Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen der steuerrechtlichen Anerkennung von partiarischen Dariehens- oder stillen Gesellschaftsverhältnissen zwischen Eltern und Kindern.
2. Für die Beurteilung, ob ein stilles Gesellschaftsverhältnis oder ein partiarisches Darlehensverhältnis vorliegt, können auch außerhalb eines schriftlichen Vertrags liegende Umstände von Bedeutung sein.
2. Gewinnabhängige Vergütungen für die Überlassung des Gebrauchs eines Kapitals (partiarisches Darlehen) sind nicht zu den Zinsen für Dauerschulden i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG zu rechnen, es sei denn, daß sich hinter der Vereinbarung der gewinnabhängigen Vergütung eine Vereinbarung über einen festen Zins verbirgt.
Normenkette
GewStG §§ 7, 8 Nrn. 1, 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die alleinige Erbin ihres 1976 verstorbenen Ehemannes. Dieser betrieb ein Hotel. Am 17. Mai 1973 schloß er mit seinen beiden Söhnen privatschriftliche Verträge über partiarische Darlehen. Danach stellten die Söhne M und P jeweils 30 000 DM, die ihnen am 15. Mai 1973 geschenkt worden waren, ihrem Vater als partiarische Darlehen zur Verfügung. Die gleichlautenden Verträge enthielten hinsichtlich der Gewinnbeteiligung und der Einwirkungsmöglichkeiten der Söhne folgende Bestimmungen:
"§ 2: Solange die Darlehensschuld besteht, erhält der Gläubiger eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 5 % des steuerlichen Jahresgewinns, jedoch höchstens 12 % des Darlehensbetrags. Die Gewinnbeteiligung ist dem Gläubiger innerhalb von drei Monaten nach Aufstellung des Jahresabschlusses auszuzahlen. Sofern der Maximalbetrag von 12 % des Darlehensbetrages nicht erreicht ist, hat der Gläubiger Anspruch auf Bucheinsicht im Sinne des § 166 des HGB. Der Gläubiger kann seine Gewinnbeteiligung ganz oder teilweise, wenn der Schuldner damit einverstanden ist, im Unternehmen stehen lassen. Der stehengelassene Betrag ist als Darlehen II in der Bilanz getrennt auszuweisen und mit 5 % zu verzinsen.
§ 3: Das Darlehen ist rückzahlungsfällig, wenn es von einem der Vertragsparteien gekündigt wird. Die Kündigung ist unter Einhaltung einer Frist von 12 Monaten jederzeit zulässig. Der Gläubiger nimmt nicht am Verlust des Unternehmens des Schuldners teil. Er kann keinen Einfluß auf die Geschäftsführung des Schuldners ausüben."
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurden in der Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 1973 7 002 DM Gewinnbeteiligung für die partiarischen Darlehen als Betriebsausgaben abgesetzt. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) im Gewerbesteuermeßbescheid 1973 dem erklärten Gewinn den genannten Betrag gemäß § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) als Dauerschuldzinsen hinzu. Einspruch und Klage, in denen der Steuerpflichtige und später die Klägerin die Rechtsauffassung vertraten, die auf ein partiarisches Darlehen zu zahlenden Gewinnanteile fielen nicht unter den Begriff der Zinsen aus Dauerschulden, hatten keinen Erfolg. Das Urteil des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 140 veröffentlicht.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der vom FG zugelassenen Revision. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die bisherigen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um den Streitfall abschließend beurteilen zu können.
