Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung bei Tantiemezahlungen an Gesellschafter-Geschäftsführer
Leitsatz (NV)
- Zur Auslegung einer Gehaltsvereinbarung mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer.
- Wird dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer eine Tantieme gezahlt, die der Höhe nach dem entspricht, was er vor dem Zeitpunkt seiner Beteiligung an der Kapitalgesellschaft von dieser als Fremdgeschäftsführer erhalten hat, so hält sie einem (inneren) Fremdvergleich stand.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1 S. 1; KStG § 8 Abs. 3 S. 2; GmbHG § 43 Abs. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (EFG 2001, 1068) |
Tatbestand
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Tantiemezahlungen der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) an ihren Alleingesellschafter-Geschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu behandeln sind.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH ein Reisebüro. Alleiniger Gesellschafter der Klägerin war bis zum 30. September 1993 X, der seine Gesellschaftsanteile zum 1. Oktober 1993 auf Z übertrug. Zuvor war Z mit Vertrag vom 12. März 1993 als Geschäftsführer der Klägerin bestellt worden. Im Anstellungsvertrag war folgende Gehaltsvereinbarung enthalten:
"§ 5 Bezüge
a) Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit ein festes Jahresgehalt in Höhe von 48 000 DM.
b) Weiterhin erhält der Geschäftsführer eine Gewinntantieme bis zu einer Maximalhöhe von weiteren 48 000 DM. Die Höhe der Tantieme bestimmt sich nach dem Jahresüberschuss der Handelsbilanz vor Abzug der Tantiemen, vor Verrechnung mit Verlustvorträgen sowie vor Abzug der Körperschaft- und Gewerbesteuer.
c) Sollte der Jahresüberschuss kleiner sein als 56 000 DM, entsteht der Anspruch auf Tantieme nur in einem Teilbetrag der o.g. 48 000 DM nach folgender Formel: Jahresüberschuss ./. 8 000 DM = maximale Tantieme."
Nach dem Erwerb der Geschäftsanteile durch Z wurde die Gehaltsvereinbarung durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 17. April 1994 für das Jahr 1995 (Streitjahr) wie folgt geändert:
"§ 5 Bezüge
a) Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit ein festes Jahresgehalt in Höhe von 54 000 DM.
b) Weiterhin erhält der Geschäftsführer eine Gewinntantieme bis zu einer Maximalhöhe von weiteren 81 000 DM. Die Höhe der Tantieme bestimmt sich nach dem Jahresüberschuss der Handelsbilanz vor Abzug der Tantiemen, vor Verrechnung mit Verlustvorträgen sowie vor Abzug der Körperschaft- und Gewerbesteuer.
c) Sollte der Jahresüberschuss kleiner sein als 62 000 DM, entsteht der Anspruch auf Tantieme nur in einem Teilbetrag der o.g. 81 000 DM nach folgender Formel: Jahresüberschuss ./. 8 000 DM = maximale Tantieme."
Die Klägerin zahlte dem Z für das Streitjahr eine Tantieme in Höhe von 40 000 DM, die sie gewinnmindernd verbuchte. Der verbleibende Jahresüberschuss betrug für das Wirtschaftsjahr (1. November 1994 bis 31. Oktober 1995) 12 292,99 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―-) behandelte die Tantiemezahlung insgesamt als vGA, weil nicht von vornherein klar und eindeutig vereinbart worden sei, in welcher Höhe ein Tantiemeanspruch entstehe. Die gegen die entsprechenden Änderungsbescheide gerichtete Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1068 veröffentlicht.
Seine gegen das vorgenannte Urteil eingelegte Revision begründet das FA mit der Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat im Hinblick auf die streitbefangene Tantiemezahlung zu Recht das Vorliegen einer vGA dem Grunde und der Höhe nach verneint.
1. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG darf eine vGA das steuerlich zu erfassende Einkommen einer Körperschaft nicht mindern. VGA in diesem Sinne sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats Vermögensminderungen und verhinderte Vermögensmehrungen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruhen, sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirken und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind (vgl. z.B. Senatsurteile vom 19. Januar 2000 I R 24/99, BFHE 191, 107, BStBl II 2000, 545; vom 15. März 2000 I R 40/99, BFHE 191, 330, BStBl II 2000, 504; vom 9. August 2000 I R 12/99, BFHE 193, 274, BStBl II 2001, 140). Dazu gehören insbesondere einem Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlte Vergütungen, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung ―GmbHG―) einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer unter ansonsten vergleichbaren Verhältnissen nicht gewährt hätte (Senatsurteil vom 27. März 2001 I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111).
