Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung bei nicht rechtzeitiger Abführung der Lohnsteuer
Leitsatz (NV)
1. Der Geschäftsführer einer GmbH begeht auch dann eine schuldhafte Pflichtverletzung i. S. des § 69 AO 1977, wenn er bei der nicht rechtzeitigen Abführung der Lohnsteuer darauf vertraut, die nicht abgeführten Lohnsteuerabzugsbeträge später aus einer erwarteten Steuererstattung bezahlen zu können.
2. Ein Mitverschulden des FA kann allenfalls im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sein.
Normenkette
AO 1977 §§ 69, 34 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, die ihren Geschäftsbetrieb am 15. März 1977 aufnahm und am 15. Juni 1977 die Eröffnung des Konkursverfahrens beantragte. Dieser Antrag wurde am 25. Juni 1977 mangels Masse abgelehnt.
Mit Bescheid vom 1. August 1978 nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Kläger als Haftenden wegen rückständiger Lohnsteuer und Kirchensteuer für die Monate März bis Juni 1977 in Höhe von 33 000 DM in Anspruch. Der Einspruch hatte keinen Erfolg, die Klage war nur insoweit begründet, als das Finanzgericht (FG) die Haftungssumme unter Abtrennung des Verfahrens zur Kirchensteuerhaftung auf 29 000 DM ermäßigte. Das FG führte aus:
Der Kläger habe seine sich aus § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) i. V. m. § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) ergebende Verpflichtung verletzt, die einbehaltene Lohnsteuer aus den von ihm verwalteten Mitteln rechtzeitig an das Kassen-FA abzuführen. Obwohl nach seinem eigenen Vortrag die GmbH in den Monaten März bis Mai 1977 über Bankguthaben verfügt habe, habe er auf die angemeldeten Beträge nur 2 000 DM für März 1977 gezahlt. Darin sei eine grob fahrlässige Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer zu sehen. Er hafte deshalb nach § 69 Satz 1 AO 1977. Er habe seine Sorgfaltspflichten deshalb in besonderem Maße verletzt, weil er von seiner Verpflichtung zur Abführung der einbehaltenen Lohnsteuer gewußt habe. Er könne sich nicht durch Berufung auf ein, sich aus der Umsatzvoranmeldung für März 1977 ergebendes Guthaben, entlasten. Zwar habe das FA schriftlich bestätigt, daß die GmbH die Umsatzsteuervoranmeldung für März 1977 eingereicht habe und diese Erklärung ein Guthaben von 61 000 DM ausweise. Doch sei dieses Schreiben nicht als Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO 1977 zu werten. Es beinhalte lediglich eine Eingangsbestätigung durch das FA. Das habe der Kläger ohne weiteres erkennen können. Diesem sei daher klar gewesen, daß er nur eine entsprechende Forderung gegen das FA geltend gemacht habe, dieses sich aber zur sachlichen Berechtigung des Umsatzsteuerguthabens noch nicht geäußert habe. Der Kläger hätte sich nicht auf das Bestehen dieser Forderung verlassen und von einer Überweisung der angemeldeten Abzugsbeträge absehen dürfen. In diesem Verhalten sei ein schwerer Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten im Zahlungsverkehr zu sehen.
Dies gelte in erhöhtem Maße auch deshalb, weil für den Kläger angesichts der Kontostände der GmbH bereits erkennbar gewesen sei, daß diese die Rechnungen zum überwiegenden Teil nicht werde bezahlen können und das angemeldete Vorsteuerguthaben der GmbH keinesfalls endgültig zustehen werde. Der Kläger hätte, wenn er die Abführung der Abzugsbeträge mit Rücksicht auf das Vorsteuerguthaben habe unterlassen wollen, für die Abzugsbeträge einen Stundungsantrag stellen müssen. Er hätte nicht im Vertrauen darauf, daß ihm später zur Abführung der Abzugsbeträge andere Mittel zur Verfügung stehen würden, die einbehaltenen Abzugsbeträge sach- und zweckwidrig verwenden dürfen. Das Verschulden des Klägers wiege auch deshalb besonders schwer, weil er für die Monate März bis Mai 1977 die Lohnsteueranmeldungen trotz Zahlung der Löhne - zunächst - nicht abgegeben habe.
