Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung
Leitsatz (NV)
Das Finanzamt ist befugt, jede erklärungspflichtige Person (§ 180 Abs. 2 AO 1977) zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufzufordern, ohne ein Auswahlermessen ausüben zu müssen.
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 2, 2 V
Tatbestand
Seit 1983 verkauften die Eigentümer des Grundstücks A einzelne Eigentumswohnungen dieses Objekts. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erfuhr durch eine Anfrage eines anderen FA, daß eine Eigentumswohnung des Objekts an einen Erwerber veräußert worden war. Das FA konnte der Mitteilung entnehmen, daß im Zuge der Veräußerung der Eigentumswohnung die Klägerin und Revisionbeklagte (Klägerin) zum Treuhänder bestellt worden war und in dieser Eigenschaft verschiedene Verträge mit Dritten abgeschlossen hatte, und zwar Verträge über die steuerliche Beratung und Betreuung, die Vermittlung der Fremdfinanzierung, die wirtschaftliche Betreuung und Finanzierungsvorbereitung, die Vermietungsvorbereitung sowie die Vermittlung des Verwaltervertrages.
Das FA nahm die Anfrage zum Anlaß, die Klägerin - eine Treuhand- und Geschäftsbesorgungs GmbH - mit Verfügung vom 28. August 1985 zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufzufordern.
Es teilte der Klägerin auf Anfrage mit, sie sei zur Abgabe der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte gemäß §§ 58, 60 der Einkommensteuer - Durchführungsverordnung (EStDV) i. V. m. § 34 der Abgabenordnung (AO 1977) verpflichtet. Erklärungspflichtig sei danach derjenige, der bei der Planung, Errichtung, Herstellung, Erhaltung, dem Erwerb, der Betreuung, Geschäftsführung oder Verwaltung des Gesamtobjekts für die Feststellungsbeteiligten handele oder ihnen verantwortlich sei. Da dies in der Regel der Initiator (Treuhänder) sei, habe man die Klägerin als Treuhänder des Erwerbermodells A zur Abgabe der Feststellungserklärung aufgefordert.
Die Beschwerde der Klägerin blieb erfolglos.
Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) - in Kenntnis des Senatsurteils vom 1. Dezember 1987 IX R 90/86 (BFHE 152, 17, BStBl II 1988, 319) unter Hinweis auf das eine andere Ansicht vertretende Urteil des FG vom 13. Januar 1988 II 331/87 - die Aufforderung des FA vom 28. August 1985 zur Abgabe einer Feststellungserklärung und die hierzu ergangene Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) vom 17. November 1987 auf.
Der von der OFD bestätigte Verwaltungsakt des FA sei rechtsfehlerhaft, weil er, die Anwendbarkeit der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO 1977 (VO) auf den vorliegenden Fall vorausgesetzt, ermessensfehlerhaft ergangen sei. Das FA habe bei der Bestimmung der Person, an die sich die Verwaltung als Erklärungspflichtigen halten wolle, sein Auswahlermessen nicht ausgeübt. Es genüge nicht, daß von der Verwaltung ausgeführt werde, die Klägerin gehöre zum Kreis der erklärungspflichtigen Personen, da nach den dem FA vorliegenden Verträgen es zumindest nicht abwegig erscheine, daß etwa auch der wirtschaftliche Betreuer als Erklärungspflichtiger i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 2 der VO in Betracht komme.
Das FG habe nicht darüber zu befinden brauchen, ob auch bei pflichtgemäßer Ermessensausübung ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts hätte ergehen können.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung begehrt wird.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung und zur Erleichterung des Besteuerungsverfahrens können Besteuerungsgrundlagen gesondert und für mehrere Personen einheitlich festgestellt werden (§ 180 Abs. 2 AO 1977).
