Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Wechsel in der Wahl zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung zur Einkommensteuer
Leitsatz (NV)
1. Jeder Ehegatte hat ein eigenes Wahlrecht zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung zur Einkommensteuer. Er kann seine Wahl bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids ausüben und innerhalb dieser Frist die getroffene Wahl grundsätzlich auch widerrufen. Dabei kann er sich von einer zunächst gemeinsam gewählten Veranlagungsart grundsätzlich auch wieder lösen.
2. Ein Wechsel in der Wahl der Veranlagungsart ist nur dann unzulässig, wenn hierin ein rechtsmißbräuchliches, willkürliches Verhalten zu erblicken ist.
3. Bei widerstreitenden Anträgen der Eheleute ist der einseitige Antrag des einen Ehegatten auf getrennte Veranlagung dann unwirksam, wenn dieser selbst keine eigenen positiven oder negativen Einkünfte hat oder diese so gering sind, daß sie weder zur Einkommensteuerveranlagung führen können noch einem Steuerabzug unterlegen haben. Gegebenenfalls sind die Eheleute zusammen zu veranlagen, auch wenn dies nur einer von ihnen beantragt hat.
4. Das Finanzgericht kann von einer Aufklärung der Tatfrage zu 3. nicht im Hinblick auf das Steuergeheimnis absehen. Unter Eheleuten ist das Steuergeheimnis bedeutungslos, sofern sie im Falle der Zusammenveranlagung Gesamtschuldner sind.
Normenkette
AO 1977 § 44; EStG §§ 26, 26a, 26b
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren 1976, 1977 und 1980 verheiratet und lebte nicht von seiner Ehefrau getrennt. Seine Ehe wurde im Jahre 1982 geschieden. Er bezog Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Außerdem hatte er laut gesonderter Feststellung zusammen mit seiner früheren Ehefrau Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einem Zweifamilienhaus. Die diesbezügliche gesonderte Feststellung hat er mit der Begründung angefochten, er sei alleiniger wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte den Kläger zusammen mit seiner früheren Ehefrau zur Einkommensteuer für die Jahre 1976 und 1977, ohne daß die beiden Steuerpflichtigen zuvor ihr Wahlrecht nach § 26 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeübt hätten. Während des diesbezüglichen Klageverfahrens wählte der Kläger die getrennte Veranlagung. Das FA hob daraufhin seine Zusammenveranlagungen für die Jahre 1976 und 1977 auf; die Beteiligten erklärten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Nachdem die frühere Ehefrau des Klägers gegenüber dem FA am 28. Juni 1982 erklärt hatte, sie wähle für die Streitjahre die getrennte Veranlagung, veranlagte das FA den Kläger für die Streitjahre 1976, 1977 und 1980 getrennt zur Einkommensteuer.
Mit seiner dagegen gerichteten Klage begehrte der Kläger, unter Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 1976, 1977 und 1980 das FA zu verpflichten, ihn für die Streitjahre zusammen mit seiner früheren Ehefrau zur Einkommensteuer zu veranlagen und dabei die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG in voller Höhe zu berücksichtigen. Der begehrten Zusammenveranlagung könne die Wahl der getrennten Veranlagung durch seine frühere Ehefrau nicht entgegenstehen. Er habe sie vor dem Landgericht auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung verklagt. Ihr Antrag auf getrennte Veranlagung sei unwirksam, weil sie in den Streitjahren keine eigenen Einkünfte gehabt habe. Die erhöhten Absetzungen ständen ihm in voller Höhe zu.
Das Finanzgericht (FG) wies seine Klage mit der Begründung ab, für die Jahre 1976 und 1977 habe der Kläger sein Wahlrecht bereits während des Vorprozesses mit seinem damaligen Antrag auf getrennte Veranlagung ausgeübt. Außerdem stehe einer Zusammenveranlagung die Erklärung seiner früheren Ehefrau entgegen, getrennt veranlagt werden zu wollen. Diese Wahl sei nicht wirkungslos. Sie habe Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gehabt. Darüber hinaus habe es im Hinblick auf das Steuergeheimnis keine weiteren Feststellungen treffen können. Für die Gewährung weiterer erhöhter Absetzungen nach § 7 b EStG fehle es an einem Antrag des Klägers sowie an den notwendigen Nachweisen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des § 26 EStG. Entgegen der Auffassung des FG sei er an seine Wahl der getrennten Veranlagung während des Vorprozesses nicht gebunden gewesen. Diese Wahl sei sinnlos gewesen; außerdem habe er sie widerrufen, bevor noch seine frühere Ehefrau die getrennte Veranlagung gewählt habe. Deren Wahl der getrennten Veranlagung sei wirkungslos, weil sie keine eigenen Einkünfte gehabt habe. Ihm stünden die erhöhten Absetzungen in voller Höhe zu, weil er wirtschaftlicher Eigentümer des Zweifamilienhauses sei. Das FG habe ihm das rechtliche Gehör versagt, indem es seinen Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung ungerechtfertigt abgelehnt habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das angefochtene Urteil war aufzuheben, weil das FA rechtsfehlerhaft einen Anspruch des Klägers, mit seiner früheren Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt zu werden, verneint hat.
