Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpachtung eines Gewerbebetriebs oder Betriebsaufgabe: Erklärung des Steuerpflichtigen, Maßgeblichkeit eindeutiger tatsächlicher Umstände, Verpachtung eines besonders hergerichteten Drogeriegebäudes mit der Berechtigung des Pächters zum jederzeitigen Abbruch sowie zum Ankauf von den Erben des Verpächters - Unzulässigkeit einer Verständigung zwischen FA und Steuerpflichtigem über ein vom Gesetzestatbestand abweichendes Jahr zur Besteuerung eines Veräußerungsgewinns
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Gewerbebetrieb verpachtet, ergibt sich jedoch aus den tatsächlichen Umständen eindeutig, daß der Betrieb nicht nur vorübergehend, sondern endgültig aufgegeben wird, dann können der Abschluß des Pachtvertrags und die mangelnde Erklärung des Steuerpflichtigen, den Betrieb aufzugeben, allein nicht die Aufrechterhaltung des Betriebs bewirken.
Orientierungssatz
1. Betriebsverpachtung oder Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs.3 EStG: Nur in einer Situation, der objektiv nicht anzusehen ist, ob sie nur eine zeitlich begrenzte Einstellung oder die endgültige Aufgabe des Betriebs bedeutet, gibt die Erklärung des Steuerpflichtigen den Ausschlag für die steuerrechtliche Beurteilung. Ergibt sich aus den tatsächlichen Umständen und dem sonstigen Verhalten des Steuerpflichtigen, daß die endgültige Aufgabe des Betriebs von ihm auch gewollt ist, steht eine gegenteilige Erklärung mit seinem eigenen Verhalten im Widerspruch und kann auch aus diesem Grund keine Wirkung entfalten.
2. Ein Gewerbebetrieb ist trotz Verpachtung i.S. des § 16 Abs. 3 EStG aufgegeben, wenn nach Ende der Verpachtung für den Steuerpflichtigen oder seinen Rechtsnachfolger nicht mehr die Möglichkeit besteht, den Betrieb wiederaufzunehmen (im Streitfall zur Verpachtung eines für den Betrieb einer Drogerie besonders hergerichteten Gebäudes mit einem Parfümeriekeller und Ballonkeller: Betriebsaufgabe, weil der Pächter zum jederzeitigen Abriß des Gebäudes, zur Errichtung eines Neubaus und zur Verbindung mit einem eigenen Gebäude sowie zum Ankauf des Grundstücks zu einem festgelegten Preis von den Erben des Verpächters berechtigt war und der Verpächter bzw. seine Rechtsnachfolger somit nicht frei über die Fortsetzung des Betriebs entscheiden konnten).
3. Ein Veräußerungsgewinn gemäß § 16 Abs.1 EStG ist in dem Jahr zu versteuern, in dem die Voraussetzungen der Norm erfüllt werden. Eine Vereinbarung zwischen FA und Steuerpflichtigen, die sich darüber hinwegsetzt, ist mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung (§ 38 AO 1977) nicht vereinbar (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1984 VIII R 131/76). Ob der Senat der im BFH-Urteil vom 11. Januar 1963 VI 97/61 U vertretenen Ansicht folgen könnte, wonach eine Besteuerung abweichend von einer gesetzlichen Vorschrift nach Treu und Glauben ausnahmsweise möglich sein soll, kann offenbleiben.
Normenkette
AO 1977 § 38; BGB § 242; EStG § 16 Abs. 1, 3; GG Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) einen Aufgabegewinn versteuern müssen.
Der Vater der Kläger betrieb auf den Grundstücken A und B bis Anfang 1965 eine Drogerie. U.a. verkaufte er auch selbst hergestellte und entwickelte Produkte (ca. 30 Teesorten, Haar- und Gesichtswässer, Hautreinigungsmittel, verschiedene Kosmetika, Farben und Lösungsmittel). Für die Lagerung und Herstellung der Produkte waren besondere bauliche Vorrichtungen (z.B. der sogenannte Parfümerie- und Ballonkeller) vorhanden.
