Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Erwerbers eines Unternehmens
Leitsatz (NV)
1. Für die Übereignung eines Unternehmens i. S. des § 116 Abs. 1 AO ist maßgebend, daß ein Rechtszustand geschaffen wird, der sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Übergang des Unternehmens vom Veräußerer auf den Erwerber darstellt. Dabei kommt es auf das tatsächliche Ergebnis und nicht auf die Frage an, ob eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung getroffen worden ist.
2. Zur Übereignung eines Unternehmens im ganzen ist erforderlich, daß die Gegenstände auf den Erwerber übergehen, die die wesentlichen Grundlagen des übereigneten Unternehmens waren und die geeignet sind, die wesentlichen Grundlagen für den Betrieb des Erwerbers zu bilden, und es dem Erwerber infolgedessen ermöglichen, das Unternehmen ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortzuführen.
3. Ob von dem Übertragungsvorgang die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens betroffen sind, ist grundsätzlich eine Frage tatsächlicher Art; an die dazu ergangenen Feststellungen des FG ist der BFH grundsätzlich gebunden.
4. Zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens gehört bei einem Einzelgeschäft i.d.R. der Warenbestand. Eine Ausnahme kommt dann in Betracht, wenn eine Lagerhaltung wegen der Art der Waren nicht möglich oder nicht üblich ist.
5. Zur Frage, ob die Übereignung eines lebenden Unternehmens vorliegen kann, wenn der Betrieb des Unternehmens bereits eingestellt war.
6. Ein Unternehmen hört auch aufgrund einer Überschuldung nicht ohne weiteres auf, ein lebendes Unternehmen zu sein, das fortgeführt werden kann.
7. Der Grund für die gesetzliche Regelung, den Erwerber eines Unternehmens für die betrieblichen Steuerschulden als Haftenden in Anspruch nehmen zu können, wird darin erblickt, daß er durch den Erwerb des Unternehmens in die Lage versetzt wird, die Gewinne oder sonstigen Vorteile zu erwirtschaften, aus denen die betrieblichen Steuerschulden zu bezahlen gewesen wären.
8. Zur Ausübung des Ermessens bei der Auswahl des Haftenden anstatt des Steuerschuldners.
Normenkette
AO § 116 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte von der Vermieterin B ein Grundstück und einen Lagerraum angemietet und betrieb darauf bis zum 31. Januar 1975 einen Großhandel mit Kartoffeln und einen Einzelhandel mit Obst, Gemüse, Kartoffeln, Blumen und Flaschenweinen. Der Warenverkauf fand in einer von ihm angeschafften Halle aus Kunftstoffolie statt, die auf dem angemieteten Grundstück steht. Der Ehemann meldete seinen Betrieb mit der Begründung ,,Einstellung" des Betriebes ab. Dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) teilte er auf dessen Anfrage im März 1976 mit, er habe seinen Betrieb ,,im ganzen" an die Klägerin veräußert.
Die Klägerin meldete zum 3. Februar 1975 einen Einzelhandel mit Obst, Gemüse, Kartoffeln, Blumen, Konserven und Weinen an. Diesen betrieb sie in der Folgezeit auf den von ihrem Ehemann angemieteten Liegenschaften und in der von diesem angeschafften Kunststoffhalle. Da diese Halle einem Gläubiger ihres Ehemannes wegen einer Verbindlichkeit in Höhe von 40 000 DM zur Sicherheit übereignet war, zahlte sie dem Gläubiger in der Zeit vom 1. Februar 1975 bis zum 31. Dezember 1976 auf die Verbindlichkeit 25 000 DM und erwarb dadurch die Halle. Außerdem schaffte sie am 26. Mai 1975 einen LKW an. Im Juni 1976 erfuhr die B von dem Betrieb des Einzelhandels auf ihrem Gelände durch die Klägerin und schloß mit ihr entsprechende Mietverträge - beginnend ab 1. Januar 1977.
