Entscheidungsstichwort (Thema)
Versteuerung einer einmaligen Zuwendung an Finanzbeamtin anläßlich ihrer Diplomierung zur Betriebswirtin VWA
Leitsatz (NV)
1. Eine Zuwendung, die eine Beamtin des gehobenen Dienstes der Finanzverwaltung des Landes NRW anläßlich der Erlangung des Diploms einer Betriebswirtin VWA von ihrem Arbeitgeber erhält, ist nicht nach § 3 Nr. 11 oder Nr. 12 EStG steuerfrei.
2. Eine solche Zuwendung kann aber gemäß § 34 Abs. 3 EStG zum Zwecke der ESt-Veranlagung auf zurückliegende Veranlagungszeiträume zu verteilen sein.
Normenkette
EStG § 3 Nrn. 11-12, § 34 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war im Streitjahr 1974 als Beamtin im gehobenen Dienst der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen tätig. In den Vorjahren hatte sie an einer Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie studiert mit dem Abschlußziel einer Betriebswirtin VWA. Aufgrund des erfolgreichen Abschlusses und des Erwerbs des entsprechenden Diploms der genannten Akademie erhielt sie im Streitjahr eine einmalige Zuwendung in Höhe von 500 DM nach dem Runderlaß des Innenministers vom 14. März 1961 II A 2-25.36 - 223/61 (Sammlung des Vereinigten Ministerialblattes für das Land Nordrhein-Westfalen G. Nr. 2030 30).
Die Klage, mit der die Klägerin in erster Linie Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend machte und hilfsweise beantragte, den Betrag gemäß § 34 Abs. 3 EStG auf das Jahr 1970 und weiter hilfsweise, auf die Jahre 1970 und 1971 je zur Hälfte zu verteilen, hatte mit dem Hauptantrag Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 109 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus:
Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG lägen vor. Es handele sich um eine Aufwandsentschädigung im Sinne dieser Vorschrift; denn die Zuwendung sei dazu bestimmt, Aufwendungen abzugelten, die sonst als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar gewesen wären. Diese Zweckbestimmung ergebe sich aus dem genannten Runderlaß vom 14. März 1961. Nr. 5 des Erlasses sehe ausdrücklich vor, daß durch die Zuwendung ein Ausgleich für die neben den Fahrtkosten entstehenden Aufwendungen für höhere Gebühren und Fachliteratur gewährt werden solle. Diese Zweckbestimmung werde nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Zuwendung den Charakter eines Belohnungseffektes habe, soweit sie nur denjenigen zugute komme, die das Studium mit dem Erwerb des Diploms abschlössen. Nicht erforderlich sei auch, daß die Aufwandsentschädigung besoldungsrechtlich als solche festgestellt worden sei. Diese Voraussetzung sei in § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG enthalten, könne aber dem Wortlaut des Satzes 2 der Vorschrift nicht entnommen werden. Es bestehe deshalb kein Anlaß, die Voraussetzungen beider Vorschriften insoweit gleichzustellen; denn dann wäre eine unterschiedliche gesetzliche Regelung nicht erforderlich gewesen.
Die abgegoltenen Aufwendungen wären auch als Werbungskosten abziehbar gewesen. Denn es hätte sich insoweit um Fortbildungskosten gehandelt, da das Studium dazu gedient habe, in dem ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben. Ein Berufswechsel sei auszuschließen; denn der Erwerb eines Diploms an einer Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie sei nicht mit einem Hochschul- oder Fachschulabschluß vergleichbar.
Nicht entscheidend sei entgegen der Auffassung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) schließlich, daß es sich nicht unmittelbar um die Ausübung einer hoheitlichen Aufgabe gehandelt habe. Maßgeblich sei vielmehr, daß der Besuch der Akademie mit Kosten verbunden gewesen sei, die beruflichen Aufwand darstellten. Der berufliche Aufwand müsse als Einheit gesehen werden; die Frage eines zusätzlichen weiteren Zusammenhangs des Aufwands mit einer bestimmten Art der Betätigung im hoheitlichen oder nichthoheitlichen Bereich stelle sich mithin nicht.
Mit seiner Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung von § 19 Abs. 1, § 3 Nr. 12 EStG. Es führt im wesentlichen aus:
Zu Unrecht habe das FG die Voraussetzungen des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG bejaht. Aufwandsentschädigungen im Sinne dieser Vorschrift seien nur solche Zuwendungen, durch die ein unmittelbar durch den Dienst veranlaßter Aufwand abgegolten werde. Die der Klägerin durch den Besuch der Akademie und die Ablegung der Abschlußprüfung entstandenen Aufwendungen seien aber allenfalls mittelbar dienstliche Aufwendungen. Zwar sei der Besuch der Akademie seitens des öffentlich-rechtlichen Dienstherrn erwünscht. Um eine unmittelbare dienstliche Betätigung handele es sich dabei jedoch nicht.
