Kein Betriebsausgabenabzug für bürgerliche Kleidung
Hintergrund: Aufwendungen für Kleidung als Betriebsausgaben
Die Kläger werden als Ehegatten für die Streitjahre 2008 bis 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war als selbständiger Trauerredner und Trauerbegleiter tätig. Die Klägerin war bis September 2008 als Trauerrednerin selbständig tätig. Danach war sie im Betrieb des Klägers als Angestellte nichtselbständig tätig. Die Klägerin machte im Streitjahr 2008 und der Kläger in allen Streitjahren bei der Gewinnermittlung Aufwendungen für die Anschaffung, Änderung, Reparatur und Reinigung von Kleidung (u.a. Anzüge, Hemden, Röcke, Kleider, Mäntel, Blusen, Pullover, Hosen, Jacken, Krawatten, Schals, Schuhe) als Betriebsausgaben geltend.
Im Anschluss an eine Außenprüfung gelangte das Finanzamt (FA) zu der Auffassung, dass die Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben abziehbar seien.
Einspruch und Klage waren erfolglos
Die gegen die Änderungsbescheide eingelegten Einsprüche hat das FA als unbegründet zurückgewiesen. Mit ihrer Klage, mit der sie (noch) die Hälfte der ursprünglichen Aufwendungen für Bekleidung als Betriebsausgaben geltend machten, hatten die Eheleute ebenfalls keinen Erfolg.
Entscheidung: Aufwendungen für Kleidung sind Aufwendungen für die Lebensführung
Der BFH bestätigt die Auffassung des FG. Aufwendungen für bürgerliche Kleidung sind danach als unverzichtbare Aufwendungen der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG abziehbar und nicht aufteilbar.
Unverzichtbare Aufwendungen für die Lebensführung sind keine Betriebsausgaben
Aufwendungen sind als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG abzuziehen, wenn sie durch die Einkünfteerzielung veranlasst sind. Eine solche Veranlassung ist jedoch nicht gegeben, wenn es sich um unverzichtbare Aufwendungen für die Lebensführung handelt.
Zwar ließen sich theoretisch auch Aufwendungen etwa für bürgerliche Kleidung, für eine Brille oder für eine Armbanduhr bei feststehender Arbeitszeit aufteilen. Derartige Aufwendungen sind aber, wenn sie nach den Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum als Sonderausgaben oder als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 und § 9 EStG entzogen, um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden. Insoweit scheidet eine Aufteilung der Aufwendungen in abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben einerseits und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung andererseits aus.
Keine typische Berufskleidung
Der Gesetzgeber hat in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG geregelt, dass Aufwendungen für typische Berufskleidung als Werbungskosten abziehbar sind. Die Vorschrift ist entsprechend im Rahmen des Betriebsausgabenabzugs anzuwenden. Vorliegend handelt es jedoch nicht um Aufwendungen für typische Berufskleidung, sondern für Kleidung, deren Benutzung als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt bzw. die gewöhnlich privat getragen werden kann.
Typische Berufskleidung umfasst daher nur Kleidungsstücke, die nach ihrer Beschaffenheit objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Nutzung bestimmt und geeignet und wegen der Eigenart des Berufs nötig sind bzw. bei denen die berufliche Verwendungsbestimmung bereits aus ihrer Beschaffenheit entweder durch ihre Unterscheidungsfunktion, wie z.B. bei Uniformen oder durch dauerhaft angebrachte Firmenembleme oder durch ihre Schutzfunktion ‑ wie bei Schutzanzügen, Arbeitsschuhen o.Ä. – folgt.
Ältere günstigere Rechtsprechung ist überholt
Soweit der BFH in älteren Entscheidungen auch bürgerliche Kleidung, die nach ihrer Beschaffenheit nicht nur nahezu ausschließlich beruflich, sondern vor allem auch privat genutzt werden konnte, als typische Berufskleidung angesehen hat (z.B. schwarzer Anzug eines Leichenbestatters; schwarzer Anzug und schwarze Hosen eines Oberkellners; schwarzer Anzug eines katholischen Geistlichen; schwarze Hose eines Kellners), ist diese Rechtsprechung aufgrund der Entscheidung des Großen Senats des BFH, die unmittelbar Auswirkung auf die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG hat, als überholt anzusehen.
Hinweise: Der BFH macht noch folgende Hinweise
- Aufwendungen für bürgerliche Kleidung führen selbst dann nicht zum Betriebsausgabenabzug, wenn diese Kleidung ausschließlich bei der Berufsausübung benutzt wird.
- Auch ein erhöhter, beruflich veranlasster Verschleiß von bürgerlicher Kleidung kann grundsätzlich nicht zu einem Betriebsausgabenabzug führen.
- Dies gilt ebenfalls, wenn die konkreten Kleidungsstücke ohne die beruflichen Gründe überhaupt nicht angeschafft worden wären.
Aufwendungen für die Kleidung der Ehefrau sind eventuell Betriebsausgaben
Bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG kommt aber ein Betriebsausgabenabzug als Arbeitgeber der angestellten Ehefrau für die ihr als Sachlohn zur Verfügung gestellte Kleidung gemäß § 4 Abs. 4 EStG in Betracht. Der geleistete Sachlohn ist grundsätzlich nur dann als Betriebsausgabe i.S. des § 4 Abs. 4 EStG anzuerkennen, wenn im Arbeitsvertrag eine klare und eindeutige Vereinbarung über die Überlassung der Kleidung getroffen wurde. Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen, das im zweiten Rechtsgang die erforderlichen Feststellungen noch treffen muss.
BFH Urteil vom 16.03.2022 - VIII R 33/18 (veröffentlicht am 23.06.2022)
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