Durch Bescheid vom 9. Oktober 1975 nahm das FA die Klägerin nach § 116 der Reichsabgabenordnung (AO) als Haftende für folgende rückständige Steuern ihres Ehemannes in Anspruch:
Umsatzsteuer
Juli bis Dezember 74 11 766,45 DM
Umsatzsteuer Januar 75 3 800,00 DM
Lohnsteuer 2. Quartal 74 1 022,21 DM
insgesamt 16 588,66 DM.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Die Klägerin legte mit folgender Begründung Revision ein:
Das Finanzgericht (FG) habe verkannt, daß § 116 AO eine sachbezogene, nämlich eine betriebs- oder unternehmensbezogene Haftung zum Gegenstand und infolgedessen den Übergang eines lebenden Unternehmens zur Voraussetzung habe. Aus den Entscheidungsgründen des FG ergäben sich ernsthafte Zweifel daran, daß ein lebendes Unternehmen auf die Klägerin übergegangen sei. Dagegen spreche, daß der Ehemann überschuldet gewesen, daß ein Warenlager - auch hinsichtlich der unverderblichen Ware - nicht übernommen und daß später ein LKW angeschafft worden sei. Das FG habe außerdem nicht ausreichend berücksichtigt, daß eine hier nicht gegebene positive Mitwirkung des Ehemannes der Klägerin bei deren Mietvertragsabschluß mit der B entscheidungserheblich sei. Die Feststellung, daß der Ehemann der Klägerin dieser einen Vertragsabschluß mit der B ermöglicht habe, finde im Tatbestand des angefochtenen Urteils keine Stütze. Das FG habe vielmehr den Vortrag der Klägerin hervorgehoben, nachdem sie nicht in die Mietverträge mit der B eingetreten sei, vielmehr neue Mietverträge abgeschlossen habe. Die Tatsache, daß die Klägerin ihren Betrieb auf einem Gelände ausübe, auf dem früher ein anderer Unternehmer seinen Betrieb geführt habe, lasse auch dann nicht die Schlußfolgerung zu, der frühere Unternehmer habe es durch positive Mitwirkung ermöglicht, daß die Klägerin ihren Betrieb auf demselben Gelände ausübe, wenn dieser frühere Unternehmer ihr Ehemann gewesen sei. Zu einer rechtserheblichen Mitwirkung reiche auch nicht aus, daß der Ehemann der Klägerin, wie das FG ausgeführt habe, mit dem Betrieb des Geschäfts in der Halle und mit dem Erwerb der Halle durch die Klägerin einverstanden gewesen sei. Auch insoweit hätte ein positives Mitwirken des Ehemannes vorliegen müssen.
Für die rückständige Lohnsteuer hafte zunächst der Ehemann der Klägerin, so daß dieser vor der Klägerin hätte in Anspruch genommen werden müssen. Die Klägerin sei neben ihrem Ehemann Gesamtschuldnerin gewesen. Infolgedessen sei dem FA hinsichtlich der Inanspruchnahme der Klägerin ein Ermessensspielraum eingeräumt worden. Von diesem Ermessen hätte das FA in einer ersichtlichen Form Gebrauch machen müssen, um die Nachprüfung zu ermöglichen, wie es zu seiner Entscheidung gelangt sei. Die dazu notwendige Darstellung einer Ermessensbetätigung ließen sowohl der Haftungsbescheid als auch die Einspruchsentscheidung vermissen.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil sowie den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben, hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß der angefochtene Haftungsbescheid rechtmäßig ist.
1. Die Feststellungen des FG rechtfertigen die Entscheidung, daß die Klägerin für die streitbefangenen Steuerschulden ihres Ehemannes nach § 116 Abs. 1 AO haftet, weil dieser ihr ein lebendes Unternehmen im ganzen übereignet hat.