1. Es hätte schon näherer Feststellungen in der Hinsicht bedurft, ob die als partiarische Darlehensverträge bezeichneten Vertragsverhältnisse zwischen dem Ehemann der Klägerin und den beiden Söhnen bürgerlichrechtlich wirksam zustande gekommen sind. In § 1 der Verträge wird ausgeführt, daß jeder der Söhne die ihm am 15. Mai 1973, also zwei Tage vor Abschluß des Darlehensvertrags, geschenkten 30 000 DM dem Vater als dem Inhaber des Hotels als "partiarisches Darlehen" zur Verfügung stellt. In dem Urteil des FG ist nichts über die näheren Umstände der erwähnten Schenkung enthalten. Es fehlen insbesondere Feststellungen, wer der Schenker war und wie die Geldbeträge von je 30 000 DM in das Vermögen der beiden Söhne gelangt sind, die sie zwei Tage später ihrem Vater zur Nutzung überlassen haben. Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Schenkung (15. Mai) und privatschriftlich abgeschlossenen Darlehensverträgen (17. Mai) läßt es möglich erscheinen, daß der Vater seinen Söhnen je 30 000 DM geschenkt hat und diese Beträge aus seinem Betriebsvermögen stammen. Schenkungen mit gleichzeitiger Vereinbarung von Darlehens- oder Gesellschaftsverhältnissen gehen unter nahen Angehörigen vielfach so vor sich, daß der Schenker den geschenkten Betrag im Wege der Umbuchung von seinem Kapitalkonto abbucht und auf einem Konto des Beschenkten gutbringt, ohne daß eine Geldbewegung stattgefunden hat. Derartige im Wege der Schenkung abgeschlossene Verträge - seien es Darlehensverträge oder Gesellschaftsverträge - bedürfen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - BGH - (Urteile vom 24. September 1952 II ZR 136/51, BGHZ 7, 174, 179, und vom 29. Oktober 1952 II ZR 16/52, BGHZ 7, 378) grundsätzlich der notariellen Beurkundung (§ 518 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Einer notariellen Beurkundung bedarf es dann nicht, wenn und soweit es sich um eine Zuwendung zum Zwecke der Ausstattung i. S. des § 1624 Abs. 1 BGB, die keine Schenkung ist, handelt (BGH-Urteil vom 6. März 1967 II ZR 180/65, Der Betrieb - DB - 1967, 1258).
Aus der Entscheidung des FG ergibt sich ferner nicht, ob die beiden Söhne zur Zeit der Schenkung und des Abschlusses der Darlehensverträge schon volljährig waren. Was bei Vertragsabschlüssen mit Minderjährigen zu beachten ist, ist in dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. Juni 1976 I R 140/75 (BFHE 120, 165, BStBl II 1977, 78) dargestellt.
Sollte sich die bürgerlich-rechtliche Unwirksamkeit des Vertragswerks ergeben, darf es auch steuerlich nicht anerkannt werden. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, Verträgen unter nahen Angehörigen die steuerliche Anerkennung zu versagen, wenn sie bürgerlich-rechtlich unwirksam sind (Urteil vom 19. September 1974 IV R 95/73, BFHE 113, 558, BStBl II 1975, 141, weiterhin BFHE 120, 165, BStBl II 1977, 78, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). In diesem Falle dürfen die streitigen Aufwendungen schon bei Ermittlung des Gewerbeertrags nicht abgezogen werden (§ 7 GewStG, § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).
2. Ergibt sich die bürgerlich-rechtliche Wirksamkeit des Vertragswerks mit den Söhnen, reicht der bisher festgestellte Sachverhalt für eine abschließende rechtliche Beurteilung, ob eine (typische) stille Gesellschaft - mit der Folge der Hinzurechnung der Gewinnanteile beim Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 3 GewStG - oder ob ein mit Gewinnbeteiligung ausgestattetes Darlehensverhältnis vorliegt, nicht aus. Diese Beurteilung ist vielfach nur unter Würdigung aller Umstände des Falles möglich (BFH-Urteil vom 10. Februar 1978 III R 115/76, BFHE 124, 374, BStBl II 1978, 256). Die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses durch die Parteien als partiarisches Darlehensverhältnis kann nur einen unverbindlichen Anhalt bieten. Ein sofort erkennbares Unterscheidungsmerkmal fehlt insbesondere dann, wenn für den Geldgeber eine Beteiligung am Verlust ausgeschlossen ist. In § 3 der Verträge ist ausdrücklich vereinbart, daß der Gläubiger nicht am Verlust des Unternehmens des Schuldners teilnimmt.
