Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzungsverjährung; Ablaufhemmung; Absehen von Steuerfestsetzung nach §2 Abs. 1 StrbEG
Leitsatz (NV)
1. Die Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhangs ist für den Bereich der Steuerhinterziehung sowohl durch den BGH als auch durch den BFH aufgegeben worden (vgl. BGH-Beschluß vom 20. Juni 1994 -- 5 StR 595/93, BStBl II 1994, 673, und BFH-Urteil vom 22. Juni 1995 IV R 26/94, BFHE 177, 354, BStBl II 1995, 575).
2. Nach §1 Abs. 3 Nr. 1 StrbEG ist eine strafbefreiende Erklärung i. S. des §1 Abs. 1 StrbEG ausgeschlossen, wenn vor der strafbefreienden Erklärung ein Amtsträger der Finanzbehörde zur Prüfung der Einkommen- oder Vermögensteuer oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist. Unter "Erscheinen" im vorgenannten Sinne ist das Eintreffen des Amtsträgers (hier: Steuerfahndungsprüfers) am Ort der Amtshandlung zu verstehen. Der Amtsträger muß in einer Weise in die Sphäre des Steuerpflichtigen getreten sein, die diesem grundsätzlich ermöglicht, von dem Erscheinen des Amtsträgers Kenntnis zu nehmen. Nicht erforderlich ist hingegen, daß der Steuerpflichtige von diesem "Erscheinen" tatsächlich unmittelbar oder mittelbar Kenntnis erlangt. Als Ort des Erscheinens kommt nicht nur das befriedete Besitztum des Steuerpflichtigen, etwa dessen Wohnung oder Betriebsgebäude, sondern auch jede andere Stelle jedenfalls dann in Betracht, wenn sich dort die zu prüfenden Gegenstände und Geschäftsvorgänge aufgrund dem Steuerpflichtigen zurechenbarer organisatorischer Maßnahmen oder Weisungen befinden.
3. Die Anwendung des §2 Abs. 1 Satz 1 StrbEG setzt nach dessen eindeutigem Wortlaut das Vorliegen einer strafbefreienden Erklärung nach §1 Abs. 1 StrbEG voraus. Eine solche strafbefreiende Erklärung kommt nach dem ebenso eindeutigen Wortlaut des §1 Abs. 1 StrbEG nur für die Veranlagungszeiträume 1986 und 1987 bzw. für die Veranlagungszeiträume ab 1986 in Betracht und ist nach §1 Abs. 3 StrbEG ausgeschlossen, wenn einer der dort formulierten Ausschlußtatbestände eingreift.
Normenkette
AO 1977 § 169 Abs. 2, § 170 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 171 Abs. 5, 7; StrbEG § 1 Abs. 1, 3 Nrn. 1-3, § 2 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre zur Einkommensteuer und Vermögensteuer zusammen veranlagt werden. Der Kläger (Ehemann) ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater.
Am 3. Mai 1988 stellte die Zollstelle A fest, daß der Kläger Belege über Geldanlagen beider Kläger bei einer Luxemburger Bank in einer Höhe von etwa 300 000 DM bei sich führte. Die sofort verständigte Steuerfahndungsstelle B überprüfte diese Unterlagen und leitete nach telefonischer Mitteilung der bislang steuerlich erfaßten Kapitaleinkünfte und -vermögen ein Steuerstrafverfahren gegen den Kläger wegen Verdachts der Verkürzung von Einkommensteuer und Vermögensteuer ab dem 1. Januar 1985 bis einschließlich 1986 ein. Die vom Kläger freiwillig überlassenen Unterlagen leitete die Steuerfahndungsstelle B an die Steuerfahndungsstelle C weiter. Diese stellte die Bearbeitung des Falles "wegen anderer dringender Fälle" bis zum 10. Februar 1989 zurück. Mit Schreiben vom 10. Mai 1988 reichte der Kläger beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) eine berichtigte Aufstellung über die von den Klägern in ihrer 1987 abgegebenen Einkommensteuererklärung 1986 nur unvollständig angegebenen Kapitaleinnahmen in namhafter Höhe ein. Des weiteren reichten die Kläger am 27. Mai 1988 ihre Einkommensteuererklärung 1987 ein, in der ebenfalls hohe Kapitaleinkünfte beider Ehegatten deklariert wurden. Außerdem berichtigten sie am 16. Mai 1988 ihre im Jahr 1987 abgegebene Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1986 und gaben am 18. Juni 1988 erstmals eine Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1985 ab, in der erhebliches Kapitalvermögen deklariert wurde. Am 10. Februar 1989 wurde das Strafverfahren gegen den Kläger "wegen des Verdachts der Einkommen- und Vermögensteuerhinterziehung in noch nicht rechtsverjährter Zeit" erweitert. Das Steuerstrafverfahren wurde am 8. Januar 1991 nach Zahlung von 7 500 DM eingestellt.