Ob im Streitfall der Ablauf ein anderer hätte sein können, wenn das FA der GmbH sogleich eine Steuernummer erteilt hätte, sei eine hypothetische Frage, die unbeantwortet bleiben könne. Dem FA wäre es auch dann nicht verwehrt gewesen, die Vorsteuerforderung auf ihre Berechtigung zu überprüfen. Der Kläger habe in jedem Fall grob pflichtwidrig gehandelt, wenn er sich einfach auf seine Sicht der Anspruchsgrundlage verlassen habe.
Der Haftungsbescheid des FA sei schließlich nicht deshalb rechtswidrig, weil das Entschließungsermessen nur implizit ausgeübt worden sei. Dies stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der die Ermessensentscheidung gemäß § 191 AO 1977 durch die Rechtsentscheidung im Rahmen des § 69 Satz 1 AO 1977 bereits vorgeprägt sei. Für die Frage des Auswahlermessens habe das FA im Einspruchsbescheid zutreffende Ausführungen gemacht.
Mit der Revision rügt der Kläger unrichtige Anwendung der §§ 34, 69, 191 AO 1977 und mangelnde Sachaufklärung durch das FG.
Das FG komme zu dem unzutreffenden Ergebnis, die Vorgänge um die Umsatzsteuer könnten ihn, den Kläger, nicht entlasten. Unzutreffend sei die Schlußfolgerung, er habe einen schweren Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten im Zahlungsverkehr begangen. Er habe nach § 34 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 dafür zu sorgen gehabt, daß die Steuern aus Mitteln der GmbH entrichtet werden. Zu diesen Mitteln gehörten auch Forderungen (hier: Vorsteuerguthaben), die der GmbH gegen das FA zugestanden hätten. Die GmbH habe am 12. Mai 1977 die Umsatzsteuer für März 1977 angemeldet und die Erstattung des Vorsteuerguthabens beantragt. Die Rechnungen hätten vorgelegen. Die Lieferanten hätten die Umsatzsteuer ihrerseits abgeführt. Mithin sei der Anspruch auf Erstattung des Vorsteuerguthabens entstanden. Das FA habe mit Schreiben vom 8. Juni 1977 seine Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO 1977 erteilt. Damit sei der Erstattungsanspruch auch fällig geworden. Dem Vorsteuerguthaben habe damit die Lohnsteuerverbindlichkeit aufrechenbar gegenüber gestanden. Er, der Kläger, habe auf diese Rechtsauffassung seines steuerlichen Beraters vertrauen dürfen. Ihm könne kein Schuldvorwurf gemacht werden. Die Lohnsteuer für März 1977 habe er bezahlt. Der Anmeldung für April 1977 habe er ebenfalls einen Scheck beigelegt. Da das Vorsteuerguthaben bestanden habe, treffe ihn auch für die angemeldeten Beträge Mai 1977 kein Verschulden. Der Schuldvorwurf könne auch nicht daraus hergeleitet werden, daß er - so das FG - für März bis Mai 1977 die Abzugsbeträge nicht einmal angemeldet habe. Für März sei die Anmeldung am 14. April 1977 und für April am 17. Mai 1977 mit dem entsprechenden Scheck beim FA eingegangen.