Den Söhnen ist in § 2 der Verträge ein Anspruch auf Bucheinsicht nach § 166 des Handelsgesetzbuches (HGB) eingeräumt worden, sofern der jährliche Auszahlungsbetrag 12 % nicht erreicht. Das in § 166 HGB einem Kommanditisten eingeräumte Bucheinsichtsrecht entspricht dem des stillen Gesellschafters in § 338 HGB. Ein Bucheinsichtsrecht ist für sich allein noch kein hinreichendes Merkmal für das Vorliegen einer stillen Gesellschaft. Auch ein Darlehensgläubiger kann sich ein vergleichbares Bucheinsichtsrecht ausbedingen. Die weitere Vereinbarung in § 3 der Verträge, daß der Gläubiger keinen Einfluß auf die Geschäftsführung des Schuldners hat, bietet ebenfalls kein Unterscheidungsmerkmal.
Lassen der Wortlaut des Vertrages oder andere aussagekräftige Anzeichen nicht den eindeutigen Willen der Vertragschließenden erkennen, ob ein stilles Gesellschaftsverhältnis oder ein Darlehensverhältnis gemeint war, ist nach der Entscheidung des BGH vom 9. Februar 1967 III ZR 226/64 (Betriebs-Berater - BB - 1967, 439) auf den grundsätzlichen Unterschied beider Vertragstypen abzustellen. Für das Vorliegen einer stillen Gesellschaft ist nach dieser Entscheidung maßgebend, ob die Beteiligten sich durch den Vertrag zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles verbunden haben und ihre schuldrechtlichen Beziehungen demgemäß ein gesellschaftsrechtliches Element in sich tragen oder ob die Beteiligten ohne jeden gemeinsamen Zweck lediglich ihre eigenen Interessen verfolgen und ihre Beziehungen zueinander ausschließlich durch die Verschiedenheit ihrer beiderseitigen Interessen bestimmt werden. Nach den Urteilen des BFH in BFHE 124, 374, BStBl II 1978, 256, und vom 21. Juni 1983 VIII R 237/80 (BFHE 138, 458, BStBl II 1983, 563) sind hierbei der Vertragszweck und die wirtschaftlichen Ziele der Parteien, ihre bisherigen persönlichen Beziehungen, die geplante Dauer des Vertragsverhältnisses, die Bereitschaft des Geldgebers zur Übernahme eines Risikos sowie das Interesse des Geschäftsinhabers an der Person des Geldgebers zu berücksichtigen. Für die Beurteilung, ob ein stilles Gesellschaftsverhältnis oder ein Darlehensverhältnis vorliegt, können demnach auch außerhalb des Wortlauts des Vertrags liegende Umstände von Bedeutung sein. Aus dem Urteil des FG ergibt sich nicht, welche weiteren wirtschaftlichen Beziehungen der Söhne zu ihrem Vater zur Zeit des Vertragsschlusses bestanden haben, ob sie insbesondere im Betrieb ihres Vaters mitgearbeitet und welche Position sie dort bekleidet haben.
3. Gelangt das FG aufgrund seiner Feststellungen zu dem Ergebnis, daß keine stillen Gesellschaftsverhältnisse vorliegen, sondern daß die Söhne ihrem Vater rechtswirksam und damit auch steuerlich wirksam Darlehen eingeräumt haben, kommt eine Hinzurechnung der den Söhnen gewährten Gewinnanteile zum Gewinn aus Gewerbebetrieb des Geschäftsinhabers nach § 8 Nr. 1 GewStG nur in Betracht, wenn es sich hierbei um Zinsen für Dauerschulden handelt.
Es bedarf keiner besonderen Ausführungen, daß Darlehen, die unter den Bedingungen der schriftlichen Verträge vom 17. Mai 1973 aufgenommen werden, zu den Dauerschulden gehören und bei der Gewerbesteuer nach dem Gewerbekapital dem maßgeblichen Einheitswert des Betriebsvermögens wieder hinzugerechnet werden müssen, soweit sie bei der Feststellung des Einheitswerts abgezogen worden sind (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG).
