Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung des Nutzungswerts einer Wohnung bei unentgeltlichem obligatorischen Wohnrecht - kein Werbungskostenabzug beim Eigentümer
Leitsatz (NV)
1. Wird bei Überlassung eines Hausgrundstücks durch die Mutter an den Sohn ein lebenslängliches unentgeltliches obligatorisches Wohnrecht für die Mutter an einer Wohnung eingeräumt, so ist der Nutzungswert dieser Wohnung der Mutter zuzurechnen (Anschluß an BFH-Urteil vom 16. 10. 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390).
2. Der Sohn kann seine auf die unentgeltlich überlassene Wohnung entfallenden Aufwendungen nicht als Werbungskosten abziehen (Anschluß an BFH-Urteile vom 7. 12. 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660 und vom 16. 10. 1984 IX R 71/84, BFHE 142, 443, BStBl II 1985, 154; Abweichung vom BFH-Urteil vom 29. 11. 1983 VIII R 184/83, BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371).
Normenkette
EStG §§ 9, 21 Abs. 2 Alt. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger erhielt mit notariellem Vertrag 1976 von seiner Mutter ein Hausgrundstück übertragen. Er räumte seiner Mutter gleichzeitig an der Wohnung im Erdgeschoß ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht ein, das nicht im Grundbuch eingetragen wurde. Das Finanzamt (FA) rechnete bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1978 den Nutzungswert dieser Wohnung dem Kläger zu. Die vom Kläger nach insoweit erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Das FG hat den Nutzungswert der von der Mutter des Klägers genutzten Wohnung zu Unrecht dem Kläger zugerechnet. Nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert einer dem Steuerpflichtigen ganz oder teilweise unentgeltlich überlassenen Wohnung. Diese Voraussetzungen sind auch dann erfüllt, wenn bei einer Grundstücksübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein obligatorisches Wohnrecht für den Übertragenden vereinbart wird. Denn auch dann liegt eine unentgeltliche Nutzung zu Wohnzwecken aufgrund einer gesicherten Rechtsposition vor; im einzelnen nimmt der Senat Bezug auf sein Urteil vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82 (BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390). Der Nutzungswert der strittigen Wohnung ist hiernach nicht dem Kläger, sondern seiner Mutter zuzurechnen.
Geht man hiervon aus, bedarf es noch der Klärung, ob in den vom FA anerkannten Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Aufwendungen des Klägers enthalten sind, die auf die von der Mutter genutzte Wohnung entfallen. Insoweit können vom Kläger mangels Einnahmeerzielung keine Werbungskosten geltend gemacht werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660, Ziff. 1b der Gründe, und das Urteil des erkennenden Senats vom 16. Oktober 1984 IX R 71/84, BFHE 142, 443, BStBl II 1985, 154). Soweit der VIII. Senat im Urteil vom 29. November 1983 VIII R 184/83 (BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371) bei unentgeltlicher Überlassung einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus den Eigentümer dennoch zum Abzug von Werbungskosten für berechtigt angesehen hat, folgt dem der erkennende Senat nicht. Es bedarf wegen dieser Abweichung keiner Anrufung des Großen Senats (§ 11 Abs. 3 FGO), weil die Zuständigkeit für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf den entscheidenden Senat übergegangen sind.
Der Abzug des Nutzungswerts als dauernde Last kommt nicht in Betracht, weil insoweit der Kläger nichts aufgewandt hat (vgl. das Urteil des erkennenden Senats vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84, BFHE 143, 317). Die Anerkennung einer dauernden Last in Höhe der laufenden Aufwendungen, die auf die von der Mutter genutzte Wohnung entfallen, setzt einen besonderen Verpflichtungsgrund voraus. Auch hierzu fehlen Feststellungen des FG, die es noch nachzuholen hat.
Ist das FG-Urteil bereits wegen Verletzung materiellen Rechts aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, so erübrigt sich eine Entscheidung über die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen.
Fundstellen
Haufe-Index 60769 |
BFH/NV 1986, 326 |