Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Entfallensprüfung bei der Ermittlung kindergeldschädlicher Einkünfte und Bezüge
Leitsatz (NV)
Erhält ein Kind, das sich im Jahr seiner Volljährigkeit in Ausbildung befindet, aus dem ganzjährigen Ausbildungsdienstverhältnis Sonderzuwendungen, so sind diese jedenfalls dann anteilig zu erfassen, wenn sie im Zeitraum der Volljährigkeit zugeflossen sind.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 Sätze 2, 5-6
Verfahrensgang
FG Nürnberg (EFG 1998, 958) |
Tatbestand
Zum Haushalt der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) gehörte ihr am 12. Februar 1978 geborener Sohn (S), der sich das ganze Jahr 1996 in Berufsausbildung befand. Seine monatliche Ausbildungsvergütung betrug für die Monate Januar bis August 1996 1 056 DM brutto und ab September 1996 1 117 DM brutto; daneben bezog er im Juni 1996 Urlaubsgeld in Höhe von 528 DM und im November 1996 Weihnachtsgeld in Höhe von 538 DM. Werbungskosten wurden nicht über den Arbeitnehmer-Pauschbetrag hinaus nachgewiesen.
Die Familienkasse des Arbeitsamtes Würzburg (Beklagter und Revisionskläger ―Beklagter―) setzte mit Bescheid vom 11. April 1997 das Kindergeld ab März 1996 auf 0 DM fest und forderte das ab März bis Dezember 1996 ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 2 000 DM zurück. Dabei ging der Beklagte von Einkünften des S ab März bis Dezember 1996 in Höhe von 10 172 DM aus, nämlich Einnahmen in Höhe von (6 x 1 056 DM + 4 x 1 117 DM + 528 DM + 538 DM =) 11 870 DM abzüglich des anteiligen Arbeitnehmer-Pauschbetrages von 1 698 DM, den es im Verhältnis der Gesamteinnahmen (13 982 DM) zu den ab März 1996 erzielten Einnahmen (11 870 DM) ansetzte. Da die Einkünfte (10 172 DM) den anteiligen Jahresgrenzbetrag für März bis Dezember 1996 in Höhe von (12 000 DM x 10/12 =) 10 000 DM überstiegen, sei für diese Zeit kein Kindergeld zu gewähren.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage trug die Klägerin vor, das Kindergeld stehe ihr zu, da die insofern maßgebende Jahreseinkommensgrenze von 12 000 DM nicht überschritten worden sei (Gesamteinnahmen 13 982 DM ./. Arbeitnehmer-Pauschbetrag 2 000 DM = Einkünfte 11 982 DM). Aber auch bei einer Berechnung für zehn Monate seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld erfüllt, da die Einkünfte von März bis Dezember 1996 nur 9 995 DM betragen hätten. Das Ausbildungsentgelt für März bis Dezember in Höhe von (6 x 1 056 DM zuzüglich 4 x 1 117 DM =) 10 804 DM sei nur um das anteilige Urlaubs- und Weihnachtsgeld (1 066 DM x 10/12 =) von 888 DM auf 11 692 DM zu erhöhen, wovon der anteilige Arbeitnehmer-Pauschbetrag (1 698 DM) abzuziehen sei.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 958 wiedergegebenen Gründen statt.
Mit der Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Die zeitanteilige Reduzierung des Jahresgrenzbetrages sei entgegen der Auffassung des FG nicht auf diejenigen Fallgestaltungen beschränkt, in denen im Laufe eines Kalenderjahres die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wegfielen. Sie sei auch dann vorzunehmen, wenn ein Kind im Laufe eines Kalenderjahres sein 18. Lebensjahr vollende. Ferner seien Urlaubs- und Weihnachtsgeld mit ihrem vollen Betrag anzusetzen, wenn sie während der Monate zugeflossen seien, in denen das Kind aufgrund der besonderen Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG zu berücksichtigen sei.
Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie tritt der Revision im Wesentlichen mit den Gründen des FG entgegen und führt hierzu weitere Berechnungsbeispiele an. Dass die vom Beklagten vertretene Auffassung zu ungerechtfertigten Ergebnissen führe, zeige auch, dass im Folgejahr anstandslos Kindergeld gezahlt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage.
1. Nach dem Senatsurteil vom 1. März 2000 VI R 162/98 (BFH/NV 2000, 917, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 2000, 919) ist der Betrag von 12 000 DM (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) für alle Monate um 1/12 zu mindern, zu deren Beginn das Kind sein 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die im Laufe des Jahres aus dem Berufsausbildungsverhältnis gezahlten Sonderzuwendungen sind den Monaten anteilig zuzuordnen, in denen Berufsausbildung stattgefunden hat (vgl. auch Senatsurteil vom 12. April 2000 VI R 34/99, BFH/NV 2000, 1037, DStR 2000, 936). Das gilt jedenfalls dann, wenn die Sonderzuwendung, wie im Streitfall, im Zeitraum der Volljährigkeit zugeflossen ist (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2000 VI R 135/99, BFH/NV 2000, 1038).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich folgendes: Maßgebender Beurteilungszeitraum sind nach Volljährigkeit des S die Monate März bis Dezember 1996, so dass der Jahresgrenzbetrag von 12 000 DM auf 10 000 DM zu ermäßigen ist. Als auf diesen Zeitraum entfallende Einkünfte und Bezüge sind anzusetzen die laufenden Lohnzahlungen (10 804 DM) sowie die zeitanteiligen sonstigen Bezüge (10/12 von 1 066 DM = 888 DM), also insgesamt 11 692 DM abzüglich des zeitanteiligen Arbeitnehmer-Pauschbetrages von (10/12 von 2 000 DM =) 1 667 DM. Ob anstelle des zeitanteiligen Arbeitnehmer-Pauschbetrages die auf den Zeitraum März bis Dezember 1996 entfallenden Werbungskosten abzuziehen sind, wenn sie den anteiligen Pauschbetrag übersteigen, braucht nicht entschieden zu werden, weil für einen derartigen Sachverhalt nichts vorgetragen ist. Da die sich danach ergebenden Einkünfte von (11 692 DM ./. 1 667 DM =) 10 025 DM den anteiligen Jahresgrenzbetrag von 10 000 DM übersteigen, hat der Beklagte das Kindergeld zu Recht versagt.
Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 21. Juli 2000 VI R 153/99 wird der Jahresgrenzbetrag von 12 000 DM verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht. Entsprechendes gilt für den jeweiligen anteiligen Jahresgrenzbetrag.
Fundstellen
BFH/NV 2001, 37 |
DStRE 2000, 1144 |