BMF: Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung

Das BMF hat seine Aussagen zum Abzug von Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung aktualisiert. Die Neuigkeiten im Überblick.

Unterhaltszahlungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen können vom Leistenden mit maximal 9.984 EUR pro Jahr (zuzüglich bestimmter Versicherungsbeträge) als außergewöhnliche Belastungen abgezogen  werden (§ 33a Abs. 1 EStG).

Neues BMF-Schreiben

Welche Regeln die Finanzämter bei der Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen anwenden, hatte das BMF zuletzt mit Schreiben v. 7.6.2010 (BStBl 2010 I S. 582) dargelegt. Knapp zwölf Jahre später erfolgt nun eine Aktualisierung. Mit neuem Schreiben vom 6.4.2022 ordnet das BMF seine Aussagen neu und arbeitet dabei die zwischenzeitlich ergangene BFH-Rechtsprechung zum Themenkreis ein. Die wichtigsten neuen Aussagen im Überblick:

Wer ist unterhaltsberechtigt?

Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind Personen, denen gegenüber der Steuerzahler nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch oder dem Lebenspartnerschaftsgesetz unterhaltsverpflichtet ist. Bei folgenden Beziehungen besteht eine solche Unterhaltsberechtigung:

  • bei Verwandten in gerader Linie (z. B. Kindern, Enkeln, Eltern, Großeltern),
  • bei Ehegatten und Lebenspartnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft
  • bei geschiedenen Ehegatten und Lebenspartnern einer aufgehobenen Lebenspartnerschaft,
  • bei der Mutter bzw. dem Vater eines nichtehelichen Kindes gegenüber dem anderen Elternteil.

Unterhalt bei Haushaltszugehörigkeit

Gehört die unterhaltsberechtigte Person zum Haushalt des Steuerzahlers, können die Finanzämter regelmäßig davon ausgehen, dass ihm Unterhaltsaufwendungen in Höhe des Höchstbetrags entstanden sind.

Eine Haushaltszugehörigkeit wird in der Regel nicht durch eine auswärtige Ausbildung oder durch ein auswärtiges Studium aufgehoben (z. B. durch die Unterbringung des studierenden Kindes am Studienort). Eine gewisse räumliche Trennung schadet dem Ansatz des Höchstbetrags als Unterhaltsaufwand nicht, wenn keine besonderen Umstände hinzukommen, die auf eine dauerhafte Trennung der unterhaltsberechtigten Person vom Haushalt des Steuerzahlers schließen lassen (z. B. wenn ein verheiratetes Kind mit seinem Ehegatten eine eigene Wohnung bezogen hat). Bei einer auswärtigen Unterbringung der unterhaltsberechtigten Person (z. B. des Kindes), die nicht zu einer Beendigung der Haushaltszugehörigkeit führt, können Unterhaltsaufwendungen also weiterhin in Höhe des maßgeblichen Höchstbetrags geltend gemacht werden.

Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers

Der Abzug von Unterhaltsaufwendungen setzt neben einer bestehenden Unterhaltsberechtigung voraus, dass der Unterhaltsempfänger bedürftig ist - das heißt: er darf kein oder nur ein geringes Vermögen besitzen und kein ausreichendes Einkommen haben.

Hinweis: Als geringfügig kann in der Regel ein Vermögen bis zu einem gemeinen Wert (Verkehrswert) von 15.500 EUR angesehen werden (R 33a Abs. 2 S. 3 EStR 2021).

Begünstigte Unterhaltsaufwendungen

Als Unterhaltsleistungen abziehbar sind Aufwendungen für den typischen Unterhalt (= die üblichen, für den Lebensunterhalt bestimmten Leistungen sowie Aufwendungen für eine Berufsausbildung).

Typische Unterhaltsaufwendungen - insbesondere für Ernährung, Kleidung, Wohnung, Hausrat und notwendige Versicherungen - können nur nach den Regeln des § 33a Abs. 1 EStG (= als „außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen“) berücksichtigt werden. Erwachsen dem Steuerzahler daneben Aufwendungen für einen besonderen Unterhaltsbedarf der unterhaltenen Person, beispielsweise Krankheitskosten, kommt für diese Kosten nur ein Abzug als „reguläre“ außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG in Betracht (BFH Urteil vom 19.06.2008 - III R 57/05).

Kosten für die krankheitsbedingte Unterbringung von Angehörigen in einem Altenpflegeheim fallen ebenfalls unter den Abzug nach § 33 EStG, während Aufwendungen für eine altersbedingte Heimunterbringung nur als Unterhaltsleistung nach § 33a Abs. 1 EStG berücksichtigt werden können (BFH Urteil vom 30.06.2011 - VI R 14/10).