1. Ehegatten, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und bei denen diese Voraussetzungen zu Beginn des Veranlagungszeitraums vorgelegen haben oder im Laufe des Veranlagungszeitraums eingetreten sind, können zwischen getrennter Veranlagung (§ 26 a EStG) und Zusammenveranlagung (§ 26 b EStG) wählen (§ 26 Abs. 1 EStG). Das Gesetz gesteht jedem Ehegatten eine eigene Wahl der Veranlagungsart zu. Er kann seine Wahl bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids ausüben und innerhalb dieser Frist die getroffene Wahl grundsätzlich auch widerrufen. Dabei kann er sich von einer zunächst gemeinsam gewählten Veranlagungsart grundsätzlich auch wieder lösen. Ein Wechsel in der Wahl der Veranlagungsart ist nur dann unzulässig, wenn hierin ein rechtsmißbräuchliches, willkürliches Verhalten zu erblicken ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. August 1981 VI R 139/78, BFHE 134, 412, BStBl II 1982, 156).
Diesen Grundsätzen entspricht die vorstehende Entscheidung für die Jahre 1976 und 1977 nicht.
Der Kläger hatte allerdings im Vorprozeß für die Veranlagungszeiträume 1976 und 1977 die getrennte Veranlagung gewählt. Der Vorprozeß endete damit, daß das FA seine Zusammenveranlagungsbescheide für die Jahre 1976 und 1977 aufhob und die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten. Das FA erließ daraufhin getrennte Veranlagungen für den Kläger, die dieser mit der Begründung angefochten hat, er wähle nunmehr die Zusammenveranlagung.
Trotzdem kann der Kläger die getrennten Veranlagungen jetzt noch anfechten. In seiner im Vorprozeß erklärten Hauptsacheerledigung und damit zugleich auch abgegebenen Zustimmung zum Erlaß der Änderungsbescheide kann kein Rechtsmittelverzicht erblickt werden. Nach § 354 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) kann auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs erst nach Erlaß des Verwaltungsakts verzichtet werden.
Der Kläger hatte damit auch sein Wahlrecht nach § 26 Abs. 1 EStG - entgegen der Auffassung des FG - nicht bindend ausgeübt. Da er noch nicht bestandskräftig zur Einkommensteuer für die Streitjahre veranlagt worden ist, kann er seine frühere Wahl der getrennten Veranlagung grundsätzlich noch widerrufen und statt dessen die Zusammenveranlagung wählen. Sein Wechsel in der Wahl der Veranlagungsart ist nur dann unzulässig, wenn er als rechtsmißbräuchlich und wilkürlich zu werten ist. Ob dies nach den Gesamtumständen des Falles hier anzunehmen ist, kann der Senat mangels hinreichender Feststellungen des FG nicht entscheiden.
2. Darüber hinaus läßt sich nach den bisher vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen für alle drei Streitjahre 1976, 1977 und 1980 nicht beurteilen, ob dem Begehren des Klägers auf Zusammenveranlagung die von seiner früheren Ehefrau am 28. Juni 1982 dem FA erklärte Wahl der getrennten Veranlagung entgegensteht, wie das FG meint.
Bei widerstreitenden Anträgen der Eheleute ist der einseitige Antrag des einen Ehegatten auf getrennte Veranlagung dann unwirksam, wenn dieser selbst keine eigenen positiven oder negativen Einkünfte hat oder wenn diese so gering sind, daß sie weder zur Einkommensteuerveranlagung führen können noch einem Steuerabzug unterlegen haben. Der Antrag auf getrennte Veranlagung geht dann ins Leere, da er steuerlich und wirtschaftlich sinnlos ist (Urteil in BFHE 134, 412, BStBl II 1982, 156). Gegebenenfalls sind die Eheleute nach § 26 Abs. 3 EStG zusammen zu veranlagen, auch wenn dies nur einer der Ehegatten beantragt hat (BFH-Urteil vom 12. August 1977 VI R 61/75, BFHE 123, 172, BStBl II 1977, 870).
Aus dem angefochtenen Urteil läßt sich lediglich entnehmen, daß die frühere Ehefrau des Klägers zusammen mit ihm Einkünfte aus einem Zweifamilienhaus gehabt hatte. Von weiteren Feststellungen hat das FG im Hinblick auf das Steuergeheimnis abgesehen. Dabei hat es verkannt, daß der Kläger und seine frühere Ehefrau Gesamtschuldner i. S. von § 44 AO 1977 sind, sofern sie zusammen zu veranlagen sein sollten, weil die Wahl der getrennten Veranlagung durch seine frühere Ehefrau wirkungslos ist. Unter Gesamtschuldnern ist das Steuergeheimnis bedeutungslos (BFH-Urteil vom 8. März 1973 VI R 305/68, BFHE 109, 317, BStBl II 1973, 625).
3. Die Sache geht an das FG zurück, damit es die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen dazu nachholt, ob der Wechsel des Klägers in der Wahl seiner Veranlagungsart rechtsmißbräuchlich und willkürlich ist bzw. ob die Wahl der getrennten Veranlagung durch seine frühere Ehefrau wirkungslos ist.
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Fundstellen