilfsweise" in der Rechtsmittelschrift deutlich macht, sollte nicht lediglich auf das innerprozessuale Bedingungsverhältnis hingewiesen und zur Vermeidung prozessualer Nachteile vorsorglich und unbedingt sowohl Revision als auch Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden. Die hilfsweise Einlegung der Beschwerde kann im Streitfall vielmehr nur so verstanden werden, daß vom BFH zunächst eine Prüfung der Zulässigkeit der Revision und im Fall einer positiven Entscheidung kein weiteres Eingehen auf die Nichtzulassungsbeschwerde erwartet wurde. Die Nichtzulassungsbeschwerde stand also unter einer echten Bedingung. Dies wird auch dadurch deutlich, daß die Klägerinnen erst nach der Rücknahme der Revision ,,nunmehr" die hilfsweise eingelegte Beschwerde als unbedingt gestellten alleinigen Hauptantrag bezeichnet haben.
2. Die Beschwerde ist im übrigen auch deshalb unzulässig, weil sie nicht ordnungsgemäß begründet worden ist. Der von den Klägerinnen geltend gemachte Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung ist i. S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht ausreichend dargelegt worden.
Wird gerügt, das FG habe die Sachaufklärungspflicht verletzt, weil es vom Beschwerdeführer angebotene Beweismittel nicht erhoben habe, so ist neben der Bezeichnung des Beweisthemas und des voraussichtlichen Ergebnisses der Beweisaufnahme die genaue Angabe des Schriftsatzes (bei umfangreichen Schriftsätzen auch der Seite) erforderlich, in dem der Beweisantritt erfolgt sein soll (Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Tz. 40, mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Diesen Anforderungen wird die Rechtsmittelschrift der Klägerinnen nicht gerecht, da dort nur allgemein auf die Schriftsätze des Einspruchsverfahrens hinsichtlich der Benennung von Zeugen verwiesen wird. Da es sich bei der Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht außerdem um einen verzichtbaren Mangel handelt, muß auch vorgetragen werden, daß der Mangel in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt worden ist (Klein / Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Tz. 170). Auch daran fehlt es in der Rechtsmittelschrift der Klägerinnen.
3. Die ordnungsgemäße Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht mehr nachgeholt werden. Die Frist für die Beschwerdebegründung (§ 115 Abs. 3 FGO) ist nicht verlängerbar. Davon gehen auch die Klägerinnen mittlerweile aus.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO kann im Streitfall nicht gewährt werden, da die Klägerinnen nicht ohne Verschulden gehindert waren, rechtzeitig eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung vorzulegen.
Die Schwierigkeit einer Sache kann grundsätzlich kein Grund sein, eine sowohl für weniger schwierige als auch für schwierige Sachen gleichermaßen geltende Ausschlußfrist nicht einzuhalten. Im übrigen ging es bei der Nichtzulassungsbeschwerde für die Klägerinnen nicht darum, durch ihren Prozeßbevollmächtigten umfangreiche Sachverhaltsermittlungen vorzunehmen. Es mußten lediglich etwaige Verfahrensmängel genau bezeichnet werden oder es mußte dargelegt werden, daß die Sache Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft oder von einer Entscheidung des BFH abweicht (§ 115 Abs. 2 und 3 FGO).
Abgesehen davon ist das Hindernis, das die Klägerinnen an einer ordnungsgemäßen Beschwerdebegründung hinderte, nach dem eigenen Vortrag der Klägerinnen spätestens am 7. April 1991 weggefallen. Selbst wenn man davon ausgehen würde, daß die Klägerinnen danach noch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen konnten, wäre innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 FGO von zwei Wochen die vorher versäumte Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nachzuholen gewesen. Die Klägerinnen haben aber bis heute keine über ihre Rechtsmittelschrift hinausgehende Begründung für die Nichtzulassungsbeschwerde vorgelegt.
Fundstellen
Haufe-Index 417923 |
BFH/NV 1992, 315 |