Entscheidungsstichwort (Thema)
AdV ohne Sicherheitsleistung; Darlegungslast
Leitsatz (NV)
1. Die finanzgerichtliche Aussetzung der Vollziehung kann grundsätzlich von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden, wenn die Steuerforderung im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers als gefährdet erscheint (vgl. Senatsbeschluß vom 29. November 1995 X B 328/94, BFHE 179, 222, BStBl II 1996, 322).
2. Es obliegt dem Antragsteller, Umstände darzutun und glaubhaft zu machen, die dem Sicherheitsbedürfnis der Finanzbehörde genügen oder es als unangemessen erscheinen lassen (vgl. Beschluß vom 28. August 1989 X S 13/88, BFH/NV 1990, 310).
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 3
Tatbestand
Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides über Einkommen- und Kirchensteuer 1988 vom 23. März 1988 in Höhe von ... DM ohne Sicherheitsleistung (Freigabe der gestellten Sicherheiten).
Die Vollziehung dieses Bescheids hat der Antragsgegner (das Finanzamt -- FA --) mit Verfügung vom 14. August 1995 gegen Sicherheitsleistung ausgesetzt. Die Sicherheitsleistung ist erbracht.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage des Antragstellers gegen den Einkommensteuerbescheid stattgegeben. Hiergegen hat das FA die vom FG zugelassene Revision eingelegt. Den Antrag des Antragstellers, die Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung anzuordnen und die Sicherungsmittel freizugeben, hat das FA mit Schreiben vom 21. Juni 1996 mit der Begründung abgelehnt, die Erfolgsaussichten der eingelegten Revision seien als günstig zu bewerten, weil das FG wesentliche rechtliche Gesichtspunkte unbeachtet gelassen habe. Die wirtschaftliche Lage des Antragstellers lasse die Realisierung der Steuerforderungen als gefährdet erscheinen.
Der Antragsteller trägt u. a. vor: Das vom Bundesfinanzhof (BFH) als dem Gericht der Hauptsache auszuübende Ermessen werde dadurch eingeengt, daß die Vollziehung unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt werden solle. Die Revision dürfte keinen Erfolg haben, weil dem Urteil des FG jedenfalls im Ergebnis uneingeschränkt zu folgen sei. Schon der Umstand, daß er, der Antragsteller, eine Sicherheit habe stellen können, spreche gegen die Argumentation des FA, daß der Steueranspruch gefährdet sei.
Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1988 vom 23. März 1995 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 7. August 1995 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
Das FA ist dem Antrag entgegengetreten. Die Erfolgsaussichten des Antragstellers im Hauptsacheverfahren seien keineswegs eindeutig. In jedem Fall könne die Finanzbehörde bei einer ernstlichen Gefährdung des Steueranspruchs Sicherheit verlangen. An der wirtschaftlichen Lage des Antragstellers habe sich im Vergleich zum außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren und zum Klageverfahren nichts geändert; die Realisierung der Steuerforderungen sei nach wie vor gefährdet.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist nicht begründet.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts u. a. dann ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Derartige Zweifel sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken.
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die vom FG erörterte Rechtsfrage, ob eine gewinnwirksame Änderung der Bilanz des Streitjahres nur unter den Voraussetzungen des § 173 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) möglich ist, läßt sich im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung nicht abschließend entscheiden.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 FGO kann auch die finanzgerichtliche Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Durch die Anordnung zur Stellung von Sicherheiten sollen Steuerausfälle bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang vermieden werden. Die Steuerforderung kann im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse als gefährdet erscheinen. Andererseits entfällt das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Steuerausfällen, wenn mit Gewißheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozeßausgang zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. Dezember 1969 V B 115--116/69, BFHE 97, 240, BStBl II 1970, 127; vom 29. November 1995 X B 328/94, BFHE 179, 222, 232 f., BStBl II 1996, 322). Auch hat die an sich im Hinblick auf die Vermeidung von Steuerausfällen gebotene Anordnung einer Sicherheitsleistung zu unterbleiben, wenn bei einer auf ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide gestützten Aussetzung der Vollziehung der Steuerpflichtige im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, Sicherheit zu leisten (BFH-Beschluß vom 13. August 1991 VIII B 14/87, BFH/NV 1992, 688).
Die gebotene summarische Prüfung ergibt, daß die vorstehend dargestellten Gründe für eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung nicht vorliegen. Insbe sondere läßt sich nicht sagen, daß der Rechtsauffassung des FG mit großer Wahrscheinlichkeit zu folgen sein wird. Es liegt vielmehr im Rahmen sachgerechter Ausübung des gerichtlichen Ermessens, die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.
Der Antragsteller hat nicht in der erforder lichen Weise dargetan, daß sein auf uneingeschränkten vorläufigen Rechtsschutz gerichtetes Begehren gerechtfertigt wäre. Es hätte ihm obgelegen, die Umstände glaubhaft zu machen, die dem Sicherungsbedürfnis der Finanzbehörde genügen oder es als unangemessen erscheinen lassen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. August 1989 X S 13/88, BFH/NV 1990, 310, und vom 17. Januar 1996 V B 100/95, BFH/NV 1996, 491).
Das FA hat in seiner Stellungnahme vom 23. Juli 1996 darauf hingewiesen, an der wirtschaftlichen Lage des Antragstellers habe sich "im Vergleich zum außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren und zum Klageverfahren nichts geändert", die Realisierung der Steuerforderung sei nach wie vor gefährdet. Ausweislich der dem Senat vorliegenden Akten hat das FA mit Schreiben vom 6. September 1993 an den Steuerberater des Antragstellers eine Gefährdung des Steueranspruchs daraus hergeleitet, daß sich die "Firmengruppe ... " nach eigenem Vortrag in akuten Liquiditätsschwierigkeiten befinde. Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 7. April 1995 vortragen lassen, daß die Firma, die bei weiterem Fortbestand als vermögend angesehen werden könne, "nach wie vor liquiditätsmäßig mit jeder Mark rechnen" müsse. Diese Umstände, deren Fortbestand bis heute der Antragsteller nicht in Abrede gestellt hat, lassen es angezeigt erscheinen, dem Sicherungsbedürfnis des Steuergläubigers verfahrensrechtlich Rechnung zu tragen.
Fundstellen