Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Gesellschafters für die Umsatzsteuerschuld der Bauherrengemeinschaft
Leitsatz (NV)
Der Gesellschafter einer Bauherrengemeinschaft haftet für deren Umsatzsteuerschuld in vollem Umfang als Gesamtschuldner und nicht nur als Teilschuldner mit einer seinem Miteigentumsanteil entsprechenden Quote.
Normenkette
AO 1977 §§ 38, 191; BGB §§ 420-421, 427, 714
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nahm den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wegen der Umsatzsteuer einer inzwischen beendeten Bauherrengemeinschaft, an der der Kläger beteiligt war, gemäß § 191 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) i. V. m. §§ 421, 427 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als Haftungsschuldner in Anspruch. Das FA setzte in der Einspruchsentscheidung die Haftungssumme wegen zwischenzeitlich anderweitig erfolgter Zahlungen herab.
Das Finanzgericht (FG) gab der vom Kläger gegen den Haftungsbescheid erhobenen Klage insoweit statt, als das FA ihn für einen höheren Anteil an der noch offenen Umsatzsteuerschuld und den Säumniszuschlägen in Anspruch genommen hatte, als es dem Bruchteil in Höhe seines Miteigentumsanteils entsprach; es wies die Klage ab, soweit der Kläger wegen der Säumniszuschläge eine ersatzlose Aufhebung begehrt hatte. Das FG führte zur Begründung aus, daß die Gesellschafter einer Bauherrengemeinschaft nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) für die Verbindlichkeiten der Gemeinschaft nur als Teilschuldner gemäß § 420 BGB in Höhe ihrer jeweiligen Anteile haften und daß dies auch für die Umsatzsteuer gelten müsse. Diese Auslegung trage dem Umstand Rechnung, daß auf die Bauherrengemeinschaft die sonst geläufige Typisierung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als einer Gesamthandsgemeinschaft nicht passe. Der Kläger habe wie alle Gemeinschafter sowohl im Gesellschaftsvertrag als auch in der Vollmacht für den Baubetreuer, die dem FA spätestens seit . . . bekannt gewesen seien, klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß er nicht gemeinschaftlich am Rechtsverkehr teilnehmen wolle. Der als Baubetreuer fungierende Gesellschafter F habe ihn nur als Teilschuldner in Höhe seiner Miteigentumsquote verpflichten dürfen. Die Verträge mit den Bauhandwerkern seien tatsächlich diesen Bestimmungen gemäß durchgeführt worden. Zu einem anderen Ergebnis führe auch nicht die umsatzsteuerliche Betrachtung. Die Gesellschafter seien bereits Bruchteilseigentümer des Grund und Bodens gewesen. Die Bauherrengemeinschaft habe keine andere Funktion gehabt, als die jeden einzelnen Gesellschafter persönlich treffende Aufbauverpflichtung zu zentralisieren und damit zu ordnen. Ein von gemeinsamen Interessen getragenes Auftreten im Rechtsverkehr wie bei einer unternehmerisch tätigen, auf Gewinnerzielung ausgerichteten GbR, bei der die Gesellschafter auch am gemeinsam erwirtschafteten Erfolg partizipieren, lasse sich bei einer Bauherrengemeinschaft jedenfalls in der die Umsatzsteuer auslösenden Verrichtung nicht feststellen. Im vorliegenden Vertragswerk fehle jeglicher Hinweis auf einen Willen der Bauherren zur Bildung von gemeinschaftlichem Vermögen innerhalb der Bauherrengemeinschaft abweichend vom bürgerlich-rechtlichen Miteigentum. Dem entspreche die Feststellung der Großbetriebsprüfung, daß in der Buchführung der Bauherrengemeinschaft für jeden Bauherren jeweils ein eigenes Konto geführt worden sei. Die öffentlich-rechtliche Natur der Umsatzsteuer könne keinen Einfluß auf die Entscheidung haben. Die Schuld selbst treffe ausschließlich die Bauherrengemeinschaft, die Steuersubjekt sei. Es komme nicht darauf an, wofür gehaftet werde, sondern wie gehaftet werde. Dies bestimme sich aber nach Zivilrecht. Die Wirkung des § 191 AO 1977 bestehe allein darin, eine zivilrechtlich bestehende Haftung durch Verwaltungsakt geltend machen zu können.