Dem Ergebnis der Fahndungsprüfung folgend, rechnete das FA die Kapitaleinkünfte und das Kapitalvermögen beiden Klägern je zur Hälfte zu und erließ im Jahr 1989 entsprechende Einkommensteueränderungsbescheide für die Streitjahre 1977 bis 1984, Vermögensteueränderungsbescheide auf den 1. Januar 1977, 1. Januar 1980, 1. Januar 1983 und den 1. Januar 1984 sowie einen erstmaligen Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1985.
Mit der gegen den letztgenannten Bescheid vom Kläger und gegen alle übrigen Bescheide von den Klägern nach erfolglosen Einsprüchen erhobenen Klage machten die Kläger geltend, die Änderungsbescheide für 1977 seien bereits deswegen fehlerhaft, weil in den Zeitpunkten ihres Erlasses die Festsetzungsfristen (am 31. Dezember 1988) abgelaufen gewesen und Ablaufhemmungen nicht eingetreten seien. Im übrigen lägen -- außer für die Veranlagungszeiträume 1985 und 1986 -- die Voraussetzungen für ein Absehen von einer Steuerfestsetzung gemäß §2 des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen und von Kapitalvermögen -- StrbEG -- (BGBl I 1988, 1093, 1128) vor.
Während des Verfahrens vor dem Finanzgericht (FG) erließ das FA am 14. November 1991 (Einkommensteuer 1983 und 1984), 15. Januar 1992 (Einkommensteuer 1978 bis 1982) und am 12. Juni 1992 (Einkommensteuer 1977) Einkommensteueränderungsbescheide, die von den Klägern gemäß §68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden.
Das FG hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie beantragen, die Vorentscheidung und die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Kläger (Eheleute) ist insoweit begründet, als sie die Einkommensteuer 1977 sowie die Vermögensteuer 1977 und 1978 anbelangt. In bezug auf die Einkommensteuer 1978 bis 1984 und die Vermögensteuer 1979 bis 1984 wird die Revision der Kläger und in bezug auf den Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1985 wird die Revision des Klägers (Ehemann) als unbegründet zurückgewiesen.
1. Zur Revision der Kläger in bezug auf den Einkommensteueränderungsbescheid 1977
Insoweit führt die Revision zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheides. Im Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglich angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheids 1977 vom 11. August 1989 war die Festsetzungsfrist in bezug auf die Einkommensteuer 1977 bereits abgelaufen.
Die Kläger haben ihre Einkommensteuererklärung für 1977 im Jahr 1978 abgegeben. Die Festsetzungsfrist begann folglich mit Ablauf des Jahres 1978 (§170 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) und endete -- im Hinblick auf die hier gegebene Steuerhinterziehung durch den Kläger -- zehn Jahre später, d. h. mit Ablauf des Jahres 1988 (§169 Abs. 2 Satz 2, 1. Alternative AO 1977). Diese zehnjährige Festsetzungsfrist gilt auch zu Lasten der Klägerin, selbst wenn diese -- was offenbleiben kann -- als Mittäterin oder Teilnehmerin der Steuerhinterziehung nicht in Betracht kommt (vgl. §169 Abs. 2 letzter Satz AO 1977).
a) Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist im Streitfall nicht durch Maßnahmen i. S. von §171 Abs. 5 AO 1977 gehemmt worden. Zwar haben die Steuerfahndungsstellen B und C im Mai 1988 -- also noch während des Laufs der Festsetzungsfrist -- mit der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen begonnen (vgl. §171 Abs. 5 Satz 1, 1. Halbsatz AO 1977). Jedoch sind diese Ermittlungsmaßnahmen unmittelbar nach ihrem Beginn "wegen anderer dringender Fälle" -- also aus Gründen, die die Finanzbehörde zu vertreten hat (vgl. z. B. Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §171 AO 1977 Rdnr. 53) -- für die Dauer von mehr als sechs Monaten unterbrochen worden.