Der Vater stellte den Geschäftsbetrieb Anfang 1965 aus Altersgründen ein. Er schloß mit der X AG, die auf dem Nachbargrundstück ein Warenhaus betrieb, einen Vertrag, in dem er mit Wirkung vom 1. April 1965 seinen Geschäftsbetrieb einschließlich des Grundstücks mit allen seinen Bestandteilen verpachtete. Der Vertrag war zunächst (mit Fortsetzungsklausel) auf 15 Jahre vereinbart und wurde noch im April 1965 auf die Lebenszeit des Verpächters verlängert. Inventar und Warenlager wurden an die X AG veräußert (§ 4 des Vertrages). Die X AG war berechtigt, die auf dem Grundstück stehenden Baulichkeiten abzureißen und auf eigene Kosten einen Neubau zu errichten und ihn mit ihrem angrenzenden Warenhaus zu verbinden (§ 6). Der Vater oder dessen Rechtsnachfolger hatte bei Beendigung des Pachtverhältnisses das Recht, eine Trennung der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude von dem Warenhaus zu verlangen. Die X AG war ferner berechtigt, die Grundstücke nach dem Ableben des Vaters und seiner Ehefrau zum 10fachen der Jahrespacht zu erwerben.
Der Vater war der Ansicht, daß es sich hier um eine Betriebsverpachtung im ganzen handele. Sein Berater legte diese Rechtsauffassung am 25. März 1965 unter Hinweis insbesondere auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. November 1963 GrS 1/63 S (BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124) und den dazu ergangenen Ländererlaß vom 28. Dezember 1964 S 2151 - 10 - VB 1, S 2150 (BStBl II 1965, 5) dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) dar. Das FA schloß sich mit Schreiben vom 1. April 1965 "vorbehaltlich anderweitiger Auffassung der Rechtsprechung" und vorbehaltlich der Feststellung von Tatsachen, die von denen im Schreiben vom 25. März 1965 dargestellten abweichen, dieser Meinung an. Da die wesentliche Grundlage des Betriebs die Grundstücke darstellten, sei ihre Verpachtung an die X AG als Verpachtung des Betriebs im ganzen anzusehen. Die Veräußerung des Warenbestandes und des Inventars stünden dieser Behandlung nicht entgegen.
Der Vater und nach seinem Tod seine Ehefrau erklärten bis 1986 die Pachtzahlungen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die weiterhin erstellten Bilanzen weisen auf der Aktivseite lediglich den Grund und Boden und das Gebäude aus. In sämtlichen Steuererklärungen ist der Hinweis auf den "ruhenden Gewerbebetrieb" enthalten. Das FA veranlagte erklärungsgemäß.
Die X AG verband das Vordergebäude mit ihrem Warenhaus und riß baufällige Gebäude im hinteren Bereich der Grundstücke ab. Im Streitjahr 1988 übte die X AG ihr Ankaufsrecht aus und erwarb die Grundstücke von den Erben, den Klägern dieses Verfahrens.
Das FA ging zunächst davon aus, der Tod der Mutter im Jahre 1987 habe die Betriebsverpachtung beendet und zu einer Zwangsentnahme der Grundstücke geführt. Entsprechend erhöhte das FA die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um einen Entnahmegewinn von 2 050 391 DM (Veräußerungspreis abzüglich Bilanzwert). Die Erbengemeinschaft legte dagegen Einspruch ein mit der Begründung, die Betriebsaufgabe sei bereits 1965 erfolgt. Das Einspruchsverfahren ruht.
Das FA ist nunmehr der Auffassung, die Betriebsverpachtung sei durch die Veräußerung der Grundstücke im Jahre 1988 beendet worden. Im streitigen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung 1988 für die Kläger erfaßte das FA die Einkünfte nicht wie erklärt als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, sondern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb einschließlich des Veräußerungsgewinns in Höhe von 2 050 391 DM.