Zur Begründung seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 421, 427, 420 BGB i. V. m. § 191 AO 1977 und trägt vor: Die als Außengesellschaft konzipierte Bauherrengemeinschaft unterliege im Umsatzsteuerrecht als Unternehmerin den allgemeinen Regeln eines Personenzusammenschlusses. Auch zivilrechtlich liege bei Bestehen einer Zweckgemeinschaft zwischen den Schuldnern bei einer teilbaren Leistung - wie bei der Umsatzsteuer - rechtliche Unteilbarkeit und damit eine Gesamtschuld vor. Ebenso wie die Gesellschafter auf Grund gemeinsamer Tatbestandsverwirklichung für die Vertragserfüllung gesamtschuldnerisch nach §§ 421, 427 BGB einzustehen hätten, müßten sie für die Umsatzsteuerschuld haften. Diese Rechtsauffassung habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinen Urteilen vom 23. Oktober 1985 VII R 187/82 (BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156) und vom 27. Juni 1989 VII R 100/86 (BFHE 158, 1, BStBl II 1989, 952) vertreten und hiervon weiche die Vorentscheidung ab.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Klage ist unter Aufhebung der Vorentscheidung auch, soweit diese der Klage stattgegeben hat, abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Vorentscheidung geht zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats davon aus, daß die Gesellschafter einer GbR für die Umsatzsteuerschulden der GbR nach den in §§ 421, 427 BGB zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken i. V. m. § 191 Abs. 1 AO 1977 persönlich und gesamtschuldnerisch haften (vgl. Senats-Urteile in BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156, und BFHE 158, 1, BStBl II 1989, 952; vom 27. März 1990 VII R 26/89, BFHE 161, 390, BStBl II 1990, 939). Auf diese Entscheidungen wird Bezug genommen.
2. Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG, daß die Gesellschafter einer Bauherrengemeinschaft für die Umsatzsteuerschulden der Bauherrengemeinschaft nur wie Teilschuldner i. S. v. § 420 BGB in Höhe des Bruchteils haften, zu dem sie Miteigentümer des Grund und Bodens sind. Vielmehr stehen dieselben Gründe, die gegen die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen bei Steuerschulden sprechen (vgl. Senatsurteil in BFHE 161, 390, BStBl II 1990, 939), auch der Annahme einer Teilschuld i. S. von § 420 BGB bezüglich der Umsatzsteuerschulden einer Bauherrengemeinschaft entgegen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des BGH.
a) Der Senat hat entschieden (Urteil in BFHE 161, 390, BStBl II 1990, 939), daß die Haftung der Gesellschafter einer GbR für Steuerschulden der Gesellschaft nicht durch Vereinbarungen der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden kann. Zur Begründung hat er angeführt, daß die zivilrechtlich nach § 714 BGB zulässige Beschränkung der Gesellschafterhaftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur solchen Gläubigern entgegengehalten werden könne, deren Ansprüche vertraglicher Natur seien und mit denen die Haftungsbeschränkung zum Inhalt des entsprechenden Rechtsgeschäfts gemacht worden sei. Sei die Haftungsbeschränkung nicht zum Inhalt des zwischen der Gesellschaft und einem Gläubiger abgeschlossenen Rechtsgeschäfts geworden, so bleibe es auch bei rechtsgeschäftlich begründeten Verbindlichkeiten bei der grundsätzlich unbeschränkten persönlichen Haftung der Gesellschafter. Der Steuergläubiger habe anders als ein zivilrechtlicher Gläubiger nicht die Möglichkeit, frei darüber zu entscheiden, ob er ein Steuerschuldverhältnis begründen wolle. Denn nach § 38 AO 1977 entstünden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht sei, an den das Gesetz die Leistungspflicht des Steuerschuldners knüpfe. Weder die GbR als Steuerpflichtige noch das FA hätten einen Einfluß darauf, ob ein Steuerschuldverhältnis entstehe. Deshalb hätten die Gesellschafter es - anders als bei Vertragsschuldverhältnissen - auch nicht in der Hand, die Haftung durch Abreden mit dem Steuergläubiger oder durch entsprechende Vollmachtserteilung an geschäftsführende Gesellschafter zu beschränken. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH haften die Wohnungseigentümer, die gemeinschaftlich eine Wohnungseigentumsanlage errichten, für die Herstellungskosten (Aufbauschulden) entgegen § 427 BGB in der Regel nicht gesamtschuldnerisch, sondern nur anteilig, gleichviel, worauf sich die jeweiligen Werkleistungen beziehen, welchen Umfang sie haben und wie begütert der einzelne Wohnungseigentümer ist (vgl. Urteile vom 18. Juni 1979 VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26, m. w. N.; vom 17. Januar 1980 VII ZR 42/78, BGHZ 76, 86, 90). Der BGH hat diese Auffassung mit der besonderen Interessenlage des Gesellschafters einer Bauherrengemeinschaft begründet, nach der das mit einer gesamtschuldnerischen Haftung verbundene Wagnis regelmäßig weit über das den einzelnen Wohnungseigentümern wirtschaftlich und sozial Zumutbare hinausgehen würde. Er hat ferner darauf abgestellt, daß diese Interessenlage für den Bauhandwerker auch erkennbar gewesen sei, er sich darauf habe einstellen und vernünftigerweise nichts anderes habe erwarten können (BGHZ 75, 26, 28). Es sei für den Bauhandwerker auch durchaus zumutbar, den Wohnungseigentümern die Teilschuldnerschaft zuzugestehen, also die von ihm erbrachten Werkleistungen so abzurechnen, als hätte er mit jedem einzelnen Wohnungseigentümer einen dessen Wohnungsanteil betreffenden Bauvertrag geschlossen. Soweit die Wohnungseigentümer demgegenüber für in ihrem Namen begründete Verwaltungsschulden mangels anderweitiger Vereinbarung als Gesamtschuldner haften, hält der BGH (BGHZ 75, 26, 30) dies für gerechtfertigt, weil die Gefahr, auf`s Ganze in Anspruch genommen zu werden, für die Wohnungseigentümer bei Verwaltungsschulden geringer und deshalb das damit verbundene Wagnis noch tragbar sei.
c) Die Argumente, die der BGH für die Annahme einer Teilschuldnerschaft gemäß § 420 BGB für die Gesellschafter einer Bauherrengemeinschaft bezüglich der Aufbauschulden anführt, sind auf das Steuerschuldverhältnis (§ 38 AO 1977) nicht übertragbar. Denn der BGH stellt entscheidend darauf ab, daß der Wille zur Haftungsbeschränkung für den jeweiligen Bauunternehmer erkennbar und zumutbar war. Diese Situation ist bei der Begründung des Steuerschuldverhältnisses nicht gegeben. Der entscheidungserhebliche Unterschied liegt allerdings nicht in der Erkennbarkeit des Willens zur Haftungsbeschränkung. Denn diesem Umstand könnte die jeweilige Bauherrengemeinschaft durch Übersendung eines Gesellschaftsvertrages an die Finanzbehörde Rechnung tragen. Ausschlaggebend ist vielmehr, daß der jeweilige Bauunternehmer die Möglichkeit hat, entweder ganz vom Vertrag Abstand zu nehmen oder den Vertrag so zu gestalten, daß er wegen seiner Forderungen ausreichend gesichert ist. Diese Möglichkeit besteht aber - worauf der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 161, 390, BStBl II 1990, 939, 941 hingewiesen hat - für den Gläubiger des Steuerschuldverhältnisses nicht. Die Umsatzsteuer entsteht gemäß § 13 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes kraft Gesetzes durch die Tatbestandsverwirklichung und ihr Inhalt unterliegt - anders als die den Leistungen oder Lieferungen zugrunde liegenden Schuldverhältnisse - nicht der Gestaltungsfreiheit der Beteiligten. Somit sind dieselben Gründe, die der Möglichkeit der Beschränkung der Gesellschafterhaftung auf das Gesellschaftsvermögen für die Steuerschulden entgegenstehen, auch gegen die Möglichkeit einer Beschränkung der Gesellschafterhaftung auf den eigenen Anteil i. S. von § 420 BGB anzuführen.
Fundstellen