Leitsatz (amtlich)
Auch außergewöhnlich hohe Aufwendungen für bürgerliche Kleidung und Kosmetika können grundsätzlich nicht zum Abzug als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten zugelassen werden, es sei denn, diese Aufwendungen lassen sich vom normalen Aufwand nach objektiven Maßstäben zuverlässig und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 12 Nr. 1 S. 2, § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Nr. 6
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als Schauspielerin und Fernsehansagerin tätig. Sie bezieht Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für die Streitjahre 1975 bis 1983 machte die Klägerin Aufwendungen für Kleidung (1975 bis 1980: je 4 000 DM; 1981: 29 374,61 DM; 1982: 20 968,50 DM; 1983: 32 854,92 DM) und für Kosmetika (1981: 6 340,26 DM; 1982: 6 797,43 DM; 1983: 5 539 DM) als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte die Berücksichtigung dieser Aufwendungen ab. Mit ihren Klagen hatte die Klägerin keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte aus, Aufwendungen für Kleidung und Kosmetika könnten als typische Kosten der privaten Lebensführung nicht als Betriebsausgaben bei der Ermittlung der Einkünfte aus freier Berufstätigkeit und auch nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden. § 12 Nr.1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verbiete grundsätzlich auch die Aufteilung dieser Aufwendungen und damit den Abzug des beruflich bedingten Teils als Betriebsausgaben oder Werbungskosten. Eine Ausnahme gelte --abgesehen von den Aufwendungen für typische Berufskleidung-- nur, wenn unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit die Versagung des Abzugs zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führe (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11.November 1976 IV R 3/73, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Einkommensteuergesetz -bis 1974-, § 12 Nr.1, Rechtsspruch 402). Eine solche Ausnahme liege hier nicht vor.
Mit den vom Senat zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die --gemäß § 73 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen-- Revisionen sind nicht begründet.
1. Gemäß § 12 Nr.1 Satz 2 EStG können Aufwendungen für Kleidung und Kosmetika als typische Kosten der privaten Lebensführung grundsätzlich weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten abgezogen werden. Dies gilt selbst dann, wenn die Kleidungsstücke und Kosmetika zum Teil oder nahezu ausschließlich bei der Berufsausübung gebraucht werden. Nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 19.Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, bestätigt im Beschluß vom 27.November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213) verbietet § 12 Nr.1 Satz 2 EStG grundsätzlich die Aufteilung von Aufwendungen für die private Lebensführung und damit den Abzug eines beruflich bedingten Teils als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten, es sei denn, daß objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung ermöglichen und der berufliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Aus Gründen steuerlicher Gerechtigkeit soll verhindert werden, daß Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewußt herbeigeführte Verbindung von beruflichen und privaten Erwägungen Aufwendungen für die Lebensführung nur deshalb zum Teil in einen einkommensteuerrechtlich relevanten Bereich verlagern können, weil sie einen Beruf haben, der ihnen dies ermöglicht, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus versteuerten Einkünften decken müssen. Darüber hinaus soll durch das Abzugs- und Aufteilungsverbot des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG im Interesse der steuerlichen Gerechtigkeit verhütet werden, daß solche Aufwendungen vom Steuerpflichtigen als durch seinen Beruf veranlaßt dargestellt werden, ohne daß das FA diese Angaben nachprüfen und die tatsächliche und private Veranlassung feststellen kann.
2. Über die vom Großen Senat (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) zugelassenen Ausnahmen hinaus hat der erkennende Senat im Urteil vom 11.November 1976 IV R 3/73 (a.a.O.) aus Gründen der Steuergerechtigkeit eine weitere Ausnahme vom Aufteilungs- und Abzugsverbot dann für erforderlich gehalten, wenn dessen Anwendung --im Falle von außergewöhnlich hohen Aufwendungen-- zu einer unzutreffenden Besteuerung führen würde. Danach ist der teilweise Abzug der Aufwendungen einer Sängerin für Kleidung, Friseur und Kosmetika als Betriebsausgaben zugelassen worden.
Im Urteil vom 7.Juni 1984 IV R 81/82 (StRK, EStG 1975, § 4 Abs.4, R.33a), das die Aufwendungen einer selbständigen Sängerin für Bekleidung betraf, hat der Senat allerdings ausdrücklich offengelassen, ob er an der im Urteil IV R 3/73 (a.a.O.) vertretenen Auffassung festhalten wolle. Im genannten Urteilsfall mußte der Abzug nämlich schon wegen des nicht ausreichenden Nachweises der Aufwendungen versagt werden.