Bei der Beurteilung der Frage seines, des Klägers, Verschuldens sei auch das Verschulden des FA mitzuberücksichtigen. Das FA habe für die Zuteilung der Steuernummer und die entsprechenden Buchungen zwei bis vier Monate benötigt. Darin sei ein Verschulden des FA zu sehen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem FG sei ein Beweisantrag zur Vernehmung des steuerlichen Beraters zur Frage der Vorwerfbarkeit des klägerischen Handelns gestellt worden. Weiterhin sei die Vorinstanz auf die Aufklärungspflicht hingewiesen worden, als erstmalig streitig geworden sei, daß der Vermögensverfall der GmbH plötzlich Mitte Juni 1977 aus anderen Gründen, die nicht erkennbar gewesen seien, erfolgt sei. Damit sei die subjektive Seite des Handelns des Klägers dargelegt und der Beweis des Nichtverschuldens angetreten worden. Hinsichtlich der bei der GmbH vorhandenen finanziellen Mittel sei in der mündlichen Verhandlung erörtert worden, die Konkursakten beizuziehen.
Er, der Kläger, habe im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht zum Schuldvorwurf Stellung nehmen können, da er gerade eine Rehabilitationsbehandlung wahrgenommen habe. Wegen der Kürze der Ladungsfrist von 2‹ Wochen sei er auch nicht erreichbar gewesen.
Die vom FA nach § 191 Abs. 1 AO 1977 zu treffende Ermessensentscheidung sei fehlerhaft, da ihn kein Verschulden treffe und das FA sein eigenes Verschulden nicht berücksichtigt habe.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung und den Haftungsbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Haftung des Klägers für die Lohnsteuerabzugsbeträge der Monate März bis Mai 1977 dem Grunde und der Höhe nach zu Recht bejaht.
1. Die GmbH war nach § 41 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) verpflichtet, die von den Einkünften ihrer Arbeitnehmer durch Abzug vom Arbeitslohn zu erhebende Lohnsteuer einzubehalten und an das FA abzuführen. Diese Pflichten hatte nach § 34 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 35 Abs. 1 GmbHG der Kläger als Geschäftsführer der GmbH für diese zu erfüllen. Soweit infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung dieser Pflichten Steueransprüche nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, haftet der Kläger gemäß § 69 Satz 1 AO 1977. Der Kläger hat diesen Haftungstatbestand hinsichtlich der Lohnsteuer für die Monate März bis Mai 1977 erfüllt. Er hat in diesen Monaten Löhne an die Arbeitnehmer der GmbH ausgezahlt, ohne die darauf entfallenden und einbehaltenen Steuerabzugsbeträge vollständig anzumelden und an das FA abzuführen. Die Steueransprüche des FA wurden dadurch verkürzt.
Von der Verpflichtung zur Abführung der einbehaltenen Lohnsteuerbeträge war der Kläger nicht durch das mit der Umsatzsteuervoranmeldung für März 1977 erklärte Vorsteuerguthaben der GmbH entbunden, denn die Haftung nach § 69 AO 1977 setzt bereits dann ein, wenn die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht rechtzeitig, d. h. bei der einbehaltenen Lohnsteuer zehn Tage nach Ablauf des Lohnsteueranmeldungszeitraums (§ 41 a Abs. 1 Satz 1 EStG), erfüllt werden (vgl. Senatsurteil vom 20. April 1982 VII R 96/79, BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521). Allerdings war der Kläger rechtlich nicht gehindert, die Lohnsteuerschuld - soweit sie die Monate April und Mai 1977 betraf - durch Verrechnung (Aufrechnung) mit dem erklärten Umsatzsteuerguthaben zu erfüllen. Dazu aber hätte es eines entsprechenden Antrags bei Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung bedurft. Nach den Feststellungen des FG, die nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für den Senat bindend sind, hat der Kläger einen solchen Antrag erst im Juli 1977 stellen lassen. Zuvor hat er lediglich die Auszahlung des Guthabens gefordert und angemahnt, d. h. ausdrücklich keine Verrechnung gewünscht. Ohne einen Verrechnungsantrag konnte er jedoch nicht davon ausgehen, daß das FA die Verrechnung vornehmen und die Lohnsteuer damit tilgen würde (vgl. Senatsurteil vom 29. Juli 1986 VII R 132/83, BFH/NV 1987, 74, 76).
