Prozessbevollmächtigte müssen Rechtsbehelfe selbst begründen
Der BFH hat sich erneut mit den Anforderungen an die ordnungsgemäße Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde bei fehlender Postulationsfähigkeit des Beschwerdeführers befasst und diese in knapper Form zusammengefasst. Die Entscheidung des BFH dürfte auch auf andere Verfahrensordnungen bei fehlender Postulationsfähigkeit des Beteiligten übertragbar sein.
Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde mit Klägerzitaten
Gegenstand der Entscheidung des BFH war eine Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen ein Urteil des Finanzgerichts München. Der Kläger hatte die Beschwerdebegründung selbst verfasst und dem BFH übermittelt. Der als Rechtsanwalt zugelassene Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte daraufhin die Beschwerdebegründung seines vor dem BFH nicht postulationsfähigen Mandanten in einen mit seinem Briefkopf versehenen Schriftsatz übernommen, unterzeichnet und als Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im Übrigen formgerecht an das Gericht übermittelt.
Mindestvoraussetzungen an zulässige Beschwerdebegründung nicht erfüllt
Der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten erhielt den ausdrücklichen Hinweis, dass er die von seinem Mandanten verfasste Begründung der Beschwerde in Zitatform wiedergebe und der Inhalt ausschließlich vom Kläger selbst verfasst worden sei. Dies reichte nach der Bewertung des BFH für eine zulässige Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht aus.
Postulationsfähigkeit vor dem BFH
Gemäß § 62 Abs. 4 FGO müssen sich die Beteiligten vor dem BFH durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Vertretungsberechtigt sind Anwälte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Nrn. 2 und 3 des StBerG. Das Vertretungserfordernis gilt sowohl für die Einlegung einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision als auch für deren Begründung (BFH, Beschluss v. 21.9.2017, XI B 49/17).
Beschwerdebegründung muss vom Prozessbevollmächtigten selbst stammen
Der BFH legte Wert auf die Feststellung, dass der Sinn des § 62 Abs. 4 FGO unter anderem darin liege, dass jeder Prozessbevollmächtigte selbst die volle Verantwortung für die Begründung seiner Eingabe übernehmen müsse. Daraus folge, dass die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde vom Prozessbevollmächtigten als Urheber selbst stammen muss.
In welchen Fällen eine Begründung des Rechtsbehelfs unzureichend ist
Aus dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit des Prozessbevollmächtigten für seine Stellungnahme folgert der BFH, dass es für eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung nicht ausreichend ist, wenn
- die vom Prozessbevollmächtigten vorgelegte Begründung lediglich aus Zitaten Dritter besteht,
- der Prozessbevollmächtigte lediglich die Kopie eines vom Beschwerdeführer verfassten Schreibens als inhaltliche Begründung seiner Beschwerde beigefügt,
- der Prozessbevollmächtigte die Begründung gemeinsam mit seinem Mandanten in vollständiger Bindung an die Weisungen der vertretenen Partei erstellt hat,
- der Prozessbevollmächtigte einen von einem Beteiligten verfassten Schriftsatz lediglich mit seiner Unterschrift versieht,
- der Prozessbevollmächtigte Ausführungen seines Mandanten wörtlich wiedergibt unter dem Hinweis, diesen Ausführungen sei nichts hinzuzufügen.
Keine eigenverantwortliche Beschwerdebegründung des Prozessbevollmächtigten
Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze kam der BFH im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass die von dem Prozessbevollmächtigten eingereichte Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, die lediglich eine Wiedergabe der von seinem Mandanten verfassten Begründung beinhalte, den Anforderungen an eine zulässige, in Verantwortung des Prozessbevollmächtigten abgegebenen Begründungsschrift nicht entsprach.
Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen
Wegen Fehlens einer von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst verfassten und selbst verantworteten Beschwerdebegründung verwarf der Senat die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen ein Urteil des Finanzgerichts München als unzulässig.
(BFH, Beschluss v. 25.7.2023, VIII B 27/22)
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