Ist der begünstigte Gesellschafter-Geschäftsführer ein beherrschender Gesellschafter, kann die Vermögensminderung auch dann ihre Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis haben, wenn der Leistung an ihn keine klare und von vornherein abgeschlossene Vereinbarung zugrunde liegt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteile vom 24. Januar 1990 I R 157/86, BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645, m.w.N.; vom 21. Juli 1982 I R 56/78, BFHE 136, 386, BStBl II 1982, 761, m.w.N.). Der erkennende Senat hat allerdings wiederholt entschieden, dass auch Verträge zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter auszulegen sind. Erst wenn sich der Inhalt eines Vertrages nicht zweifelsfrei feststellen lässt, ist für die Annahme einer vGA Raum (vgl. z.B. Urteile vom 4. Dezember 1991 I R 63/90, BFHE 166, 279, BStBl II 1992, 362; vom 25. Oktober 1995 I R 9/95, BFHE 179, 270, BStBl II 1997, 703; vom 11. Februar 1997 I R 43/96, BFH/NV 1997, 806; vom 9. April 1997 I R 52/96, BFH/NV 1997, 808; vom 22. Oktober 1998 I R 29/98, BFH/NV 1999, 972, m.w.N.).
2. Dem FG ist darin zu folgen, dass die streitbefangene Gewinntantieme nicht bereits dem Grunde nach als vGA zu beurteilen ist, weil die Gehaltsvereinbarung zwischen der Klägerin und Z vom 17. April 1994 nicht im vorgenannten Sinne klar und eindeutig abgefasst wäre.
a) Dem FA ist zwar zuzugeben, dass die wiederholte Verwendung der Formulierung "Maximalhöhe" (der Tantieme) oder "maximale Tantieme" in der streitbefangenen Gehaltsvereinbarung für die Vereinbarung einer lediglich nach oben hin begrenzten Tantieme spricht. Es ist aber revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG die streitbefangene Tantieme dennoch als Festtantieme aufgefasst hat. Eine solche Auslegung ist zumindest möglich, denn nach den vorgenannten Rechtsprechungsgrundsätzen zur Auslegung von Vereinbarungen zwischen einer Körperschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter sind die allgemein geltenden Auslegungsgrundsätze auf die konkrete auslegungsbedürftige Vereinbarung anzuwenden. Demgemäß ist bei Willenserklärungen der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn eines Ausdrucks zu haften (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB―) und sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte dies erfordern (§ 157 BGB). Geboten ist insbesondere die Berücksichtigung des sprachlichen Zusammenhangs der abgegebenen Willenserklärungen, der Stellung der auslegungsbedürftigen Formulierungen im Gesamtzusammenhang des Textes und sämtlicher Begleitumstände (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 24. März 1999 I S 8/98, BFH/NV 1999, 1643). Bei Beachtung der in § 5c der Vereinbarung enthaltenen Regelung, wonach der um 8 000 DM geminderte Jahresüberschuss die Tantieme ergeben sollte, ist der Schluss des FG möglich, dass die Gesamtregelung so zu verstehen sei, dass der Klägerin ein Mindestgewinn von 8 000 DM verbleiben sollte.
b) Für das vorgenannte Auslegungsergebnis spricht auch, dass eine wörtliche Auslegung der Vereinbarung vom 17. April 1994 ―anders als bei der weitgehend inhaltsgleichen Vereinbarung vom 12. März 1993― teilweise zu widersprüchlichen Ergebnissen führen würde. So würde der Klägerin bei einem Jahresüberschuss vor Tantieme, Steuern und Verlustvortrag von bis zu 61 999 DM ein Gewinn von 8 000 DM verbleiben, während ein Jahresüberschuss vor Tantieme, Steuern und Verlustvortrag von 62 000 DM zu einer Tantieme von 81 000 DM und damit zu einem negativen Jahresergebnis führen würde. Es ist offensichtlich, dass die Vertragsparteien diesen Widerspruch nicht erkannt und ein entsprechendes Ergebnis nicht gewollt haben. Dafür spricht insbesondere die Tatsache, dass die Vereinbarung vom 17. April 1994 ―abgesehen von den erhöhten Beträgen― derjenigen vom 12. März 1993 entspricht. Auch vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn das FG die streitbefangene Tantiemevereinbarung im Sinne einer Festtantieme bei einem der Klägerin garantierten Anteil am Jahresüberschuss von 8 000 DM ausgelegt hat.