a) Zwar enthalten die Ausführungen des FG keine Angaben darüber, wie die Übereignung erfolgt ist, ob insbesondere zur Übereignung des Unternehmens ein ausdrücklicher Vertrag geschlossen worden ist. Darauf kommt es aber auch nicht an. Maßgebend für die Übereignung eines Unternehmens i. S. des § 116 Abs. 1 AO ist, daß ein Zustand geschaffen wird, der sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Übergang des Unternehmens von dem Veräußerer auf den Erwerber darstellt. Dabei kommt es auf das tatsächliche Ergebnis und nicht auf die Frage an, ob eine entsprechende ausdrückliche vertragliche Regelung getroffen worden ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. August 1960 V 190/58, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 116, Rechtsspruch 11; vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 14. Januar 1930 V A 513/ 29, RStBl 1930, 130). Den Feststellungen des FG ist zu entnehmen, daß durch die Verhaltensweisen der Klägerin und ihres Ehemannes ein derartiger Zustand geschaffen worden ist und daß danach das Unternehmen des Ehemannes der Klägerin von diesem auf die Klägerin übereignet worden ist.
Zur Übereignung des Unternehmens im ganzen ist erforderlich, daß die Gegenstände auf den Erwerber übergehen, die die wesentlichen Grundlagen des übereigneten Unternehmens waren und die geeignet sind, die wesentlichen Grundlagen für den Betrieb des Erwerbers zu bilden (vgl. Urteil des BFH vom 20. Juli 1967 V 240/64, BFHE 89, 466, BStBl III 1967, 684), und es dem Erwerber infolgedessen ermöglichen, das Unternehmen fortzuführen (vgl. Urteil des BFH vom 20. April 1961 V 69/59, StRK, Reichsabgabenordnung, § 116, Rechtsspruch 14). Nach den Ausführungen des FG sind diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt. Danach gehörten zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens des Ehemannes die Nutzungsmöglichkeiten aus dessen Mietverträgen mit der B, die Kunststoffhalle und die Kundschaft. Den Übergang des Unternehmens hat das FG daraus entnommen, daß der Ehemann die Nutzung der Liegenschaften, die Gegenstand der Mietverträge mit der B waren, sowie den Betrieb des Geschäfts in der Kunststoffhalle der Klägerin gestattet und ihr dadurch die Möglichkeit eingeräumt hat, den Geschäftsbetrieb mit derselben Kundschaft fortzuführen, die zu den Grundlagen seines Unternehmens gehörte. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß das FG darin den Übergang des Unternehmens im ganzen erblickt hat. Bedenken dagegen können insbesondere nicht aus der Frage hergeleitet werden, ob von dem Übertragungsvorgang die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens betroffen worden sind. Ob das zutrifft, ist eine Frage tatsächlicher Art, so daß der erkennende Senat an die dazu ergangenen Feststellungen des FG gebunden ist.
Aufgrund der Ausführungen des FG kann auch nicht zweifelhaft sein, daß die genannten Grundlagen des Unternehmens der Klägerin unter Mitwirkung ihres Ehemannes übertragen worden sind. Nach den Ausführungen des FG beruht die Übertragung der genannten Grundlagen auf einer Gestattung durch den Ehemann. Die Voraussetzungen für eine rechtserhebliche Mitwirkung sind auch dann erfüllt, wenn dazu, wie die Klägerin meint, ein positives Tun erforderlich ist.
Ohne Bedeutung für die Übereignung des Unternehmens ist aufgrund der Feststellungen des FG, ob der Ehemann der Klägerin bei dem späteren Abschluß der Mietverträge zwischen ihr und der B zum 1. Januar 1977 mitgewirkt hat. Den Feststellungen des FG ist zu entnehmen, daß die Klägerin durch die Gestattung ihres Ehemannes schon vor Abschluß dieser Mietverträge in die Lage versetzt worden ist, den Geschäftsbetrieb fortzusetzen. Das FG hat dazu ausgeführt, die ,,Rechte" aus diesen Mietverträgen habe der Ehemann der Klägerin dadurch ,,übereignet", daß er ihr gestattet habe, ein Geschäft auf den gemieteten Grundstücksflächen zu betreiben. Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, daß nach den Feststellungen des FG zur Übertragung des Unternehmens auf die Klägerin der Abschluß von neuen Mietverträgen mit der B nicht erforderlich war. Ohne Bedeutung ist dabei, ob der Ehemann durch sein Verhalten gegen Pflichten aus den von ihm mit der B geschlossenen Mietverträgen verstoßen hat; denn maßgebend ist, wie dargelegt, allein der geschaffene tatsächliche Zustand. Nach den Feststellungen des FG kann nicht zweifelhaft sein, daß die Klägerin danach auch ohne Abschluß von Mietverträgen mit der B in die Lage versetzt worden ist, den Geschäftsbetrieb fortzuführen.