b) Entgegen der Ansicht des FG ist der Ablauf der Festsetzungsfrist im Streitfall auch nicht nach §171 Abs. 7 AO 1977 gehemmt worden. Nach dieser Vorschrift endet im hier gegebenen Fall der Steuerhinterziehung die Festsetzungsfrist nicht, "bevor die Verfolgung der Steuerstraftat ... verjährt ist". Die Strafverfolgung verjährt bei der Steuerhinterziehung nach §78 Abs. 3 Nr. 4 des Strafgesetzbuches (StGB) i. V. m. §369 Abs. 2 und §370 AO 1977 in fünf Jahren. Nach §78 a StGB beginnt die Verjährung, sobald die Tat beendet ist, d. h. grundsätzlich und auch hier mit der Bekanntgabe des jeweiligen Steuerbescheids an den Steuerpflichtigen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. Juni 1995 IV R 26/94, BFHE 177, 354, BStBl II 1995, 575, 576, li. Sp., m. w. N.).
Der ursprüngliche, auf den unvollständigen Angaben der Kläger in bezug auf ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen beruhende Einkommensteuerbescheid 1977 wurde den Klägern im Mai 1979 bekanntgegeben. Die Strafverfolgungsverjährungsfrist endete daher im Mai 1984, ohne daß zuvor ein Verjährungsunterbrechungstatbestand i. S. von §78 c StGB verwirklicht worden wäre.
Ein anderes Ergebnis kann entgegen der Annahme der Vorinstanz nicht damit begründet werden, daß die Hinterziehung der auf die nichterklärten Kapitaleinkünfte der Kläger entfallenden Einkommensteuer 1977 mit den entsprechenden Hinterziehungen der Einkommensteuer für die Folgejahre 1978 bis 1986 in einem Fortsetzungszusammenhang gestanden hätte. Zwar würde das Vorliegen eines Fortsetzungszusammenhangs dazu geführt haben, daß die Strafverfolgungsverjährung erst mit der Beendigung des letzten Handlungsteils begonnen hätte. Doch ist die Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhangs für den Bereich der Steuerhinterziehung inzwischen sowohl durch den Bundesgerichtshof (BGH) als auch durch den BFH aufgegeben worden (vgl. BGH-Beschluß vom 20. Juni 1994 5 StR 595/93, BStBl II 1994, 673; betreffend den vergleichbaren Fall des Betruges -- §263 StGB -- vgl. schon BGH-Beschluß vom 3. Mai 1994 GSSt 2 u. 3/93, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1994, 1663; BFH-Urteil in BFHE 177, 354, BStBl II 1995, 575). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 177, 354, BStBl II 1995, 575, unter I. der Gründe) an.
2. Zur Revision der Kläger in bezug auf den Vermögensteueränderungsbescheid auf den 1. Januar 1977
Insoweit führt die Revision zur teilweisen Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Vermögensteueränderungsbescheids. Der auf den Hauptveranlagungszeitpunkt "1. Januar 1977" ergangene Vermögensteueränderungsbescheid ist insoweit rechtswidrig, als er die Vermögensteuer 1977 und 1978 betrifft. Soweit er dagegen die Vermögensteuer 1979, also das letzte der drei Jahre des Hauptveranlagungszeitraums (vgl. §15 Abs. 1 des Vermögensteuergesetzes -- VStG -- 1977) betrifft, ist er rechtmäßig. Der angefochtene Bescheid ist daher mit Wirkung ab 1. Januar 1979 aufrechtzuerhalten (vgl. §15 Abs. 3 VStG 1977).
a) Soweit sich der angefochtene Vermögensteueränderungsbescheid auf die Vermögensteuer 1977 und 1978 bezieht, ist er aufzuheben, weil die entsprechenden Festsetzungsfristen im Zeitpunkt seines Erlasses (1989) bereits abgelaufen waren. Die Kläger haben ihre Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1977 noch im Jahre 1977 abgegeben. Die Frist zur Festsetzung der Vermögensteuer 1977 begann folglich mit Ablauf des Jahres 1977 (§170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977) und endete -- im Hinblick auf die hier gegebene Steuerhinterziehung zumindest durch den Kläger (vgl. oben II. 1., vor a) -- zehn Jahre später, d. h. mit Ablauf des Jahres 1987 (§169 Abs. 2 Satz 2, 1. Alternative AO 1977). Die Frist zur Festsetzung der Vermögensteuer 1978 begann mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §170 Abs. 4 AO 1977 bereits mit Ablauf des Jahres 1978 (§170 Abs. 1 AO 1977) und endete folglich mit Ablauf des Jahres 1988 (§169 Abs. 2 Satz 2, 1. Alternative AO 1977).