Ausbildungsunterhalt i. S. v. § 1610 BGB, zu dem auch Studiengebühren gehören können, zählt zum typischen Unterhaltsaufwand (BFH Urteil vom 17.12.2009 - VI R 63/08).

Auch gelegentliche oder einmalige Leistungen können typische Unterhaltsaufwendungen sein, sie dürfen aber regelmäßig nicht als Unterhaltsleistungen für Vormonate und auch nicht zur Deckung des Unterhaltsbedarfs für das Folgejahr berücksichtigt werden (BFH Urteil vom 05.05.2010 - VI R 40/09 und BFH Urteil vom 11.11.2010 - VI R 16/09).

Die Abgrenzung der typischen von den untypischen Unterhaltsaufwendungen richtet sich nach deren Anlass und Zweckbestimmung, nicht nach deren Zahlungsweise. So kann eine Kapitalabfindung, mit der eine Unterhaltsverpflichtung abgelöst wird, nur als außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen (also im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG) berücksichtigt werden (BFH Urteil vom 19.06.2008 - III R 57/05).

Verfügbares Nettoeinkommen des Unterhaltszahlers

Nach der ständigen BFH-Rechtsprechung können Unterhaltsaufwendungen im Allgemeinen nur dann als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch angemessene Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs verbleiben (sog. Opfergrenze)

Bei der Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens sind alle steuerpflichtigen Einkünfte i. S. d. § 2 Abs. 1 EStG, alle steuerfreien Einnahmen sowie etwaige Steuererstattungen (Einkommensteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag) anzusetzen. Zu den Einkünften nach § 2 Abs. 1 EStG zählen sämtliche Gewinneinkünfte der §§ 13 bis 18 EStG sowie sämtliche Überschusseinkünfte der §§ 19 bis 23 EStG. Darüber hinaus sind der Abgeltungsteuer unterliegende Kapitalerträge (nach § 32d Abs.1 und § 43 Abs. 5 EStG) ohne Abzug des Sparer-Pauschbetrages einzubeziehen.

Nach der BFH-Rechtsprechung darf ein in Anspruch genommener Investitionsabzugsbetrag die Opfergrenze nicht beeinflussen (BFH Urteil vom 06.02.2014 - VI R 34/12). Ein solcher Betrag muss dem Nettoeinkommen wieder hinzugerechnet werden, da diesem keine Ausgaben und kein Werteverzehr zugrunde liegen und somit die persönliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltszahlers nicht beeinflusst wurde.

Die Berechnung des verfügbaren Nettoeinkommens ist bei Unterhaltszahlern mit Gewinneinkünften (z.B. aus Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit) regelmäßig auf Grundlage eines Dreijahreszeitraumes vorzunehmen. Steuerzahlungen müssen dabei in dem Jahr abgezogen werden, in dem sie entrichtet worden sind. Führen derartige Zahlungen für mehrere Jahre aber zu nicht unerheblichen Verzerrungen des unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens des Veranlagungszeitraumes, sind die im maßgeblichen Dreijahreszeitraum geleisteten durchschnittlichen Steuerzahlungen zu ermitteln und vom "Durchschnittseinkommen" des Veranlagungszeitraumes abzuziehen (vgl. BFH Urteil vom 28.04.2016 - VI R 21/15).

Hinweis: Zugrunde lag dem Urteil ein Fall, in dem ein selbstständig tätiger Vater seine beiden studierenden Söhne im Jahr 2012 mit jeweils 8.004 EUR unterstützt hatte. Der Mann hatte über ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 480.000 EUR verfügt, im Jahr der Unterhaltsleistung allerdings Steuernachzahlungen für 2010 bis 2012 von insgesamt 564.000 EUR gezahlt. Aufgrund des rechnerischen Negativeinkommens hatte das Finanzamt die Opfergrenze als unterschritten angesehen und deshalb einen Abzug der Unterhaltsleistungen versagt. Der BFH revidierte diese Entscheidung und erkannte die Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastungen an. Werden Steuern für mehrere Jahre nachgezahlt, dürfen sie das unterhaltsrechtlich maßgebliche Einkommen nicht erheblich verzerren und müssen über den Drei-Jahres-Zeitraum verteilt und dann vom Durchschnittseinkommen abgezogen werden. Im vorliegenden Fall musste vom Durchschnittseinkommen des Vaters von 480.000 EUR somit nur eine Steuernachzahlung von 188.000 EUR (ein Drittel von 564.000 EUR) abgezogen werden, sodass ihm noch 292.000 EUR verblieben - mehr als genug also, um den eigenen Lebensbedarf zu decken.