Im übrigen könne der streitige Betrag auch dann nicht steuerfrei bleiben, wenn man eine Aufwandsentschädigung im vorerwähnten Sinne bejahen würde. Denn die Klägerin habe unstreitig im Jahre 1974 Werbungskosten für den Besuch der Verwaltungsakademie in Höhe von mehr als 500 DM geltend gemacht und zu Recht anerkannt bekommen. Da aber die Werbungskosten nicht um den Betrag von 500 DM gemindert worden seien und auch nicht gemindert werden könnten, würde eine entsprechende Steuerfreiheit zu einer doppelten Begünstigung führen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist vor dem Bundesfinanzhof (BFH) nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Zutreffend ist das FG stillschweigend davon ausgegangen, daß die streitige Zuwendung nicht etwa als ,,steuerfreies Gelegenheitsgeschenk" unversteuert bleiben kann. Wie der Senat im Urteil vom 22. März 1985 VI R 26/82 (BFHE 143, 539, BStBl II 1985, 641) ausgeführt hat, ist der Begriff des Gelegenheitsgeschenks nicht geeignet, die Annahme von steuerpflichtigem Arbeitslohn auszuschließen. Vielmehr ist eine Zuwendung sowohl in Form eines Geld- als auch eines Sachgeschenks immer dann durch das individuelle Dienstverhältnis veranlaßt und deshalb Arbeitslohn, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt wird, weil der Zuwendungsempfänger Arbeitnehmer dieses Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird, und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zuverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Der Senat hat deshalb in der vorerwähnten Entscheidung sog. Lehrabschlußprämien, die der Arbeitgeber an von ihm ausgebildete Arbeitnehmer in Höhe von 150 DM gezahlt hatte, als steuerpflichtigen Arbeitslohn behandelt. Nichts anderes gilt auch hier, da zwischen der Zuwendung von 500 DM und dem Dienstverhältnis der Klägerin ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Denn nach Ziff. 5 Satz 1 des vorerwähnten Runderlasses des Innenministers vom 14. März 1961 ist die Gewährung einer einmaligen Zuwendung in Höhe von 500 DM beim Erwerb eines dort erwähnten Diploms nur für Beamte und Angestellte des Landes Nordrhein-Westfalen vorgesehen.
Die streitige Zuwendung ist auch nicht nach § 3 EStG steuerfrei. Wie der BFH durch Urteil vom 24. August 1973 VI R 100/71 (BFHE 110, 272, BStBl II 1973, 819) entschieden hat, sind Beihilfen, die Beamte und Angestellte des Bayerischen Staates anläßlich der Ablegung der Abschlußprüfung an einer Verwaltungsakademie aufgrund einer Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen erhalten, nicht nach § 3 Nr. 11 oder § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei. In dem damaligen Fall, der eine Obersteuerinspektorin betraf, die aus dem vorerwähnten Anlaß eine Zuwendung von 300 DM erhalten hatte, führte der BFH aus, daß die Voraussetzungen des § 3 Nr. 11 EStG schon deshalb nicht erfüllt seien, weil es sich nicht um Berufsausbildung gehandelt habe. Vielmehr habe die Klägerin ihre Berufsausbildung bereits vorher abgeschlossen gehabt. Der Besuch der Verwaltungsakademie habe deshalb nicht der Ausbildung, sondern der Fortbildung der Klägerin gedient. Hieran hält der Senat auch für den vorliegenden Fall fest, der insoweit gegenüber dem damals entschiedenen keine Besonderheiten aufweist.
Wie der Senat in dem vorerwähnten Urteil ferner ausgeführt hat, kann eine Zuwendung der hier vorliegenden Art aber auch nicht nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei bleiben, weil sie nicht besoldungsrechtlich ,,als Aufwandsentschädigung" gezahlt worden ist. Dies hat auch das FG zutreffend erkannt.
Entgegen der Auffassung des FG sind aber auch die Voraussetzungen des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG nicht erfüllt. ,,Andere Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden", liegen nach der oben erwähnten BFH-Entscheidung nur dann vor, wenn sie einen unmittelbar durch den Dienst veranlaßten Aufwand abgelten sollen. Die durch den Besuch der Verwaltungsakademie und die Ablegung der Abschlußprüfung entstandenen Aufwendungen waren aber nicht unmittelbar, sondern allenfalls mittelbar durch den Dienst veranlaßt. Der Senat hat in dem vorerwähnten Urteil bereits darauf hingewiesen, daß eine Veranlassung in dem hier erforderlichen Sinne eine unmittelbare dienstliche Betätigung voraussetzt, die beim Besuch von Verwaltungsakademien durch Bedienstete der Finanzverwaltung nicht vorliegt, auch wenn dieser vom öffentlich-rechtlichen Dienstherrn erwünscht ist. Hieran hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest. Wenn der Gesetzeswortlaut auf Bezüge, die an ,,öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden", abstellt, so folgt daraus die unmittelbare Beziehung zur Leistung öffentlich-rechtlicher Dienste (vgl. auch Abschn. 13 Abs. 2 Satz 3 der Lohnsteuer-Richtlinien 1990); davon kann bei einem lediglich der Fortbildung dienenden Besuch einer Verwaltungsakademie keine Rede sein.
Die Vorentscheidung, die der Rechtsauffassung des Senats nicht entspricht, ist aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Klägerin hat hilfsweise beantragt, die Zuwendung gemäß § 34 Abs. 3 EStG zum Zwecke der Einkommensteuerveranlagung auf zurückliegende Veranlagungszeiträume zu verteilen. Das FG, das hierzu nach seiner Rechtsauffassung nicht Stellung zu nehmen brauchte, wird nunmehr die Voraussetzungen für eine rechnerische Verteilung zu prüfen haben. Dabei wird es auch zu beachten haben, daß Entlohnungen für eine mehrjährige Tätigkeit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer großzügig anzunehmen sind (Hinweis z. B. auf BFH-Urteil vom 10. Juni 1983 VI R 176/80, BFHE 138, 456, BStBl II 1983, 642).
Fundstellen
Haufe-Index 417007 |
BFH/NV 1991, 22 |