aa) Eine Ablaufhemmung nach §171 Abs. 5 AO 1977 konnte in bezug auf die Vermögensteuer 1977 schon deswegen nicht eintreten, weil die Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndungsstellen B und C erst im Mai 1988 und damit nach Ablauf der zehnjährigen Festsetzungsfrist am 31. Dezember 1987 einsetzten. Aber auch in bezug auf die Vermögensteuer 1978 vermochten die im Mai 1988 begonnenen Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndungsstellen wegen deren unmittelbar nach ihrem Beginn erfolgten, mehr als halbjährigen Unterbrechung den Ablauf der Festsetzungsfrist am 31. Dezember 1988 nicht zu hemmen (s. II 1. a).
bb) Entgegen der Auffassung des FG ist der Ablauf der Festsetzungsfristen in bezug auf die Vermögensteuer 1977 und 1978 auch nicht nach §171 Abs. 7 AO 1977 gehemmt worden. Wie bereits dargelegt (oben II. 1. b), beginnt die Verfolgungsverjährung gemäß §78 a StGB mit Beendigung der Tat. Diese Beendigung tritt bei den Veranlagungssteuern grundsätzlich mit der Bekanntgabe des betreffenden Steuerbescheids ein (oben II. 1. b). Ob das auch für den hier zu beurteilenden Vermögensteuerbescheid auf einen Hauptveranlagungszeitpunkt gilt, der die Steuer grundsätzlich für einen Dreijahreszeitraum (d. h. den gesamten Hauptveranlagungszeitraum) festsetzt, ist streitig, braucht indessen im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Geht man davon aus, daß es für den Beginn der Verfolgungsverjährungsfrist auch bei der Vermögensteuer auf die Bekanntgabe des Vermögensteuer(hauptveranlagungs)bescheids ankommt, so war die Verfolgungsverjährung in bezug auf die hinterzogene Vermögensteuer 1977 und 1978 bereits vor 1988 -- dem Jahr der Einleitung des Strafverfahrens -- eingetreten: Der ursprüngliche, auf den unvollständigen Angaben der Kläger beruhende Vermögensteuerbescheid auf den Hauptveranlagungszeitpunkt "1. Januar 1977" war den Klägern offenbar bereits im Jahr 1978 bekanntgegeben worden. Die (fünfjährige) Verfolgungsverjährungsfrist endete daher im Laufe des Jahres 1983.
Geht man hingegen mit der herrschenden Meinung (vgl. Urteil des Reichsgerichts -- RG -- vom 12. Februar 1937 1 D 331/36, RGSt 71, 59, 64; Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., §376 AO 1977 Rdnr. 25, m. w. N.) davon aus, daß bei der Vermögensteuer infolge ihrer Festsetzung für einen Mehrjahreszeitraum die Strafverfolgungsverjährung erst "mit dem Tag der letzten Zahlung für den Hauptveranlagungszeitraum" (d. h. mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit der letzten Vermögensteuerzahlung im Hauptfeststellungszeitraum) beginnt, so ist auch nach dieser Ansicht die Verfolgungsverjährungsfrist in bezug auf die Vermögensteuer 1977 und 1978 bereits vor 1988 abgelaufen. Die Verjährungsfrist begann diesfalls am 10. November 1979 und endete am 10. November 1984.
b) Soweit es hingegen die Vermögensteuer 1979 anbelangt, ist die Festsetzungsfrist bei Erlaß des angefochtenen Vermögensteueränderungsbescheids auf den 1. Januar 1977 am 14. August 1989 noch nicht abgelaufen gewesen. Die Frist zur Festsetzung der Vermögensteuer 1979 begann mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §170 Abs. 4 AO 1977 mit Ablauf des Jahres 1979 (§170 Abs. 1 AO 1977) und endete folglich mit Ablauf des Jahres 1989 (§169 Abs. 2 Satz 2, 1. Alternative AO 1977).