2. Der Kläger hat die Pflichtverletzung, wie den Feststellungen des FG und insoweit abweichend von dessen Meinung zu entnehmen ist, vorsätzlich begangen. Nach diesen gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen der Vorinstanz hat der Kläger seine Verpflichtung zur rechtzeitigen Abführung der Lohnsteuerbeträge gekannt. Er hat nach diesen Feststellungen auf die für März 1977 einbehaltenen Beträge einen Teilbetrag gezahlt. Auch für April 1977 hat er zunächst den angemeldeten Lohnsteuerbetrag an das FA abgeführt, sich aber später wieder zurückerstatten lassen. Für Mai 1977 wurden im Hinblick auf das angemeldete Vorsteuerguthaben keine Beträge mehr abgeführt. In diesem Verhalten ist eine vorsätzliche Verletzung der Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung der Lohnsteuerabzugsbeträge (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO 1977) zu sehen.
Das für die GmbH für März 1977 mit der Umsatzsteuervoranmeldung vom 9. Mai 1977 erklärte Vorsteuerguthaben kann den Kläger nicht entlasten. Die Verpflichtung aus § 41 a Abs. 1 Nr. 2 EStG zur Abführung der einbehaltenen Lohnsteuer war nicht, auch nicht zeitweise, dadurch entfallen, daß sich für die GmbH rechnerisch ein Vorsteuerguthaben März 1977 ergeben hatte, mit dessen Erstattung der Kläger rechnete. Die Lohnsteuer ist als Abzugsteuer in jedem Fall im Zusammenhang mit der Lohnzahlung innerhalb der in § 41 a Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Frist zu entrichten, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob für die Zukunft mit einem Anspruch auf Erstattung anderer Steuern gerechnet werden kann.
Dem Vortrag des Klägers ist zu entnehmen, daß er selbst nicht davon ausgegangen ist, das Bestehen des Erstattungsanspruchs habe seine Verpflichtung zur Zahlung der Lohnsteuer entfallen lassen. Er hegte lediglich die Hoffnung, daß die bereits entstandene und fällige Lohnsteuer später aus der Erstattung des Vorsteuerguthabens oder durch Verrechnung hätte getilgt werden können. Somit vertraute er darauf, daß sich die in der nichtrechtzeitigen Abführung der Lohnsteuer liegende Pflichtverletzung letztlich nicht nachteilig auswirken würde, weil später die Zahlung aus der Erstattungssumme oder eine Verrechnung möglich sein werde. Für die Frage des Verschuldens ist dies jedoch unbeachtlich, denn schuldhaft muß nur die Pflichtverletzung - nichtrechtzeitiges Abführen der Lohnsteuer - sein, gleich, ob der Kläger die Folgen dieser Pflichtverletzung wollte oder nicht. Für die Folgen hat er allein deshalb einzustehen, weil sie durch die Pflichtverletzung verursacht sind.
Da die Pflichtverletzung in der vorsätzlichen, nichtrechtzeitigen Abführung der Steuerabzugsbeträge liegt, kommt es nicht darauf an, ob das FA mit Schreiben vom 8. Juni 1977 der Umsatzsteuervoranmeldung März 1977, aus der sich das Vorsteuerguthaben ergab, i. S. von § 168 Satz 2 AO 1977 zugestimmt hatte und der Erstattungsanspruch damit fällig geworden war.
3. Der Kläger beruft sich zu Unrecht auf ein Mitverschulden des FA. Der Haftungsanspruch nach § 69 AO 1977 entsteht, wenn die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift erfüllt sind. Danach fehlt es an einer Rechtsgrundlage dafür, daß der Haftungsanspruch ganz oder teilweise entfalle, wenn ein Mitverschulden der Verwaltung vorliegt. Die Frage des Mitverschuldens kann allenfalls im Rahmen der Ermessensentscheidung eine Rolle spielen, die das FA bei der Geltendmachung des Haftungsanspruchs zu treffen hat (Senatsbeschluß vom 21. Januar 1986 VII S 30/85, BFH/NV 1986, 518, 520, m. w. N.). Auf die damit zusammenhängenden Fragen braucht jedoch nicht mehr eingegangen zu werden, denn das FG hat ein etwaiges Mitverschulden des FA zu Recht verneint. Ein Steuerpflichtiger darf sich nicht ohne weiteres darauf verlassen, daß ein FA zur Begleichung einer Steuerforderung im Wege der Verrechnung rechtzeitig Umbuchungen vornimmt, auch wenn es dazu in der Lage ist (vgl. Urteil des Senats vom 16. Oktober 1986 VII R 161/83, BFH/NV 1987, 616).
