Entscheidungsstichwort (Thema)
Umbau mehrerer in einem als Studentenwohnheim genutzten Gebäude belegene Zimmer zu einer Eigentumswohnung als Neuherstellung einer Wohnung i.S. des EigZulG
Leitsatz (amtlich)
1. Da das EigZulG die Vermögensbildung durch die Herstellung oder Anschaffung von eigengenutztem Wohneigentum und zugleich die eigene Wohnung als Bestandteil der privaten Altersvorsorge fördern soll, ist die Neuschaffung einer Wohnung, nicht die von Wohnraum maßgebend.
2. Werden die Wohnräume (je 12 qm oder 15 qm) einer Etage, ausgestattet mit einer Gemeinschaftsküche und einem Gemeinschaftsbad/WC, eines bisher als Studentenwohnheim genutzten Gebäudes insgesamt zu einer Eigentumswohnung umgebaut, wird durch die Baumaßnahmen eine Wohnung i.S. des EigZulG neu hergestellt.
Normenkette
EigZulG § 2 Abs. 1, § 2 S. 1, § 4 S. 1, § 9 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb mit notariellem Vertrag vom Dezember 1999 eine (noch im Umbau befindliche, zu erstellende) Eigentumswohnung im vierten Obergeschoss eines Wohngebäudes, die er nach Fertigstellung ab April 2000 selbst bewohnte und für die er Eigenheimzulage beantragte. Das Gebäude war in den Jahren 1975 und 1976 als Studentenwohnheim errichtet worden. Es bestand vor dem Umbau aus 65 einzelnen Wohnräumen mit einer Wohnfläche von je 12 qm oder 15 qm, die über einen gemeinsamen Flur erreichbar waren; jede Etage war mit einer Gemeinschaftsküche und einem Gemeinschaftsbad mit WC ausgestattet.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gewährte zunächst antragsgemäß ab 2000 einen Fördergrundbetrag in Höhe von 5 v.H. der Bemessungsgrundlage, höchstens 5 000 DM, zzgl. Kinderzulage für vier Kinder; der Bescheid erging hinsichtlich der Höhe der Eigenheimzulage vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Nach Eingang der Stellungnahme des Bausachverständigen (BSV), der zu dem Ergebnis gelangte, dass "durch die Umbaumaßnahme erstmalig Wohnungen entstanden" seien, erklärte das FA den Bescheid gemäß § 165 Abs. 2 AO 1977 für endgültig.
Mit Änderungsbescheid vom 1. Oktober 2002 setzte das FA die Eigenheimzulage für die Jahre ab 2002 neu fest und legte der Gewährung nur noch den reduzierten Fördergrundbetrag von 2 500 DM zugrunde. Die Änderung erfolge, da das FA die Stellungnahme des BSV seinerzeit falsch ausgewertet habe; dies stelle einen materiellen Fehler i.S. des § 11 Abs. 5 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) dar.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht --FG-- (Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2005, 931) vertrat die Ansicht, die Voraussetzungen für eine Neufestsetzung gemäß § 11 Abs. 5 EigZulG seien erfüllt, denn die vom Kläger erworbene Eigentumswohnung sei nicht (bautechnisch neu) hergestellt i.S. des § 2 Abs. 1 EigZulG. Die durchgeführten Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen reichten für eine (Neu-)Herstellung nicht aus.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1, § 11 Abs. 5 EigZulG).
Er beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil, den Änderungsbescheid über Eigenheimzulage ab 2002 vom 1. Oktober 2002 und die Einspruchsentscheidung vom 14. Januar 2003 aufzuheben.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Zwar seien die bisherigen Studentenzimmer keine Wohnungen (aber eben Wohnraum), auch lägen nach Durchführung der Umbaumaßnahmen nunmehr Wohnungen vor; indes sei entgegen dem Zweck des Eigenheimzulagengesetzes kein bautechnisch neuer, bisher nicht vorhandener Wohnraum geschaffen worden.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG dem Kläger nur die reduzierte Eigenheimzulage für die Anschaffung der Eigentumswohnung zugestanden; vielmehr kann der Kläger die ungekürzte Eigenheimzulage in Höhe von 5 000 DM (zzgl. der unstrittigen Kinderzulagen) beanspruchen, weil durch die Baumaßnahmen eine Wohnung im Sinne des Eigenheimzulagengesetzes neu hergestellt wurde.