Der angefochtene Vermögensteueränderungsbescheid auf den 1. Januar 1977 ist insoweit entgegen der Auffassung der Revision auch nicht wegen Verstoßes gegen §2 Abs. 1 StrbEG rechtswidrig (unten II. 3. b).
3. Zur Revision der Kläger betreffend die Einkommensteueränderungsbescheide 1978 bis 1984, den Vermögensteueränderungsbescheid auf den 1. Januar 1977, soweit er die Vermögensteuer 1979 anbelangt, sowie betreffend die Vermögensteueränderungsbescheide auf den 1. Januar 1980, 1. Januar 1983 und 1. Januar 1984
a) In bezug auf die ursprünglich angefochtenen, während des FG-Verfahrens erneut geänderten Einkommensteueränderungsbescheide 1978 bis 1984 waren bei deren Erlaß im Jahre 1989 die Festsetzungsfristen noch nicht abgelaufen. Die Einkommensteuererklärung 1978 wurde von den Klägern im Jahre 1979 beim FA eingereicht. Die Festsetzungsfrist in bezug auf die Einkommensteuer 1978 begann demgemäß mit Ablauf des Jahres 1979 (§170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977) und endete zehn Jahre später, d. h. mit Ablauf des Jahres 1989 (§169 Abs. 2 Satz 2, 1. Alternative AO 1977). Die Festsetzungsfristen in bezug auf die Einkommensteuer 1979 bis 1984 endeten zu noch späteren Zeitpunkten.
Die zehnjährige Festsetzungsfrist in bezug auf die Vermögensteuer 1979 endete erst mit Ablauf des Jahres 1989 (oben II. 2. b). Die zehnjährigen Festsetzungsfristen bezüglich der Vermögensteuer 1980 bis 1984 endeten zu noch späteren Zeitpunkten.
b) Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Voraussetzungen für ein Absehen von der Steuerfestsetzung (§2 Abs. 1 Satz 1 StrbEG) weder in der Person des Klägers noch in der Person der Klägerin erfüllt waren.
§2 Abs. 1 Satz 1 StrbEG setzt die wirksame Abgabe einer strafbefreienden Erklärung nach §1 Abs. 1 StrbEG voraus. Eine solche ist im Streitfall nicht erfolgt. Zwar haben die Kläger innerhalb der in §1 Abs. 1 Satz 1 StrbEG statuierten Frist (am 27. Mai 1988) eine Einkommensteuererklärung für 1987 abgegeben, die zutreffende und vollständige Angaben über die Höhe der von ihnen erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen enthält. Auch hat zumindest der Kläger bereits am 10. Mai 1988 eine berichtigte Anlage KSO zur früher abgegebenen Einkommensteuererklärung 1986 beim FA eingereicht, in der die zuvor verschwiegenen Kapitaleinkünfte vollständig und richtig nachgemeldet wurden. Überdies haben die Kläger am 16. Mai 1988 ihre früher abgegebene Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1986 durch die Anzeige des bisher verschwiegenen Kapitalvermögens richtiggestellt.
Obwohl diese Erklärungen der Kläger -- für sich gesehen -- den Voraussetzungen des §1 Abs. 1 StrbEG genügen, entfalten sie dennoch keine strafbefreiende Wirkung, weil sowohl in der Person des Klägers als auch in der der Klägerin zumindest einer der Ausschlußtatbestände des §1 Abs. 3 StrbEG eingreift.
aa) In der Person des Klägers sind sämtliche der in §1 Abs. 3 StrbEG statuierten Ausschlußtatbestände erfüllt.
aaa) Nach §1 Abs. 3 Nr. 1 StrbEG ist eine strafbefreiende Erklärung i. S. des §1 Abs. 1 StrbEG ausgeschlossen, "wenn vor der strafbefreienden Erklärung ein Amtsträger der Finanzbehörde zur Prüfung der Einkommen- oder Vermögensteuer oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist; ... "
Der von der Zollstelle benachrichtigte Steuerfahndungsprüfer des FA B war ein Amtsträger in diesem Sinne. Er war am 3. Mai 1988 -- also bereits vor Abgabe der Erklärungen der Kläger i. S. von §1 Abs. 1 StrbEG -- beim Kläger sowohl zwecks Prüfung der Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer und Vermögensteuer (vgl. §208 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO 1977) als auch zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit (vgl. §208 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) erschienen.