3. Das FG ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die vorgenannte Tantiemevereinbarung tatsächlich durchgeführt worden ist. Zwar hatte Z ―bei Zugrundelegung der vorgenannten Auslegung― einen Tantiemeanspruch in Höhe von 44 292,99 DM, während die Klägerin ihm nach den den Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG nur eine Tantieme in Höhe von 40 000 DM ausgezahlt hat. Der Senat hat auch wiederholt entschieden, dass eine vGA dann anzunehmen ist, wenn eine an sich klare und von vornherein mit dem beherrschenden Gesellschafter abgeschlossene Vereinbarung tatsächlich nicht durchgeführt wurde (vgl. Senatsurteile vom 20. September 1967 I 97/64, BFHE 90, 212, BStBl II 1968, 49; vom 2. Mai 1974 I R 194/72, BFHE 112, 476, BStBl II 1974, 585; vom 23. Oktober 1985 I R 247/81, BFHE 145, 165, BStBl II 1986, 195). Dieser Grundsatz gilt jedoch nur dann, wenn das Fehlen der tatsächlichen Durchführung darauf schließen lässt, dass die von vornherein abgeschlossene Vereinbarung lediglich die Unentgeltlichkeit der Leistung des Gesellschafters verdecken soll (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1987 I R 110/83, BFHE 152, 74, BStBl II 1988, 301). Dazu hat das FG ―wiederum für den Senat bindend― festgestellt, dass der Verzicht des Z auf seinen Tantiemeanspruch auf der schlechten wirtschaftlichen Lage der Klägerin beruhte. Es verletzt weder Denkgesetze noch Erfahrungssätze, wenn das FG einen derartigen Verzicht als auf betrieblichen Erwägungen beruhend beurteilt.
4. Das FG hat schließlich zu Recht die Höhe der streitbefangenen Tantieme unbeanstandet gelassen.
a) Der Schluss des FG, dass die am 12. März 1993 abgeschlossene Vereinbarung einem Fremdvergleich deshalb standhalte, weil Z in diesem Zeitpunkt noch nicht an der Klägerin beteiligt war, ist nicht zu beanstanden. Aus den tatsächlichen und den Senat bindenden Feststellungen des FG ergeben sich keine Hinweise darauf, dass Z zu diesem Zeitpunkt bereits wirtschaftlicher Eigentümer der Anteile an der Klägerin gewesen sein könnte. Er stand danach der Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 12. März 1993 als fremder Dritter gegenüber.
b) Da die Tantiemevereinbarung vom 12. März 1993 damit im Rahmen eines (inneren) Fremdvergleichs für die Vereinbarung vom 17. April 1994 herangezogen werden kann, ist die für das Wirtschaftsjahr 1994/95 gezahlte Tantieme auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Auf der Grundlage des für das Streitjahr angefallenen Jahresüberschusses der Klägerin hätte sich nach beiden Vereinbarungen ein Tantiemeanspruch des Z in derselben Höhe ergeben.
c) Dem vorgenannten Ergebnis steht die Senatsrechtsprechung zur Veranlassung von Tantiemezahlungen in Höhe von mehr als 50 v.H. des Jahresüberschusses nicht entgegen. Danach spricht zwar ein starkes Indiz für eine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis, wenn die zugesagte Tantieme sich ―wie im Streitfall― auf mehr als 50 v.H. des Jahresüberschusses der Gesellschaft beläuft (vgl. Senatsurteile vom 5. Oktober 1994 I R 50/94, BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549, 550; vom 12. Oktober 1995 I R 4/95, BFH/NV 1996, 437; Senatsbeschluss vom 1. Dezember 1993 I B 158/93, BFH/NV 1994, 740). Auch in einem solchen Fall liegt jedoch eine vGA allenfalls in Höhe des überhöhten Teils der Tantieme vor. Danach ist es im Streitfall unerheblich, ob die Tantiemezusage vom 17. April 1994 bei einem anderen Jahresüberschuss ggf. zu überhöhten Tantiemen führen könnte, denn die konkret geleistete und allein zu beurteilende Tantiemezahlung hätte sich auch nach der (fremdüblichen) Vereinbarung vom 12. März 1993 ergeben. Für eine Kappung der streitbefangenen Tantiemezahlung ist deshalb kein Raum.
Fundstellen
Haufe-Index 1067333 |
BFH/NV 2004, 88 |