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Satz 1 EigZulG ist die Herstellung oder Anschaffung einer selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus begünstigt. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EigZulG wird für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung jährlich ein Fördergrundbetrag in Höhe von 5 v.H. der Bemessungsgrundlage, höchstens 5 000 DM, gewährt; bei Anschaffung der Wohnung nach Ablauf des zweiten auf das Jahr der Herstellung folgenden Jah-res beträgt gemäß Satz 2 der Vorschrift der Fördergrundbetrag jährlich nur 2,5 v.H. der Bemessungsgrundlage, höchstens 2 500 DM.
a) Das Eigenheimzulagengesetz soll die Vermögensbildung durch die Herstellung oder Anschaffung von eigengenutztem Wohneigentum und zugleich die eigene Wohnung als Bestandteil der privaten Altersvorsorge fördern (vgl. BTDrucks 13/2235, S. 1, 14). Maßgebend ist daher --entgegen der Ansicht des FA-- das Neuschaffen einer Wohnung, nicht das von Wohnraum. Entsprechend bedeutet Herstellen einer Wohnung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) das Schaffen einer neuen, bisher nicht vorhandenen Wohnung (vgl. BFH-Urteile vom 15. Mai 2002 X R 36/99, BFH/NV 2002, 1158; vom 29. Januar 2003 III R 53/00, BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565; vom 20. November 2003 III R 14/03, BFH/NV 2004, 616; s.a. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 21. Dezember 2004, BStBl I 2005, 305, Rz. 10); darunter ist --neben der Zweitherstellung und der Wesensänderung jeweils vorhandener Wohnungen-- insbesondere die Neu- oder erstmalige Herstellung einer Wohnung zu verstehen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 23. November 2004 IX R 59/03, BFH/NV 2005, 543, unter II. 1. a).
b) Hingegen sind Baumaßnahmen an einer bereits bestehenden Wohnung in einem Gebäude nur dann als Herstellung einer Wohnung anzusehen, wenn die Baumaßnahmen einem Neubau gleichkommen, d.h. die Wohnung bautechnisch neu ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1158; in BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565; BFH/NV 2004, 616; s.a. BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 305, Rz. 10, 11). Auch umfangreiche Instandsetzungs-, Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen an der Wohnung führen dann ebenso wenig zur Neuherstellung wie eine sog. Generalüberholung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565; vom 5. Juni 2003 III R 49/01, BFH/NV 2003, 1400).
c) Ob eine Wohnung im Sinne des Eigenheimzulagengesetzes vorhanden ist, richtet sich nach dem Wohnungsbegriff des Bewertungsrechts (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. Oktober 2003 III B 59/03, BFH/NV 2004, 166; vom 6. April 2005 IX B 198/04, BFH/NV 2005, 1244; BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 305, Rz. 2). Danach ist eine Wohnung eine Zusammenfassung mehrerer Räume, in denen ein selbständiger Haushalt geführt werden kann; sie müssen nach außen abgeschlossen und es müssen wenigstens ein Bad oder eine Dusche und ein WC sowie eine Küche oder Kochgelegenheit vorhanden sein (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2004, 616; vom 27. Oktober 1998 X R 157/95, BFHE 187, 445, BStBl II 1999, 91, m.w.N.).
2. Diesen Grundsätzen entspricht die Vorentscheidung nicht; sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben; denn im Streitfall hat der Kläger eine neu hergestellte Eigentumswohnung angeschafft. Entsprechend liegt auch kein materieller Fehler vor, der die Anwendung des § 11 Abs. 5 EigZulG rechtfertigen würde.
Nach den tatsächlichen und den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hatten die Zimmer im vierten Obergeschoss des bisher als Studentenwohnheim genutzten Gebäudes eine Wohnfläche von je 12 m² oder 15 m². Sie waren ohne Kochgelegenheit und ohne sanitäre Anlagen (wie Bad/Dusche, WC) und stellten mithin keine Wohnung(en) dar (vgl. BFH-Urteile vom 2. April 1997 X R 141/94, BFHE 183, 104, BStBl II 1997, 611, zu § 10e des Einkommensteuergesetzes --EStG--; vom 11. Februar 1987 II R 210/83, BFHE 148, 486, BStBl II 1987, 306, zu § 5 Abs. 2 Grundsteuergesetz).
Hiernach kommt es entgegen der Ansicht des FG nicht darauf an, ob die durchgeführten Baumaßnahmen bautechnisch zu einem Neubau führten. Denn die Eigentumswohnung des Klägers ist als Wohnung erstmals --wenn auch unter Einbindung vorhandener Bausubstanz-- und damit neu hergestellt worden. Daher kann der Kläger den ungekürzten Fördergrundbetrag beanspruchen.
Fundstellen
Haufe-Index 1699684 |
BFH/NV 2007, 810 |
BStBl II 2007, 693 |
BFHE 2008, 467 |
BFHE 215, 467 |
BB 2007, 649 |
DB 2007, 615 |
DStRE 2007, 751 |
DStZ 2007, 264 |
HFR 2007, 436 |