Die Ermittlungen des Fahndungsprüfers bezogen sich eindeutig auch auf die Einkommensteuer und Vermögensteuer 1986. Unter "Erscheinen" im vorgenannten Sinne ist das Eintreffen am Ort der Amtshandlung zu verstehen (vgl. z. B. Kohlmann, Steuerstrafrecht, Kommentar, 6. Aufl., §371 AO 1977 Rdnr. 122, m. w. N.; den insoweit mit §1 Abs. 3 Nr. 1 StrbEG inhaltsgleichen §371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO 1977 betreffend). Der Amtsträger muß in einer Weise in die Sphäre des Steuerpflichtigen getreten sein, die diesem grundsätzlich ermöglicht, von dem Erscheinen des Amtsträgers Kenntnis zu nehmen (vgl. z. B. Engelhardt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., §371 AO 1977 Rdnr. 202). Nicht erforderlich ist hingegen, daß der Steuerpflichtige von diesem "Erscheinen" tatsächlich unmittelbar oder mittelbar Kenntnis erlangt (Schwarz/Dumke, Abgabenordnung, Kommentar, §371 Rdnr. 75). Als Ort des Erscheinens kommt nicht nur das befriedete Besitztum des Steuerpflichtigen, etwa dessen Wohnung oder Betriebsgebäude, sondern auch jede andere Stelle jedenfalls dann in Betracht, wenn sich dort die zu prüfenden Gegenstände und Geschäftsvorgänge aufgrund dem Steuerpflichtigen zurechenbarer organisatorischer Maßnahmen oder Weisungen befinden (Kohlmann, a.a.O., §371 AO 1977 Rdnr. 123; ferner schon Oberlandesgericht -- OLG -- Oldenburg, Urteil vom 16. Juni 1953 Ss 90/53, NJW 1953, 1847, 1848, zu §410 der Reichsabgabenordnung -- AO -- 1951).
Da der Kläger die von dem Steuerfahndungsbeamten des FA B überprüften Bankunterlagen bei sich führte, kam als Ort des Erscheinens i. S. von §1 Abs. 3 Nr. 1 StrbEG jeder Ort -- hier die Zollstelle A -- in Betracht, an dem der Fahndungsprüfer den Kläger mit den besagten Papieren antraf.
bbb) Gemäß §1 Abs. 3 Nr. 2 StrbEG ist eine strafbefreiende Erklärung auch dann ausgeschlossen, "wenn vor der ... Erklärung dem Täter ... die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen Hinterziehung oder leichtfertiger Verkürzung von Einkommen- oder Vermögensteuer bekanntgegeben worden ist ... "
Auch dieser Ausschlußtatbestand ist im Streitfall erfüllt. Noch am 3. Mai 1988 und damit vor Abgabe der Erklärungen der Kläger i. S. von §1 Abs. 1 StrbEG leitete der Steuerfahndungsprüfer des FA B gegen den Kläger gemäß §397 Abs. 1 AO 1977 ein Strafverfahren wegen Verdachts der "Verkürzung von Einkommen- und Vermögensteuer ab dem 1. 1. 1985 bis einschließlich Kj. 1986 ... " ein und gab dies dem Kläger (mündlich) bekannt.
ccc) Schließlich scheidet eine strafbefreiende Erklärung i. S. von §1 Abs. 1 StrbEG auch dann aus, "wenn die Tat im Zeitpunkt der ... Erklärung ganz oder teilweise bereits entdeckt war und der Täter dies wußte oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen mußte" (§1 Abs. 3 Nr. 3 StrbEG).
Auch dieser Ausschlußgrund liegt in bezug auf die Person des Klägers vor: Der Fahndungsprüfer des FA B erlangte bereits im Zuge seiner Ermittlungen am 3. Mai 1988 die Kenntnis von Umständen, welche bei vorläufiger Tatbewertung eine Verurteilung des Klägers wegen Einkommensteuer- und Vermögensteuerhinterziehung zumindest für 1986 wahrscheinlich werden ließen. Dem Kläger waren überdies infolge eigener Wahrnehmung bereits am selben Tag sämtliche Tatsachen bekanntgeworden, aufgrund derer er wußte oder zumindest -- zumal er als Steuerberater tätig war -- damit rechnen mußte, daß der Fahndungsprüfer die Tat entdeckt hatte.
bb) In bezug auf die Klägerin greift zumindest der Ausschlußtatbestand des §1 Abs. 3 Nr. 1 StrbEG ein.