Kürzung der Opfergrenze bei Kindern

Im Regelfall sind Unterhaltsaufwendungen nur im Rahmen eines bestimmten Prozentsatzes des verfügbaren Nettoeinkommens abziehbar (Ausnahme: bei sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaften). Bereits im Schreiben vom 07.06.2010 (a.a.O.) hatte das BMF erklärt, dass die Opfergrenze bei einem Prozent je volle 500 EUR des verfügbaren Nettoeinkommens des Unterhaltszahlers (höchstens 50 Prozent) liegt -  abzüglich 5 Prozent für den Ehegatten und für jedes Kind, für das der Unterhaltszahler einen Kindergeldanspruch hat (höchstens 25 Prozent). Neu ist nun die Aussage, dass die kinderbezogene 5-%-Pauschale monatsbezogen zu kürzen ist, wenn nur für ein Teil des Jahres ein Anspruch auf Kindergeld oder Kinderfreibeträge bestanden hat. Dies hatte der BFH mit Urteil vom 14.12.2016 - VI R 15/16 entschieden.

Ein Blick in den zugrundeliegenden Fall verdeutlicht die Berechnungsweise: Vorliegend hatte ein verheirateter unterhaltszahlender Vater in 2011 über ein verfügbares Nettoeinkommen von 24.251 EUR verfügt. Zwei seiner Söhne hatte er in 2011 mit Unterhaltsleistungen unterstützt, lediglich für seinen dritten Sohn hatte ihm Kindergeld zugestanden – jedoch nur für die Monate Oktober bis Dezember 2011. Der BFH berechnete die Opfergrenze des Vaters wie folgt:

Verfügbares Nettoeinkommen: 24.000 EUR (abgerundet)
Opfergrenze: 1 % je volle 500 € somit: 48,00 Prozent
- Abzug für Ehegatten 5,00 Prozent
- Abzug für kindergeldberechtigten Sohn 1,25 Prozent
Abziehbare Unterhaltsleistungen somit: 41,75 Prozent von 24.251 EUR = 10.125 EUR

Für den dritten Sohn kam die 5 %-Pauschale nur zeitanteilig für die Monate der bestandenen Kindergeldberechtigung zum Ansatz (Kürzung der Opfergrenze somit nur um 3/12tel von 5 % = 1,25 %).

Eigene Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person

Auch auf Seiten des Unterhaltsempfängers spielt das Einkommen eine Rolle: Hat dieser andere eigene Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, so muss der abzugsfähige Höchstbetrag um die eigenen Einkünfte und Bezüge gekürzt werden, soweit diese den Betrag von insgesamt 624 EUR jährlich übersteigen (§ 33a Abs. 1 S. 5 EStG).

Als anrechenbare "andere Einkünfte" sind alle Einkünfte i. S. d. Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Verlustabzüge, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen dürfen nicht berücksichtigt werden; ebenso dürfen keine fiktiven Einkünfte angesetzt werden.

Als Bezüge zu berücksichtigen sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden (z.B. das Elterngeld einschließlich des Sockelbetrags).

Bei den anzurechnenden Bezügen kann aus Vereinfachungsgründen insgesamt ein Betrag von 180 EUR im Kalenderjahr abgezogen werden, wenn nicht höhere Aufwendungen geltend gemacht werden.

Die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die der Mindestversorgung dienen, werden bereits bei der Bemessung des Höchstbetrages berücksichtigt; sie dürfen daher zur Vermeidung einer Doppelberücksichtigung nicht zusätzlich die Einkünfte der unterhaltenen Person mindern. Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung für Leistungen, die über das sozialhilferechtliche Niveau hinausgehen, dürfen ebenfalls nicht abgezogen werden.

Im Rahmen der Ermittlung der eigenen Einkünfte und Bezüge sind Kapitalerträge, soweit die tarifliche Einkommensteuer zur Anwendung kommt, unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrages als Einkünfte zu erfassen. Kapitalerträge, die der Abgeltungsteuer unterliegen (nach § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5 EStG), sind als Bezüge ohne Abzug des Sparer-Pauschbetrages zu erfassen.

Eigene Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person dürfen zudem nur auf den Höchstbetrag angerechnet werden, soweit sie auf den Unterhaltszeitraum entfallen.

Anwendungsregelung

Die Aussagen des neuen BMF-Schreibens sind auf alle offenen Fälle anzuwenden.

BMF, Schreiben v. 6.4.2022, IV C 8 - S 2285/19/10003 :001 (Allgemeine Hinweise)

Lesen Sie auch: BMF, Schreiben v. 6.4.2022, IV C 8 - S 2285/19/10003 :001 (Ausland)