Nach vergeblichem Einspruch erhoben die Kläger Klage, der das Finanzgericht (FG) stattgab (Entscheidung der Finanzgerichte --EFG-- 1995, 810).
Die Kläger hätten im Streitjahr 1988 lediglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und nicht Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt und damit auch keinen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn i.S. des § 16 Abs. 1, 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verwirklicht. Die veräußerten Grundstücke hätten im Zeitpunkt der Veräußerung nicht mehr zu einem Betriebsvermögen gehört; sie seien bereits 1965 vom Vater der Kläger durch die Aufgabe seines Gewerbebetriebs in das Privatvermögen überführt worden.
Die Kläger seien auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, sich auf die Betriebsaufgabe im Jahre 1965 zu berufen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 16 Abs. 1 und 3 EStG sowie § 4 der Abgabenordnung (AO 1977).
Hinsichtlich des Merkmals "Fortführung eines Betriebs gleicher Branche durch den Pächter" sei für das Jahr 1965 zumindest von einer höchstrichterlich nicht geklärten, mithin für die Beteiligten zweifelhaften Rechtslage auszugehen.
Obwohl es sich bei der Vereinbarung 1965 nicht um eine tatsächliche Verständigung i.S. der Rechtsprechung handele, seien die Beteiligten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben daran gebunden. Es verstieße gegen das Verbot des "venire contra factum proprium", wenn die Kläger von einer Rechtsauffassung abrückten, die von ihrer Seite zunächst mit Nachdruck vertreten worden sei, die nicht offensichtlich rechtswidrig sei, und der das FA zugestimmt habe.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zu Recht angenommen, daß der Gewerbebetrieb des Vaters im Streitjahr 1988 i.S. des § 16 EStG weder aufgegeben noch veräußert worden ist. Ob im Streitjahr 1988 die Voraussetzungen des § 16 EStG gegeben sind, bestimmt sich nach der Rechtslage des Jahres 1988.
1. Danach ist im Fall der Verpachtung des Gewerbebetriebs § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG verwirklicht, wenn der Verpächter den Gewerbebetrieb veräußert. Die Kläger sind zwar mit dem Tode der Mutter in ihre Position als Verpächter eingerückt. Mit dem Verkauf der Grundstücke an die X AG haben sie aber keinen Gewerbebetrieb veräußert; dieser existierte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, die Grundstücke waren Privatvermögen der Kläger. Der Vater der Kläger hatte seinen Gewerbebetrieb (Drogerie) bereits 1965 mit der Verpachtung der Grundstücke an die X AG i.S. des § 16 Abs. 3 EStG aufgegeben.
Gegenstand des Pachtvertrages mit der X AG war zwar der "Geschäftsbetrieb". Der Vater der Kläger hat ferner die Aufgabe des Betriebs 1965 nicht ausdrücklich erklärt. Das genügt jedoch nicht, eine Betriebsverpachtung i.S. des BFH-Urteils in BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124 anzunehmen. Diese Entscheidung geht von einer Situation aus, der objektiv nicht anzusehen ist, ob sie nur eine zeitlich begrenzte Einstellung oder die endgültige Aufgabe des Betriebs bedeutet (ebenso BFH-Urteil vom 4. November 1965 IV 411/61 U, BFHE 84, 134, BStBl III 1966, 49). In dieser Situation gibt die Erklärung des Steuerpflichtigen den Ausschlag. Ergibt sich jedoch aus den tatsächlichen Umständen eindeutig, daß der Betrieb nicht nur vorübergehend, sondern endgültig aufgegeben wird, können der Abschluß des Pachtvertrags und die mangelnde Erklärung des Steuerpflichtigen, den Betrieb aufzugeben, allein nicht die Aufrechterhaltung des Betriebs bewirken. Das würde § 16 Abs. 3 EStG verletzen, denn die Aufgabe des Gewerbebetriebs i.S. dieser Vorschrift besteht nicht nur in einem Entschluß des Steuerpflichtigen, sondern auch in der tatsächlichen objektiven Beendigung und Abwicklung der gewerblichen Betätigung (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 90/81, BFHE 140, 526, BStBl II 1984, 474, zu III. 3. a; ferner Schmidt, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 16 Rz. 173). Ergibt sich zudem aus dem sonstigen Verhalten des Steuerpflichtigen, daß die endgültige Aufgabe des Betriebs von ihm auch gewollt ist, würde eine gegenteilige Erklärung mit seinem eigenen Verhalten im Widerspruch stehen und könnte auch aus diesem Grund keine Wirkung entfalten. Im Streitfall beendeten die Vereinbarungen des Vaters der Kläger mit der X AG nicht nur objektiv seine gewerbliche Betätigung, aus ihnen ergibt sich auch seine Absicht, sie weder selbst noch durch seine Rechtsnachfolger wiederaufzunehmen.
a) Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Gewerbebetrieb trotz Verpachtung i.S. des § 16 Abs. 3 EStG aufgegeben, wenn nach Ende der Verpachtung für den Steuerpflichtigen oder seinen Rechtsnachfolger nicht mehr die Möglichkeit besteht, den Betrieb wiederaufzunehmen (BFH-Urteile vom 27. Februar 1985 I R 235/80, BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456; vom 2. März 1995 IV R 52/94, BFH/NV 1996, 110). So ist es aber im Streitfall.
Gegenstand der Verpachtung waren zunächst nur die betrieblich genutzten Grundstücke. Das gesamte Inventar- und Warenlager wurden der X AG verkauft. In Ausnahmefällen hat der BFH allerdings eine Betriebsverpachtung auch dann bejaht, wenn nur die Grundstücke verpachtet waren, falls sie die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage darstellten (z.B. BFH-Urteile in BFHE 140, 526, 535, BStBl II 1984, 474 und in BFHE 84, 134, BStBl III 1966, 49; und Urteil vom 29. Oktober 1992 III R 5/92, BFH/NV 1993, 233; vgl. dagegen BFH-Urteil vom 22. Oktober 1992 III R 7/91, BFH/NV 1993, 358). Letzteres hat das FG hier u.a. deshalb bejaht, weil die Gebäude für den Betrieb der Drogerie besonders hergerichtet waren ("Parfümerie- und Ballonkeller"). Die Pächterin war jedoch berechtigt, diese Gebäude abzureißen, einen Neubau zu errichten und diesen mit dem angrenzenden Warenhaus zu verbinden. Unabhängig davon, ob und wann die X AG dies tat, war dem Vater der Kläger oder seinen Rechtsnachfolgern damit die Möglichkeit genommen, über die Fortsetzung des Betriebs frei entscheiden zu können. Diese Möglichkeit wird ferner dadurch ausgeschlossen, daß die X AG das Recht hatte, das Grundstück zu einem bestimmten Preis von den Erben des Vaters zu erwerben. Von der Möglichkeit, den verpachteten Betrieb wiederaufzunehmen, kann aber dann nicht die Rede sein, wenn die Entscheidung darüber nicht beim Steuerpflichtigen oder seinen Rechtsnachfolgern, sondern bei einem Dritten, hier dem Pächter, liegt.