Die vom Kläger zwecks Erledigung von Bankgeschäften in Luxemburg mitgeführten und von dem Steuerfahndungsbeamten an der Zollstelle A überprüften Unterlagen bezogen sich nicht nur auf den Kläger selbst. Sie betrafen vielmehr zur Hälfte auch Konten und Kapitalvermögen der Klägerin. Der Kläger tätigte die Bankgeschäfte sowohl für sich selbst als auch als Beauftragter (Vertreter) der Klägerin. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß er die Bankunterlagen während des Transportes, soweit sie die Klägerin betrafen, mit deren Wissen und Wollen aufbewahrte. Damit war aber der Steuerfahndungsbeamte, als er sich zur Sichtung der besagten Papiere an die Zollstelle A begab, auch bei der Klägerin "zur Prüfung der Einkommen- und Vermögensteuer ... " i. S. von §1 Abs. 3 Nr. 1 StrbEG "erschienen" (vgl. II. 3. b, aa).
Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß die Klägerin infolge ihrer räumlichen Distanz zu dem Geschehen vom 3. Mai 1988 zu dessen unmittelbarer Wahrnehmung nicht imstande war. Es genügt die grundsätzliche Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Steuerpflichtigen (vgl. II. 3. b, aa), die im Streitfall dadurch gewährleistet war, daß die Klägerin jederzeit durch ihren beauftragten Ehemann von dem Ereignis unterrichtet werden konnte.
Es mag dahinstehen, ob in der Person der Klägerin neben diesem Ausschlußtatbestand noch weitere Ausschlußgründe, namentlich solche i. S. von §1 Abs. 3 Nr. 1, 2. Alternative, Nr. 2 und/oder Nr. 3 StrbEG, vorlagen. Die gegen die Annahme des FG, in der Person der Klägerin liege auch der Ausschlußtatbestand des §1 Abs. 3 Nr. 3 StrbEG vor, gerichteten formellen und materiellen Revisionsrügen brauchen daher mangels deren Rechtserheblichkeit nicht beschieden zu werden.
cc) Die Revision verkennt zwar nicht, daß für die hier nicht im Streit befindlichen Veranlagungszeiträume 1986 und 1987 eine wirksame strafbefreiende Erklärung des Klägers i. S. von §1 Abs. 1 StrbEG infolge Eingreifens von Ausschlußtatbeständen i. S. von §1 Abs. 3 StrbEG nicht abgegeben wurde. Doch übersieht sie, daß damit zugleich die in §2 Abs. 1 StrbEG statuierten Voraussetzungen für ein Absehen von der Steuerfestsetzung für die hier streitigen Veranlagungszeiträume verneint sind.
aaa) Die Anwendung des §2 Abs. 1 Satz 1 StrbEG setzt nach dessen eindeutigem Wortlaut das Vorliegen "einer strafbefreienden Erklärung nach §1 Abs. 1" StrbEG voraus. Eine solche strafbefreiende Erklärung kommt nach dem ebenso eindeutigen Wortlaut des §1 Abs. 1 StrbEG nur für die Veranlagungszeiträume 1986 und 1987 bzw. für die Veranlagungszeiträume ab 1986 in Betracht und ist nach §1 Abs. 3 StrbEG ausgeschlossen, wenn einer der dort formulierten Ausschlußtatbestände eingreift.
bbb) Der Senat kann offenlassen, ob er der Revision darin folgen könnte, daß für Veranlagungszeiträume vor 1985 Ausschlußtatbestände i. S. von §1 Abs. 3 StrbEG nicht eingriffen. Selbst wenn dies zuträfe, würde das nichts daran ändern, daß das Vorliegen von Ausschlußtatbeständen i. S. von §1 Abs. 3 StrbEG allein für die Veranlagungszeiträume ab 1986 die Wirksamkeit der strafbefreienden Erklärungen der Kläger insgesamt beseitigte.
