Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass- und Abrechnungsbescheide zwei Verwaltungsakte; keine Revisionszulassung bei „schlicht“ fehlerhaftem FG-Urteil
Leitsatz (NV)
- Ein Abrechnungsbescheid nach § 281 Abs. 2 AO 1977 und ein Bescheid über den Erlass von Säumniszuschlägen nach § 227 AO 1977 sind verfahrensrechtlich zwei selbständige Verwaltungsakte.
- Die - im Einzelnen dargelegte ‐ Rüge, die Entscheidung des FG sei fehlerhaft, kann allein nicht zur Zulassung der Revision führen.
Normenkette
AO 1977 § 218 Abs. 2, § 227; FGO § 115 Abs. 2
Nachgehend
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den vom Gesetz gestellten Anforderungen.
Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) müssen in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden. Es reicht nicht aus, einen der dort bezeichneten Zulassungsgründe zu behaupten.
Stützt sich die Nichtzulassungsbeschwerde auf grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, muss nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Erforderlich sind dabei insbesondere Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage. Im Allgemeinen wird daher die Darlegung verlangt, aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft sein könnte (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rdnr. 32, m.w.N.). Dem entspricht die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
Zwar hat die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) die abstrakte Rechtsfrage aufgeworfen, ob ein Steuerpflichtiger, der sich gegen die Verwirkung von Säumniszuschlägen nach § 240 der Abgabenordnung (AO 1977) wendet, sowohl einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO 1977 als auch einen Erlass der Säumniszuschläge nach § 227 AO 1977 beantragen muss und ob dies insbesondere auch dann gilt, wenn die den Säumniszuschlägen zugrunde liegende Steuerschuld auf Null herabzusetzen war. Die Beschwerdebegründung enthält aber keine Darlegung dazu, aus welchen Gründen diese Frage der höchstrichterlichen Klärung bedarf. Der Klärungsbedarf ist auch nicht offenkundig.
Nach nunmehr ständiger und unbestrittener Rechtsprechung des BFH ist über Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO 1977) im Rahmen eines gegenüber der Steuerfestsetzung eigenständigen Verfahrens zu befinden (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 8. Juli 1998 I B 111/97, BFHE 186, 313, BStBl II 1998, 702, m.w.N.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 227 AO 1977 Rdnr. 143; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 7. Aufl., § 227 Rdnr. 33). Es ist nicht ersichtlich, dass im Verhältnis zu § 218 Abs. 2 AO 1977 etwas anderes gelten könnte.
Der Abrechnungsbescheid ist ein eigenständiger Bescheid. Nach § 218 Abs. 2 AO 1977 ist über die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Dabei ist zwar auch zu berücksichtigen, ob eine bestimmte Zahlungsverpflichtung ggf. durch Erlass erloschen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2000 VII R 91/98, BFHE 191, 5, BStBl II 2000, 246). Dies ändert aber nichts daran, dass der Abrechnungsbescheid und der Bescheid über den Erlass zwei voneinander unabhängige Verwaltungsakte sind (vgl. auch z.B. BFH-Beschluss vom 19. September 1997 V B 39/97, BFH/NV 1998, 280 a.E.; BFH-Urteil vom 8. November 1989 I R 30/84, BFH/NV 1990, 546 a.E.; zur Trennung zwischen Festsetzungs-, Erhebungs- und Billigkeitsverfahren (vgl. auch BFH-Beschluss vom 24. Oktober 2000 VI B 144/99, BFH/NV 2001, 423).
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob das FA einen Antrag des Steuerpflichtigen auf Erlass von Säumniszuschlägen (auch) als Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides i.S. des § 218 Abs. 2 AO 1977 zu verbescheiden hat (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. August 1999 VII R 92/98, BFHE 189, 331, BStBl II 1999, 751), wenn er auch Einwendungen gegen die Entstehung und die Verwirklichung von Säumniszuschlägen erhebt. Hierüber kann im anhängigen Verfahren jedoch nicht entschieden werden.
Die Klägerin hat auch nicht substantiiert dargetan, aus welchen Gründen die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH erfordert.
Die Rüge, das Ersturteil sei fehlerhaft, reicht hierfür nicht aus, da die schlichte Fehlerhaftigkeit der Vorentscheidung aufgrund der abschließenden Aufzählung der Revisionszulassungsgründe in § 115 Abs. 2 FGO nicht zur Revisionszulassung führt (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 24, BFH-Beschluss vom 27. September 2001 XI B 25/01, BFH/NV 2002, 213).
Die Klägerin hat auch nicht "dargelegt", aus welchen Gründen der Beschluss der 1. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 30. Januar 1986 2 BvR 1336/85 (Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst 1986, 101) überholt sein könnte. Insbesondere ist nicht erkennbar, inwieweit sich den "familienrechtlichen Entscheidungen des BVerfG" ein wesentlich geändertes Verständnis der Grundrechte entnehmen lasse. Im Übrigen könnte sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 240 Abs. 1 Satz 4 AO 1977 wegen ihrer Allgemeingültigkeit in erster Linie nur im Verfahren über den Erlass eines Abrechnungsbescheides und nicht in dem hier anhängigen Verfahren einer gemäß § 227 AO 1977 nur den Einzelfall betreffenden Billigkeitsmaßnahme stellen.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO mit Kurzbegründung.
Fundstellen