Leitsatz (amtlich)
Wird der Nachprüfungsvorbehalt vom FA in der Einspruchsentscheidung aufgehoben, ist hiergegen die Klage, nicht ein erneuter Einspruch, als Rechtsbehelf gegeben.
Normenkette
AO 1977 § 164 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Sie gaben für das Streitjahr 1979 keine Einkommensteuererklärung ab und wurden deswegen im Wege der Schätzung veranlagt; der Steuerbescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Den Einspruch der Kläger wies der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zurück; in der Einspruchsentscheidung hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Hiergegen erhoben die Kläger wiederum Einspruch und legten nunmehr ihre Steuererklärung vor. Das FA verwarf den Einspruch als unzulässig.
Mit ihrer Klage zum Finanzgericht (FG) beantragten die Kläger, den Einkommensteuerbescheid 1979 sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Neuveranlagung nach Maßgabe der eingereichten Steuererklärung vorzunehmen. Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG vertrat in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 98 veröffentlichten Entscheidung die Auffassung, daß die Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts einer Steuerfestsetzung gleichstehe und damit für sich mit dem Einspruch angefochten werden könne. Es hob die neuerliche Einspruchsentscheidung auf, damit das FA nunmehr sachlich über die Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts entscheide. Dagegen lehnte es eine Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 1979 und der dazu früher ergangenen Einspruchsentscheidung ab, weil die Einspruchsentscheidung nicht mit der Klage angegriffen und deswegen bestandskräftig geworden sei.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA unzutreffende Anwendung der §§ 120, 164 der Abgabenordnung (AO 1977).
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Die Kläger hätten die den ursprünglichen Steuerbescheid abändernde Einspruchsentscheidung des FA mit der Klage, nicht aber mit dem Einspruch anfechten müssen; das FA hat diesen Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen, so daß die Klage hätte abgewiesen werden müssen.
Gegen einen durch die Einspruchsentscheidung bestätigten Steuerbescheid ist, wie sich auch aus den §§ 40, 44 FGO ergibt, die Anfechtungsklage, nicht aber erneut der Einspruch (§ 348 AO 1977) zulässig. Das gilt auch, wenn der Steuerbescheid durch die Einspruchsentscheidung inhaltlich verändert worden ist, wozu das FA nach § 367 Abs. 2 AO 1977 die Berechtigung hat. Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach § 44 Abs. 2 FGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.
Zum Inhalt des Steuerbescheids gehört auch die Entscheidung der Finanzbehörde, ob die Steuerfestsetzung gemäß § 164 AO 1977 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder vorbehaltlos ergeht. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 30. Oktober 1980 IV R 168-170/79 (BFHE 132, 5, BStBl II 1981, 150) ausgeführt, daß die Beifügung des Nachprüfungsvorbehalts eine unselbständige Nebenbestimmung zum Steuerbescheid darstellt, und daß der Steuerpflichtige sie nicht gesondert, sondern nur gemeinsam mit den übrigen Bestandteilen des Verwaltungsakts anfechten kann. Bestätigt die Einspruchsentscheidung eine Vorbehaltsfestsetzung des FA oder wird der Nachprüfungsvorbehalt zulässigerweise erstmals in die Einspruchsentscheidung aufgenommen (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Juni 1980 IV R 23/79, BFHE 130, 370, BStBl II 1980, 527), ist deshalb als Rechtsbehelf die Anfechtungsklage zum FG gegeben; die Entscheidung über die Aufnahme des Nachprüfungsvorbehalts ist Teil der Einspruchsentscheidung und nicht ein gesonderter Verwaltungsakt, der selbständig angefochten werden könnte.
Ebenso verhält es sich, wenn das FA den Steuerbescheid in der Einspruchsentscheidung für vorbehaltlos erklärt und damit den Nachprüfungsvorbehalt aufhebt; auch hiergegen bestehen keine verfahrensrechtlichen Bedenken (vgl. BFHE 130, 370, BStBl II 1980, 527). Diese Regelung bildet gleichfalls einen unselbständigen Teil der Einspruchsentscheidung und kann nicht gesondert mit dem Einspruch angefochten werden. Eine entsprechende Auffassung hat der BFH bereits in seinem Urteil vom 18. Dezember 1974 I R 14/74 (BFHE 115, 170, BStBl II 1975, 592) in einem Fall vertreten, in dem das FA einen bisher vorläufigen Steuerbescheid in der Einspruchsentscheidung gemäß § 225 der Reichsabgabenordnung (AO) für endgültig erklärt hatte. An dieser Rechtslage hat sich durch § 164 AO 1977 nichts geändert; insbesondere ergibt sich Gegenteiliges nicht aus § 164 Abs. 3 Satz 2 AO 1977, wie das FG fälschlich angenommen hat. Danach steht die Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; es ist also anzunehmen, daß die Steuerschuld ein zweites Mal, jedoch vorbehaltlos festgesetzt worden ist. Hiervon ist schon das BFH-Urteil vom 19. August 1969 VI R 261/67 (BFHE 96, 458, BStBl II 1970, 11) wiederum in einem Fall ausgegangen, in dem ein bisher vorläufiger Bescheid gemäß § 225 AO für endgültig erklärt wurde. Der Steuerpflichtige ist damit nicht auf die Anfechtung der Aufhebung des Vorbehalts beschränkt, sondern kann die vorbehaltlose Steuerfestsetzung in vollem Umfang angreifen. Die Bestimmung des § 164 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 trägt demnach gerade dem Umstand Rechnung, daß die Aufnahme des Nachprüfungsvorbehalts in den Steuerbescheid und demnach auch die Aufhebung des Vorbehalts keine selbständige Bedeutung hat und nur gemeinsam mit der Steuerfestsetzung angefochten werden kann. Demgemäß kann auch nicht angenommen werden, daß die Aufhebung des Vorbehalts in der Einspruchsentscheidung einen gesonderten, mit dem Einspruch anfechtbaren Verwaltungsakt darstellt. Parallel laufende Rechtsbehelfsverfahren gegen die Steuerfestsetzung, nämlich der Einspruch gegen die Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts und die Klage gegen die Höhe der Steuerfestsetzung kommen nicht in Betracht (vgl. BFHE 115, 170, BStBl II 1975, 592). Die durch die Einspruchsentscheidung für vorbehaltlos erklärte Steuerfestsetzung muß vielmehr mit der Klage als dem statthaften Rechtsbehelf angegriffen werden. Dies haben die Kläger versäumt. Ihr Rechtsbehelf kann nicht in eine Klage umgedeutet werden, da sie die Klageerhebung gegen die Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts in der Einspruchsschrift ihrer Steuerbevollmächtigten ausdrücklich abgelehnt haben.
Fundstellen
BStBl II 1984, 85 |
BFHE 1984, 135 |