Nach den Feststellungen des FG ist es für die Übereignung des Unternehmens im ganzen im Streitfall auch unschädlich, daß die Klägerin von ihrem Ehemann keine Waren übernommen hat. Zwar wird bei einem Einzelhandelsgeschäft in der Regel auch der Warenbestand zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens gehören (vgl. Urteil des BFH vom 8. Juni 1961 V 23/59, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1962, 57). Das kann jedoch, wie das FG rechtsfehlerfrei entschieden hat, nicht ausnahmslos und vor allem dann nicht gelten, wenn eine Lagerhaltung wegen der Art der Waren nicht möglich oder nicht üblich ist. Das FG hat für den erkennenden Senat als Revisionsgericht verbindlich festgestellt, daß diese Voraussetzungen im Streitfall vorliegen.
Als Voraussetzung für die Übereignung eines Unternehmens im ganzen wird auch gefordert, daß der Erwerber das Unternehmen ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortführen kann (vgl. Urteil des BFH vom 28. November 1973 I R 129/71, BFHE 111, 17, BStBl II 1974, 145). Den Feststellungen des FG ist zu entnehmen, daß auch diese Voraussetzung, für deren Vorliegen es ausschließlich auf den Zeitpunkt der Übereignung ankommt, erfüllt gewesen ist. Denn danach hat die Klägerin das Unternehmen vom Zeitpunkt der Übertragung an ohne besondere finanzielle Aufwendungen fortgeführt.
Dagegen spricht nicht, daß die Klägerin in der Zeit vom 1. Februar 1975 bis zum 31. Dezember 1976 einem Gläubiger ihres Ehemannes 25 000 DM wegen dessen Sicherungseigentums an der Kunststoffhalle gezahlt hat. Schon die Tatsache, daß dieser Betrag während eines Zeitraums von nahezu zwei Jahren nach dem Übereignungszeitpunkt gezahlt worden ist, läßt erkennen, daß im Zeitpunkt der Übereignung des Unternehmens keine nennenswerten finanziellen Aufwendungen erforderlich waren, um das Unternehmen unter Nutzung der Kunststoffhalle fortführen zu können.
Auch die Anschaffung eines LKW durch die Klägerin spricht nicht dagegen, daß das Unternehmen im Zeitpunkt der Übereignung ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortgeführt werden konnte. Nach den Feststellungen des FG ist dieser LKW erst angeschafft worden, als das Unternehmen schon übereignet - i. S. des § 116 AO - war und die Klägerin mit der Fortführung des Unternehmens begonnen hatte. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß die Fortführung des Unternehmens ohne diese Anschaffung nicht möglich gewesen wäre.
b) Die Feststellungen des FG rechtfertigen auch die Entscheidung, daß ein lebendes Unternehmen übereignet worden ist.
Wie der BFH (Urteil vom 13. Dezember 1962 V 246/60, StRK, Reichsabgabenordnung, § 116, Rechtsspruch 20) entschieden hat, ist selbst ein Unternehmen, dessen Betrieb bereits eingestellt war, noch ein lebendes Unternehmen, wenn die Übereignung den Erwerber befähigt, das bisherige Unternehmen ohne großen Aufwand wieder in Gang zu setzen. Davon ausgehend besteht kein Anlaß zu der Annahme, das Unternehmen des Ehemannes der Klägerin sei kein lebendes Unternehmen mehr gewesen. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß der Ehemann der Klägerin den Betrieb seines Unternehmens bereits vor dessen Übereignung eingestellt hatte. Wohl aber ergibt sich aus den Feststellungen des FG, wie dargelegt, daß die Klägerin das Unternehmen ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortgeführt hat.