Die Vereinbarungen mit der X AG sprechen im übrigen dafür, daß eine Wiederaufnahme des Betriebs weder durch den Vater noch einen Rechtsnachfolger gewollt war. Der Vater wollte ihn grundsätzlich nicht wiederaufnehmen, denn er stellte ihn Anfang 1965 "aus Altersgründen" ein, wie das FG festgestellt hat. Der Pachtvertrag war zudem auf die Lebenszeit des Vaters abgeschlossen. Hätte der Vater ferner erwogen, den Betrieb von seinen Rechtsnachfolgern wiederaufnehmen zu lassen, dann hätte er der X AG kein Ankaufsrecht an den verpachteten Grundstücken einräumen dürfen.
b) Für den Streitfall hat das FG schließlich festgestellt, daß die X AG (Pächterin) das Gebäude nicht zum Betrieb einer Drogerie genutzt hat, der verpachtete "Betrieb" also von 1965 bis 1988 nicht fortgesetzt worden ist. Ob nach einer so langen Unterbrechung noch eine Wiederaufnahme, d.h. eine Fortführung des ursprünglichen Betriebs möglich ist, läßt der Senat offen. Die Aufgabe des Betriebs gemäß § 16 Abs. 3 EStG im Jahre 1965 ergibt sich bereits aus dem oben Ausgeführten.
2. Das FA ist auch nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben berechtigt, einen Betriebsveräußerungsgewinn im Streitjahr 1988 zu versteuern.
a) Das FA bestreitet nicht, daß --jedenfalls nach der heutigen Rechtsauffassung zu § 16 Abs. 1 und 3 EStG und der Betriebsverpachtung-- mit dem Verkauf der Grundstücke im Streitjahr keine Betriebsveräußerung gemäß § 16 Abs. 1 EStG stattgefunden hat. Zu Unrecht geht das FA davon aus, daß es darauf nicht ankomme. Soll nämlich ein Veräußerungsgewinn im Streitjahr 1988 gemäß § 16 Abs. 1 EStG versteuert werden, müssen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 EStG auch im Streitjahr 1988 gegeben sein. Eine Vereinbarung zwischen FA und Steuerpflichtigen, die sich darüber hinwegsetzt, wäre mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) und der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung (§ 38 AO 1977) nicht vereinbar (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1984 VIII R 131/76, BFHE 142, 549, BStBl II 1985, 354).
b) Das FG ist auch zu Recht der Auffassung, daß eine sogenannte tatsächliche Verständigung i.S. dieses Urteils und der späteren Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteil vom 28. Juli 1993 XI R 68/92, BFH/NV 1994, 290) 1965 nicht stattgefunden hat. Den Beteiligten stellte sich lediglich die Rechtsfrage, ob mit der Verpachtung § 16 EStG verwirklicht wurde oder (noch) nicht.
c) Ob der Senat der im BFH-Urteil vom 11. Januar 1963 VI 97/61 U (BFHE 76, 489, BStBl III 1963, 180) vertretenen Ansicht folgen könnte, kann offenbleiben. Danach ist eine Besteuerung abweichend von einer gesetzlichen Vorschrift nach Treu und Glauben ausnahmsweise möglich. Voraussetzung ist, daß im Wege des gegenseitigen Nachgebens die Besteuerung eines rechtlich zweifelhaften Sachverhalts für einen überschaubaren (hier: fünf Jahre) Zeitraum festgelegt wird. Darum geht es im Streitfall jedoch nicht. Die damalige steuerrechtliche Würdigung der Verpachtung an die X AG 1965 ist nicht das Ergebnis einer Einigung und erst recht nicht unter gegenseitigem Nachgeben. Das FA wollte sich auch mit seiner Auskunft nur beschränkt binden: Einmal galt seine Zusage vorbehaltlich der Feststellung neuer Tatsachen und zum anderen vorbehaltlich einer abweichenden finanzgerichtlichen Entscheidung.
Fundstellen
Haufe-Index 66333 |
BFH/NV 1997, 468 |
BStBl II 1998, 373 |
BFHE 183, 413 |
BFHE 1998, 413 |
BB 1997, 2042 (Leitsatz) |
BB 1998, 29 |
DB 1997, 1056-1057 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1997, 1568-1569 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 830 (Leitsatz) |
DStZ 1997, 828 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1997, 904-905 (Leitsatz und Gründe) |
StE 1997, 623 (Leitsatz) |