Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlußfrist für Vollmachtsvorlage; notwendige Beiladung bei Bauherrengemeinschaft
Leitsatz (NV)
1. Eine nur einem von mehreren Prozeßbevollmächtigten gesetzte Ausschlußfrist für die Vollmachtsvorlage wirkt nicht gegenüber den anderen Bevollmächtigten.
2. Alle nach § 48 FGO Klagebefugten, die nicht oder nicht mehr als Kläger am Verfahren beteiligt sind, müssen notwendig beigeladen werden.
3. Hat das FA gegen mehrere Mitberechtigte einen einheitlichen Feststellungsbescheid zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erlassen, sind alle Betroffenen nach § 48 Abs. 2 FGO klagebefugt (ständige Rechtsprechung).
Normenkette
FGO §§ 48, 60, 62; VGFGEntlG Art. 3 § 1 S. 1 a. F
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sowie die Feststellungsbeteiligten ... waren Mitglieder einer Bauherrengemeinschaft, die in ... ein Wohngebäude errichtete.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) stellte mit den unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden vom 30. November 1982 für die Bauherrengemeinschaft einen Werbungs kostenüberschuß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in der erklärten Höhe von 350 859 DM für 1980 und 191 299 DM für 1981 gesondert und einheitlich fest.
Aufgrund einer Außenprüfung erkannte das FA verschiedene Gebühren und Sonderwerbungskosten teilweise nicht mehr als sofort abziehbare Werbungskosten an und stellte mit Bescheiden vom 25. Januar 1984 einen Werbungskostenüberschuß von 272 702 DM für 1980 und von 194 896 DM für 1981 fest. Bei der Verteilung des für 1981 festgestellten Werbungskostenüberschusses rechnete das FA den Klägern zu 2 und 14 sowie dem Feststellungsbeteiligten ... niedrigere Werbungskostenüberschüsse als im ursprünglichen Bescheid zu, während die den übrigen Feststellungsbeteiligten zugeordneten Werbungskostenüberschüsse gleich hoch oder höher als bisher sind.
Mit dem Einspruch gegen die geänderten Feststellungsbescheide wandten sich die Kläger und die übrigen Feststellungsbeteiligten gegen die teilweise Nichtanerkennung der Zinsgarantiegebühren und der Vermittlungsgebühren für die Zwischenfinanzierung und die Endfinanzierung. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Gegen die Einspruchsentscheidung erhoben die Prozeßbevollmächtigten namens der Feststellungsbeteiligten mit Schriftsatz vom 13. Oktober 1986 Klage. Die vom Prozeßbevollmächtigten Steuerberater A unterschriebene Klageschrift führt im Kopf die beiden Prozeßbevollmächtigten an. Als Prozeßbevollmächtigte sind bezeichnet "Steuerberater A und Partner".
Der Berichterstatter im finanzgerichtlichen Verfahren setzte dem Prozeßbevollmächtigten Steuerberater A mit Verfügung vom 11. März 1987 gemäß Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) eine Ausschlußfrist zur Vorlage der Vollmacht bis 5. Mai 1987. Der Prozeßbevollmächtigte Steuerberater B ist in der Verfügung weder in der Anschrift noch in der Anrede angesprochen.
Nach Ablauf der gesetzten Frist wurden für die bis heute verbliebenen Kläger auf die Prozeßbevollmächtigten ausgestellte Vollmachten vorgelegt. Für die übrigen Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren nahm der Prozeßbevollmächtigte Steuerberater A die Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) zurück. Insoweit wurde das Verfahren durch Beschluß eingestellt.
Die noch verbliebenen Kläger beantragten, die geänderten Feststellungsbescheide für 1980 und 1981 sowie den "Einspruchs bescheid" vom 12. September 1986 auf zuheben, hilfsweise, 117 118 DM unter anteiliger Verteilung auf die Bauherren als Werbungskosten zum Abzug zuzulassen. Zur Begründung hatten sich die Kläger schriftsätzlich auf eine fehlerhafte Bekanntgabe der Änderungsbescheide und der Einspruchsentscheidung berufen. Von den Konzeptgebühren (157 118 DM) seien 75 v. H. (117 838,50 DM) als Werbungskosten abzuziehen, weil dieser Anteil auf die Beschaffung des Eigenkapitals entfalle.
Das FG wies die Klage als unzulässig mit der Begründung ab, die Prozeßbevollmächtigten hätten innerhalb der Ausschlußfrist keine Vollmacht vorgelegt.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung von § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), § 53 Abs. 2 FGO i. V. m. § 3 Abs. 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes und §§ 180 bis 186 und 195 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung, Art. 3 § 1 VGFGEntlG und § 80 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 183 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung. Die Feststellungsbeteiligten, für die eine Prozeßvollmacht nicht vorgelegt worden sei und deren Klagen deshalb zurückgenommen worden seien, hätten zum Verfahren notwendig beigeladen werden müssen. Das FG habe die Klage zu Unrecht wegen Versäumung der Ausschlußfrist für die Vollmachtsvorlage abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Das FG hat die Klage verfahrensfehlerhaft mit der Begründung abgewiesen, die Prozeßvollmachten der Kläger seien nicht innerhalb der gesetzten Ausschlußfrist vorgelegt worden. Die nach Ablauf der gesetzten Frist eingegangenen Vollmachten, die auf die beiden Prozeßbevollmächtigten lauten, sind nicht verspätet bei Gericht eingegangen.