Der Senat gibt nach erneuter Prüfung nunmehr seine im Urteil IV R 3/73 vertretene Auffassung auf, daß bei außergewöhnlich hohen Aufwendungen das Aufteilungs- und Abzugsverbot nicht gelten soll. Solche Aufwendungen könnten nur dann zum Abzug zugelassen werden, wenn die für das Aufteilungsverbot maßgeblichen Gründe in diesem Fall dem Abzug nicht entgegenstehen. Dies trifft indes nicht zu.
Unter welchen Voraussetzungen von außergewöhnlich hohen Aufwendungen in diesem Sinne gesprochen werden kann, hat das Urteil IV R 3/73 nicht näher ausgeführt. Es konnten nur solche Aufwendungen gemeint sein, die --gemessen am normalen Aufwand-- nach der allgemeinen Lebenserfahrung als besonders hoch empfunden werden. Allein der Umstand, daß --grundsätzlich vom Abzugsverbot betroffene-- Aufwendungen als besonders hoch empfunden werden, bedeutet noch nicht, daß vergleichbare Aufwendungen nicht auch bei anderen Steuerpflichtigen anfallen können, die diese aus versteuerten Einkünften decken müssen. Ebensowenig hindert ein solcher Umstand, daß die Aufwendungen vom Steuerpflichtigen als durch seinen Beruf veranlaßt dargestellt werden, möglicherweise aber --ohne daß dies überprüft werden könnte-- auch sonst in gleichem Umfang entstanden wären.
Auch für als außergewöhnlich hoch empfundene Aufwendungen kann somit --gerade aus Gründen der steuerlichen Gerechtigkeit-- ein Abzug als Werbungskosten bzw. als Betriebsausgaben nur dann zugelassen werden, wenn sie sich --den Grundsätzen des Beschlusses in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17 entsprechend-- vom normalen Aufwand nach objektiven Maßstäben zuverlässig und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lassen. Wie der Große Senat in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17 unter II. 5. seines Beschlusses auch ausdrücklich hervorgehoben hat, kann eine Ausdehnung der von ihm nur mit Bedenken zugelassenen Ausnahmen auf Fälle, in denen für eine Aufteilung keine objektiven, leicht nachprüfbaren Maßstäbe vorhanden sind, nicht gerechtfertigt werden.
Von dieser Rechtsauffassung ist auch das Urteil des BFH vom 24.Juli 1981 VI R 171/78 (BFHE 134, 29, BStBl II 1981, 781) ausgegangen. Danach können Mehraufwendungen wegen einer besonderen Beanspruchung der bei der Berufsausübung (im Urteilsfall der Arbeit mit Säuren) getragenen Kleidung nur dann zum Abzug zugelassen werden, wenn sich der berufliche Verschleiß vom normalen Kleidungsverschleiß nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen läßt. Ein Abzug unter dem Gesichtspunkt von außergewöhnlich hohen Aufwendungen ist im genannten Urteil nicht erwogen worden.
3. Die Entscheidung des FG steht im Einklang mit den dargelegten Grundsätzen.
Im Streitfall fehlt es an einem objektiven Maßstab, nach dem die Aufwendungen der Klägerin für Kleidung und Kosmetika vom normalen Aufwand zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgegrenzt werden könnten. Es ist nicht verständlich, inwiefern das --in diesem Zusammenhang von der Revision angeführte-- Bemühen um Verkauf gebrauchter Kleidung diese Anforderungen erfüllen soll. Die Klägerin hat sich dazu nicht näher geäußert und den genannten Umstand auch selbst ihrer Aufteilung nicht zugrunde gelegt. Die zuverlässige Aufteilung läßt sich aber auch nicht --wie von der Klägerin ebenfalls vorgeschlagen-- anhand der bei einer Frau in vergleichbaren Verhältnissen im Privatbereich üblichen Aufwendungen für Kleidung und Kosmetika erreichen. Das FG hat dazu zutreffend ausgeführt, die Aufwendungen für Kleidung wie für Kosmetika seien individuell verschieden. Deshalb läßt sich auch nicht ein bestimmter Normalaufwand für die Einkommensgruppe, der die Klägerin angehört, festlegen.
Da andere geeignete Aufteilungsmaßstäbe nicht ersichtlich sind und --wie dargelegt-- auch ein Abzug bei außergewöhnlich hohen Aufwendungen nicht in Betracht kommen kann, hat das FG den begehrten Abzug zu Recht versagt.
Fundstellen
Haufe-Index 62644 |
BFH/NV 1989, 50 |
BStBl II 1990, 49 |
BFHE 158, 221 |
BFHE 1990, 221 |
BB 1989, 2459-2460 (LT1) |
DB 1989, 2515-2516 (LT) |
DStR 1989, 745 (KT) |
HFR 1990, 71 (LT) |