Was unter dem Begriff Zinsen zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht näher erläutert. Im Wirtschaftsleben wird mitunter unter Zins das Entgelt, und zwar in seinem gesamten Umfang, verstanden, das für die Gewährung eines Kredits gegeben werden muß (sog. Effektivzins). Hierauf stützt sich noch das BFH-Urteil vom 26. Juni 1963 I 351/60 U (BFHE 77, 188, BStBl III 1963, 386). Bürgerlich-rechtlich wird der Zinsbegriff aber enger aufgefaßt. In dem BFH-Urteil vom 23. Februar 1966 VI 209/63 (BFHE 86, 32, BStBl III 1966, 375) ist bei Entscheidung der Frage, ob ein Damnum zu den Zinsen i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG rechnet, auf den Zinsbegriff des bürgerlichen Rechts abgestellt worden. Dem ist die weitere Rechtsprechung gefolgt (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 29. Oktober 1974 I R 21/73, BFHE 114, 103, BStBl II 1975, 113). In der BFH-Entscheidung vom 4. März 1971 IV 318/65 (BFHE 102, 392, BStBl II 1971, 716) wird eine extensive Auslegung des Zinsbegriffs abgelehnt, zumal sich diese zuungunsten des Steuerpflichtigen ausgewirkt hätte; hätte der Gesetzgeber jegliche Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des Kapitals durch § 8 Nr. 1 GewStG erfassen wollen, hätte er diese Worte weiter gefaßt, so etwa das Wort "Zinsen" durch "Entgelte" ersetzt. Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung.
Nach dem auch für die Auslegung des § 8 Nr. 1 GewStG maßgeblichen Zinsbegriff des bürgerlichen Rechts sind Zinsen wiederkehrende Nutzungsvergütungen für die Überlassung des Gebrauchs eines Kapitals, die im voraus in einem Bruchteil dieses Kapitals und der Nutzungsdauer des Kapitals bemessen werden (BGH-Urteil vom 20. März 1953 V ZR 123/51, BB 1953, 339, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts). Nach der zuletzt genannten Entscheidung widerspricht es dem Begriff der Zinsen nicht, wenn die Höhe der zu leistenden Vergütung nicht ein für allemal feststeht, sondern sich nach bestimmten, möglicherweise wechselnden Umständen richtet, wie bei der Anpassung des Zinssatzes an den jeweiligen Diskontsatz. Dagegen hat es die Rechtsprechung ständig abgelehnt, andersgeartete Leistungen als Zinsen den für diese geltenden Vorschriften zu unterstellen, wie Gewinn- oder Umsatzbeteiligungen, die unabhängig von der Höhe der Kapitalleistung und ihrer Bedeutung für den Kapitalnehmer allein auf dem Erfolg beruhen, den der Kapitalnehmer erzielt (vgl. zuletzt BGH-Urteil vom 27. September 1982 II ZR 16/82, BGHZ 85, 61). Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Zinsen kommt es auch nach bürgerlichem Recht nicht an. Vielfach wird von Kreditgebühren, Teilzahlungsgebühren und dergleichen gesprochen, die aber ihrem materiellen Gehalt nach Zinsen darstellen; es ist auch nicht ausgeschlossen, daß in Vereinbarungen über die Nutzung von Kapital auch verschleierte Zinsvereinbarungen enthalten sein können (vgl. Canaris, Neue Juristische Wochenschrift 1978, 1891).
Hiernach sind gewinnabhängige Vergütungen für die Überlassung des Gebrauchs von Kapital (partiarische Darlehen) grundsätzlich nicht zu den Zinsen i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG zu rechnen. Ein (fester) Zins - im Sinn des bürgerlichen Rechts - wird sich bei Vereinbarung eines partiarischen Darlehens in Ausnahmefällen, und zwar nur dann ergeben, wenn eine Begrenzung des dem Gläubiger zustehenden Gewinnanteils auf einen Bruchteil des Kapitals (im Streitfall auf 12 % der Darlehensbeträge) vereinbart ist und die Vertragschließenden übereinstimmend davon ausgehen, daß eine Vergütung in Höhe dieses - gleichbleibenden - Betrags auf die Dauer der Kapitalüberlassung zu zahlen sein wird. Dann haben nämlich die Vertragschließenden die Vergütung nicht an den jeweiligen Erfolg des sich geschäftlich betätigenden Kapitalnehmers, sondern an die Höhe des zur Nutzung überlassenen Kapitals geknüpft, so daß sich - nimmt man als Beispiel den Begrenzungssatz des Streitfalls - eine Darlehensgewährung zu einem Zinssatz von 12 % ergibt.
Fundstellen
BStBl II 1984, 623 |
BFHE 1985, 158 |