a) Ein Beteiligter am finanzgerichtlichen Verfahren, der sich gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 FGO durch einen Bevollmächtigten vertreten läßt, hat eine schriftliche Vollmacht zu erteilen (§ 62 Abs. 3 Satz 1 FGO a. F.). Diese konnte nachgereicht werden (§ 62 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 FGO a. F.; vgl. auch § 62 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 FGO n. F.). Hierzu konnte -- wie im Streitfall -- der vom Vorsitzenden nach § 79 FGO a. F. bestellte Richter gemäß § 62 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 FGO i. V. m. Art. 3 § 1 Satz 1 VGFGEntlG a. F. eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen (vgl. nunmehr § 62 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 FGO). Wurde die Vollmacht innerhalb dieser Frist nicht bei Gericht eingereicht, war die Klage grundsätzlich wegen Fehlens einer Sachentscheidungsvoraussetzung durch Prozeßurteil abzuweisen (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 11. Januar 1980 VI R 11/79, BFHE 129, 305, BStBl II 1980, 229; vom 25. April 1990 X R 127--128/88, BFH/NV 1991, 179).
Der Umfang solcher prozessualen Folgen richtet sich im Einzelfall nach der richterlichen Verfügung: Die Wirkung reicht nicht weiter als der eindeutig ausgedrückte Inhalt dieser Maßnahme (BFH-Urteile in BFH/NV 1991, 179; vom 22. Januar 1991 X R 107/90, unter 3., BFHE 163, 404, BStBl II 1991, 524). Eine nur einem von mehreren Prozeßbevollmächtigten gesetzte Ausschlußfrist wirkt nicht gegenüber den anderen Bevollmächtigten.
Der Berichterstatter im finanzgerichtlichen Verfahren hat nur gegenüber dem Prozeßbevollmächtigten Steuerberater A die Ausschlußfrist für die Vollmachtsvorlage gesetzt, obwohl auch Steuerberater B in der Klageschrift als Prozeßbevollmächtigter bezeichnet worden war. Der Verfügung des Berichterstatters läßt sich nicht entnehmen, daß sie sich an die Sozietät der Prozeßbevollmächtigten hätte richten sollen. Die Ausschlußfrist kann zwar einer Sozietät unter einer Kurzbezeichnung, die sie selbst verwendet, gesetzt werden (BFH-Beschluß vom 10. August 1993 VII B 245/92, BFH/NV 1994, 650). Von dieser Möglichkeit hat der Berichterstatter aber keinen Gebrauch gemacht.
2. Da das FG von einer anderen Auffassung ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht daher an das FG zurück.
Einer Entscheidung zur Sache steht ent gegen, daß die Feststellungsbeteiligten, deren Klagen zurückgenommen worden sind, zum Verfahren der Kläger notwendig beizuladen sind (§ 60 Abs. 3 FGO). Im Revisionsverfahren kann die Beiladung nicht nachgeholt werden (§ 123 Satz 1 FGO).
a) Nach § 60 Abs. 3 FGO sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derartig beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen. Klagebefugnis und notwendige Beiladung hängen in dem Sinne zusammen, daß die Klagebefugten, die nicht selbst Klage erhoben haben, notwendig beizuladen sind. Hat das FA gegen mehrere Mitberechtigte einen einheit lichen Feststellungsbescheid zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erlassen, sind nach § 48 Abs. 2 FGO alle Betroffenen klagebefugt (Senatsurteil vom 9. April 1991 IX R 78/88, BFHE 163, 517, BStBl II 1991, 809; Senatsbeschlüsse vom 23. September 1992 IX B 32/92, BFH/NV 1993, 185; vom 2. September 1993 IX B 34/93, BFH/NV 1994, 114).
b) Der Notwendigkeit der Beiladung der Feststellungsbeteiligten, die nicht mehr Kläger sind, steht nicht entgegen, daß sie zunächst selbst Klage erhoben, diese dann aber zurückgenommen hatten. Zweck der notwendigen Beiladung ist es, eine einheitliche, alle Feststellungsbeteiligten bindende Entscheidung sicherzustellen. Dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn alle nach § 48 FGO Klagebefugten, die nicht oder nicht mehr als Kläger am Verfahren beteiligt sind, beigeladen werden (BFH-Beschluß vom 19. Juni 1990 VIII B 3/89, unter 1. g, BFHE 161, 404, BStBl II 1990, 1068).
c) Die Notwendigkeit der Beiladung kann für das Streitjahr 1981 auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer offensichtlichen Unzulässigkeit der Klage entfallen (vgl. BFH-Urteile vom 9. Mai 1979 I R 100/77, BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632; vom 23. April 1985 VIII R 295/82, BFH/NV 1986, 411; vom 27. November 1990 VIII R 206/84, BFH/NV 1991, 692; vom 8. Oktober 1991 VIII R 85/88, BFH/NV 1992, 324).
Zulässig ist jedenfalls der im finanzgerichtlichen Verfahren gestellte Hilfsantrag, weitere 117 118 DM als Werbungskosten abzuziehen. Dieser Hilfsantrag bezieht sich auch auf das Streitjahr 1981.
Fundstellen