Ohne Rechtsfehler hat das FG auch entschieden, der Annahme eines lebenden Unternehmens stehe nicht entgegen, daß der Ehemann der Klägerin überschuldet gewesen sei. Die Regelung in § 116 Abs. 1 AO dient dem Zweck, die in dem Unternehmen als solchem liegende Sicherung für die sich auf seinen Betrieb gründenden Steuerschulden durch den Übergang des Unternehmens nicht verlorengehen zu lassen (vgl. BFHE 111, 17, 19, BStBl II 1974, 145). Diese Sicherung beruht darauf, daß der Unternehmer mit dem Unternehmen Gewinne oder sonstige Vorteile erwirtschaften kann, die es ihm ermöglichen, die betrieblichen Steuerschulden zu zahlen. Das ist aber nicht - zumindest nicht ohne weiteres - von der Vermögenslage abhängig. So hat auch der RFH (Urteil vom 3. November 1933 V A 204/33, RStBl 1933, 1225) schon entschieden, es stehe der Anwendbarkeit des § 116 Abs. 1 AO nicht entgegen, wenn das übereignete Unternehmen überschuldet sei; denn ein Unternehmen höre aufgrund einer Überschuldung noch nicht auf, ein Unternehmen zu sein, das fortgeführt werden könne. Der Erwerber des Unternehmens soll nach § 116 Abs. 1 AO grundsätzlich deshalb als Haftender für die betrieblichen Steuerschulden in Anspruch genommen werden können, weil er durch den Erwerb des Unternehmens in die Lage versetzt worden ist, die Gewinne oder sonstigen Vorteile zu erwirtschaften, aus denen die betrieblichen Steuerschulden zu bezahlen sind (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 AO A 3). Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte vorhanden, die es rechtfertigen, allein aus der Überschuldung des Ehemannes der Klägerin zu folgern, daß kein lebendes Unternehmen mehr vorhanden gewesen sei, das hätte übereignet werden können. Bei dieser Sachlage ist es aufgrund des aufgezeigten Grundgedankens des § 116 Abs. 1 AO nicht gerechtfertigt, von der Inanspruchnahme der Klägerin nach dieser Vorschrift abzusehen.
2. Eine Aufhebung des angefochtenen Haftungsbescheids und der Einspruchsentscheidung kann auch nicht mit der Begründung erreicht werden, das FA hätte in einer ersichtlichen Form von seinem Ermessen bei der Auswahl der Klägerin als Haftende für die rückständige Lohnsteuer Gebrauch machen müssen. Im Streitfall brauchte das FA den Ehemann der Klägerin nicht in Anspruch zu nehmen, weil er, wie sich aus den Feststellungen des FG ergibt, schon im Zeitpunkt der Übereignung des Unternehmens überschuldet war und deshalb davon ausgegangen werden konnte, daß eine Inanspruchnahme des Ehemannes erfolglos bleiben werde (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 118 AO A 5, m.w.N.). Der Klägerin war diese Lage ihres Ehemannes, wie den Ausführungen des FG zu entnehmen ist, bekannt. Das folgt vor allem daraus, daß die Überschuldung des Ehemannes nach den Ausführungen des FG der Grund für die Übereignung des Unternehmens war und daß die Klägerin nach den Ausführungen des FG selbst erklärt hat, ihr Ehemann sei verschuldet gewesen und habe den Offenbarungseid geleistet. Danach kann davon ausgegangen werden, daß es für die Klägerin ohne weiteres erkennbar war, weshalb das FA sie und nicht ihren Ehemann in Anspruch nahm. Aus diesem Grunde konnte das FA auch darauf verzichten, in den Gründen des Haftungsbescheids und der Einspruchsentscheidung darauf einzugehen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 31. Mai 1983 VII R 7/81, BFHE 138, 416, 421, BStBl II 1983, 545).
Fundstellen