Wie der Senat im Urteil in BFHE 152, 17, BStBl II 1988, 319 ausgeführt hat, ist die Neufassung des § 180 Abs. 2 AO 1977 durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 i. V. m. der dazu ergangenen Verordnung vom 19. Dezember 1986 (VO) in anhängigen gerichtlichen Verfahren auch für solche Feststellungszeiträume anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung liegen. § 3 dieser VO bestimmt, wer nach Aufforderung durch die Finanzbehörde zur Abgabe einer Erklärung zur gesonderten Feststellung durch die Finanzbehörden verpflichtet ist. Zu diesem Personenkreis gehören auch Treuhandunternehmen. Sie sind nach der gesetzlichen Neuregelung verpflichtet, Feststellungserklärungen für die von ihnen betreuten Ersterwerbergemeinschaften für diese Feststellungszeiträume abzugeben.
Die Vorinstanz ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, bei der Aufforderung zur Abgabe von Feststellungserklärungen an eine der in § 3 der VO aufgeführten Personen - im Streitfall ein Treuhandunternehmen - sei es erforderlich, daß die Finanzbehörde ein Auswahlermessen ausübe, sofern neben der aufgeforderten Person noch eine andere oder mehrere andere Personen zum Kreis der erklärungspflichtigen Personen gehören.
Erlegt das Gesetz einer Person eine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung auf, kann das FA von dieser Person die Abgabe der Steuererklärung verlangen, und zwar unabhängig davon, ob auch eine andere Person oder mehrere andere Personen aufgrund derselben oder anderer Vorschriften ebenfalls zur Abgabe der Erklärung verpflichtet sind oder sein könnten. Das Gesetz enthält nicht die Einschränkung hinsichtlich der Aufforderung zur Abgabe von Feststellungserklärungen, wie sie das FG angenommen hat. Es besteht insoweit grundsätzlich keine Pflicht, ein Auswahlermessen auszuüben. Einen Mißbrauchsfall hat die Vorinstanz selbst nicht für vorliegend erachtet. Die Finanzbehörden können grundsätzlich jede der in § 3 der VO genannten Personen zur Erklärungsabgabe auffordern.
Die FÄ sind gesetzlich verpflichtet, die Sachverhalte auf ihre steuerliche Bedeutsamkeit zu untersuchen. Diesem Ziel dienen u. a. die Möglichkeit der Finanzbehörde zur Abgabe von Feststellungserklärungen aufzufordern und die sich hieraus ergebenden Erklärungspflichten.
Der Finanzbehörde sollen damit u. a. die Tatsachen zugänglich gemacht werden, deren Würdigung erst die Entscheidung ermöglicht, ob es zweckmäßig ist, ein Verfahren der gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen durchzuführen oder nicht. Hierauf hat die OFD zutreffend hingewiesen (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. April 1985 IX R 178/83, BFH/NV 1986, 10, 11). Der Ausübung eines Auswahlermessens bedarf es insoweit nicht.
Selbst wenn man in der Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung bereits die Ausübung des Ermessens, ein Feststellungsverfahren durchzuführen, erblicken würde, besteht jedenfalls bei Verlustzuweisungsgesellschaften keine Verpflichtung des FA, im einzelnen darzulegen und zu begründen, warum es unter mehreren erklärungspflichtigen Personen die aufgeforderte Person ausgewählt hat. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil vom 7. August 1990 IX R 114/89, BFHE 162, 197, BStBl II 1991, 119.
Das FG ist überdies - unter Zugrundelegung seiner eigenen, wenn auch unzutreffenden Auffassung - zu Unrecht davon ausgegangen, das FA habe kein Ermessen ausgeübt. Die Finanzbehörden haben im vorliegenden Fall dargelegt, in welchen Sachverhaltselementen sie die Erklärungspflicht der Klägerin begründet sehen. Daraus ergibt sich die sachgerechte Erwägung, eine erklärungspflichtige Person in Anspruch nehmen zu wollen.
Der Senat vermag in der Sache selbst nicht zu entscheiden; denn das FG hat keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, ob die Klägerin zum Kreis der erklärungspflichtigen Personen (§ 180 Abs. 2 AO 1977 i. V. m. § 3 der VO) gehört.
Fundstellen