Die von der Revision hinsichtlich der Feststellung des klägerischen Verschuldens und des Mitverschuldens des FA vorgetragene Rüge mangelnder Sachaufklärung durch das FG - Verstoß gegen § 76 Abs. 1 FGO - ist, soweit sie überhaupt zulässig erhoben wurde, nach alledem unbegründet.
4. Das FG hat auch zu Recht die Lohnsteuerbeträge auf das Junigehalt des Klägers in die Haftungssumme einbezogen. Zwar ist der Kläger für diese Beträge nach § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG als Arbeitnehmer der GmbH Steuerschuldner, doch schließt dies seine Haftung nach §§ 69, 34 Abs. 1 AO 1977 nicht aus, denn in diesem Fall haftet er nicht für die eigene Steuerschuld, sondern für die aus seiner Sicht fremde Haftungsschuld der GmbH (Senatsurteil vom 15. April 1987 VII R 160/ 83, BFHE 149, 505, BStBl II 1988, 167; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., Stand April 1986, Vor § 69 AO 1977 Rdnr. 3).
5. Auch die Ausführungen des FG zu den Anforderungen an die nach § 191 Abs. 1 AO 1977 vom FA zu treffende Ermessensentscheidung sind - zumindest im Ergebnis - nicht zu beanstanden. Nach dem BFH-Urteil vom 13. April 1978 V R 109/75 (BFHE 125, 126, BStBl II 1978, 508) kann zwar auf die Begründung der Ermessensentscheidung verzichtet werden, wenn diese Entscheidung durch die Rechtsentscheidung gewissermaßen vorgeprägt ist. Das soll dann der Fall sein, wenn den Haftungsschuldner ein schweres Verschulden trifft (nach dem Urteil: Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit). Es kann dahinstehen, ob diese zur Rechtslage nach § 109 der Reichsabgabenordnung (AO) ergangene Entscheidung unter der Geltung des § 69 AO 1977 in den Fällen der grob fahrlässigen Pflichtverletzung, wie sie das FA in der Einspruchsentscheidung auch für den Kläger angenommen hat, noch Anwendung finden kann. Zweifel daran ergeben sich deshalb, weil nach der neuen Rechtslage die grobe Fahrlässigkeit die Mindestverschuldensform schon für die Erfüllung des Haftungstatbestandes darstellt.
Das FA hat aber am Ende seines Einspruchsbescheides hinreichende Ermessenserwägungen angestellt. Aus den Ausführungen zur Ermessensbetätigung in der Einspruchsentscheidung ergibt sich, daß sich das FA des Umstandes bewußt war, daß es mit der Heranziehung des Klägers als Haftungsschuldner eine Ermessensentscheidung gemäß § 191 Abs. 1 AO 1977 zu treffen hatte. Die angeführte Begründung ist nach den Umständen des Streitfalles auch als ausreichende Darlegung des Entschließungsermessens, nämlich der Entscheidung des FA, seinen Haftungsanspruch aus § 69 Satz 1 AO 1977 gegen den Kläger geltend zu machen, anzusehen.
Auf eine nähere Darlegung des Entschließungsermessens konnte verzichtet werden. Der Senat verweist dazu auf sein Urteil vom 29. September 1987 VII R 54/84 (BFHE 151, 111, BStBl II 1988, 176, 178).
Fundstellen