Für dieses Ergebnis spricht zunächst schon der insoweit unmißverständliche Wortlaut des Einleitungshalbsatzes des §1 Abs. 3 StrbEG, wonach bei Vorliegen eines der nachfolgend beschriebenen Ausschlußtatbestände eine strafbefreiende Erklärung "auch für zurückliegende Zeiträume" ausscheidet. Hätte der Gesetzgeber §1 Abs. 3 StrbEG im Sinne dessen Interpretation durch die Kläger verstanden wissen wollen, so hätte er dies etwa durch die Formulierung verdeutlicht, daß eine strafbefreiende Erklärung i. S. des §1 Abs. 1 StrbEG "insoweit" (bzw.: "für diejenigen Veranlagungszeiträume") ausgeschlossen sei, "als" (bzw.: "hinsichtlich derer") einer der unter den folgenden Ziffern 1 bis 3 beschriebenen Tatbestände verwirklicht worden sei.
Für das hier befürwortete Ergebnis spricht entscheidend auch der Sinn und Zweck des StrbEG. Das mit diesem Gesetz verfolgte Ziel lag darin, der seit langem bei der Besteuerung der Kapitaleinkünfte und des Kapitalvermögens bestehenden hohen Hinterziehungsquote ab dem Veranlagungszeitraum 1986 entgegenzuwirken und dadurch fortan -- ab 1986 -- ein höheres Steueraufkommen zu erzielen (vgl. z. B. Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, §§1 bis 3 ZStAmnG Tz. 1). Zur Erreichung dieses Ziels sollte den Steuerpflichtigen der "Weg in die Steuerehrlichkeit erleichtert werden" (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 197 f.; BRDrucks 100/88, S. 414), indem über die schon nach allgemeinem Recht unter den Voraussetzungen des §371 AO 1977 zu gewährende Ahndungsfreiheit bei Selbstanzeige der Einkommen- und Vermögensteuerhinterziehung für Veranlagungszeiträume ab 1986 hinaus zusätzliche Anreize zur vollständigen Erklärung der Kapitaleinkünfte und des Kapitalvermögens für Veranlagungszeiträume ab 1986 geschaffen werden sollten. Diese zusätzlichen Anreize bestanden darin, daß der Steuerpflichtige durch eine strafbefreiende Erklärung seiner Kapitaleinkünfte und seines Kapitalvermögens für die Veranlagungszeiträume ab 1986 i. S. von §1 StrbEG ohne weiteres -- d. h. ohne daß insoweit die Voraussetzungen des §371 AO 1977 vorliegen mußten -- auch für die Hinterziehung der Einkommensteuer und Vermögensteuer auf Kapitaleinkünfte und Kapitalvermögen für Veranlagungszeiträume vor 1986 Straffreiheit erlangte und darüber hinaus sogar von der (Nach-)Entrichtung der für die Zeiträume vor 1986 verkürzten Einkommen- und Vermögensteuer auf Kapitaleinkünfte und Kapitalvermögen entbunden wurde. Der Gesetzgeber hielt diesen zusätzlichen Anreiz insbesondere deswegen für geboten, weil der Steuerpflichtige mit der vollständigen Angabe der für die Veranlagungszeiträume ab 1986 maßgeblichen Kapitaleinkünfte und Kapitalvermögen "wegen der Kontinuität der Erwerbsgrundlage des deklarierten Kapitalvermögens zugleich die tatsächlichen Voraussetzungen einer früheren Steuerverkürzung (offenbare)" (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1991 2 BvL 3/89, BStBl II 1991, 652, 654, li. Sp.).
Der Gewährung derartiger Anreize bedurfte es für die Fälle nicht, in denen -- wie im Streitfall -- das vom Gesetzgeber intendierte Ziel der vollständigen Steuererhebung für Veranlagungszeiträume ab 1986 bereits ohne die Mitwirkung des Steuerpflichtigen erreicht wurde oder jedenfalls in greifbare Nähe gerückt war. Diese Fälle hat der Gesetzgeber in den Tatbeständen des §1 Abs. 3 Nrn. 1 bis 3 StrbEG typisiert sowie folgerichtig von der "strafbefreienden Erklärung" i. S. von §1 Abs. 1 StrbEG "auch für zurückliegende Zeiträume" ausgenommen und damit zugleich die Anwendung des §2 Abs. 1 StrbEG "für Veranlagungszeiträume vor 1986" versagt.
4. Aus den vorstehenden Gründen ist auch die Revision des Klägers betreffend die Vermögensteuer auf den 1. Januar 1985 als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen