Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungsaufwendungen für doppelte Haushaltsführung; häusliches Arbeitszimmer in Wohnung am Beschäftigungsort
Leitsatz (NV)
1. Der Abzug der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung auf das Notwendige begrenzt den Abzug auf das nach objektiven Maßstäben zur Zweckverfolgung Erforderliche.
2. Die Grenze für den notwendigen Wohnbedarf orientiert sich daran, welcher Wohnungszuschnitt für einen Steuerpflichtigen als Einzelperson erforderlich ist, der von der Wohnung am Beschäftigungsort seiner Arbeit nachgeht, aber an einem anderen Ort, an dem sich auch sein Lebensmittelpunkt befindet, seinen Haupthausstand beibehalten hat.
3. Mehraufwendungen für eine Wohnung am Beschäftigungsort sind notwendig, soweit sie sich für eine Wohnung mit einer Wohnfläche bis zu 60 qm bei einem ortsüblichen Mietzins für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung (Durchschnittsmietzins) ergeben.
4. Aufwendungen für ein steuerlich berücksichtigungsfähiges Arbeitszimmer sind gesondert anzusetzen.
Normenkette
GG Art. 13; EStG § 4 Abs. 5 Nrn. 6a, 6b, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 Sätze 1-2, § 12 Nr. 1 Sätze 1-2, § 32a Abs. 1 Nr. 1; FGO § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die gemeinsame Hauptwohnung der Eheleute befindet sich in A. Die Klägerin ist seit 1999 in Vorruhestand, der Kläger seit Juni 1999 als Geschäftsführer der X-Bank in Y tätig. Hierfür bezog er im Streitjahr (2000) einen Bruttoarbeitslohn von … DM. In Y bewohnt der Kläger eine Drei-Zimmer-Wohnung mit einer Gesamtwohnfläche von 94 qm. Die monatliche Warmmiete betrug im Streitjahr 2 250 DM.
Für 1999 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die im Rahmen der doppelten Haushaltsführung geltend gemachten Unterkunftskosten des Klägers für die Wohnung in Y in voller Höhe an.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger Unterkunftskosten von insgesamt 27 000 DM (12 x 2 250 DM) als Werbungskosten geltend. Hiervon berücksichtigte das FA lediglich 17 167 DM (anteilig auf eine Wohnfläche von 60 qm entfallende Mietaufwendungen), weil die Aufwendungen für eine 94 qm große Wohnung nicht notwendig seien.
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1758 veröffentlichten Gründen ab. Im Streitfall weise die vom Kläger angemietete Y-Wohnung eine Wohnfläche von 94 qm auf. Die Aufwendungen für die Nutzung einer Wohnung dieser Größe seien im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung nicht erforderlich.
Dagegen wenden sich die Kläger mit der Revision. Sie beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben sowie die Einspruchsentscheidung und den Einkommensteuerbescheid für 2000 dahingehend abzuändern, dass Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 22 868 € statt wie bisher 17 855 € angesetzt werden und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des FG lässt sich der im Rahmen der doppelten Haushaltsführung des Klägers für Wohnaufwand höchstens zu berücksichtigende Betrag nicht ermitteln. Zur Nachholung der dazu nach Maßgabe der Entscheidungsgründe notwendigen Feststellungen wird die Vorentscheidung aufgehoben und der Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.
a) Während Aufwendungen für den Haushalt des Steuerpflichtigen grundsätzlich nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG abgegolten und nach § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG nicht abziehbar sind, weisen § 4 Abs. 5 Nr. 6a EStG a.F. und § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG --wenn die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben sind-- die Kosten für das Wohnen am Beschäftigungsort dem Grunde nach dem betrieblich oder beruflich veranlassten Mehraufwand zu, dessen Abzug der Höhe nach auf das Notwendige beschränkt wird. Die Beschränkung auf das Notwendige begrenzt den Abzug auf das nach objektiven Maßstäben zur Zweckverfolgung Erforderliche. Zwar sind betrieblich oder beruflich veranlasste Aufwendungen grundsätzlich unabhängig davon, ob sie notwendig, angemessen, üblich oder zweckmäßig sind, in voller Höhe als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar (vgl. Beschluss vom 29. April 1999 IV R 40/97, BFHE 188, 374, BStBl II 1999, 828, m.w.N.). Wenn ihr Abzug aber durch das Gesetz auf das Notwendige begrenzt ist, bestimmt sich dieser nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Steuerpflichtigen, sondern nach objektiven Maßstäben.
b) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und der überwiegenden Auffassung der FG und der Literatur, den notwendigen Mehraufwand auf den angemessenen Bedarf zu beschränken. Die Grenze für den notwendigen Wohnbedarf hat sich dabei am Abzugszweck --Berücksichtigung des zusätzlichen Wohnbedarfs am Beschäftigungsort-- zu orientieren, also daran, welcher Wohnungszuschnitt für einen Steuerpflichtigen als Einzelperson erforderlich ist, der von dort seiner Arbeit nachgeht, aber an einem anderen Ort, an dem sich auch sein Lebensmittelpunkt befindet, seinen Haupthausstand beibehalten hat (vgl. BFH-Urteil vom 14. Oktober 2004 VI R 82/02, BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 24. Juni 2005 VI B 25/05, BFH/NV 2005, 1560; vom 19. Juli 2004 VI B 160/03, BFH/NV 2005, 39).
Im Hinblick auf die von Beschäftigungsort zu Beschäftigungsort erheblich schwankenden Wohnkosten sieht der Senat nicht eine betragsmäßige feste Obergrenze als sachgerecht an, sondern hält Mehraufwendungen für notwendig, soweit sie sich für eine Wohnung mit einer Wohnfläche bis zu 60 qm bei einem ortsüblichen Mietzins für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung (Durchschnittsmietzins) ergeben. Zur weiteren Begründung hinsichtlich des angemessenen Wohnbedarfs verweist der Senat auf sein Urteil vom 9. August 2007 VI R 10/06.
2. Das FG wird nunmehr Feststellungen zu treffen haben, welche Abzugsgrenze sich bei einem ortsüblichen Durchschnittsmietzins für eine bis zu 60 qm große Wohnung ergibt.
a) Der Abzugsbetrag erhöht sich nicht deshalb, weil der Kläger für Arbeitsbesprechungen eine größere Wohnung ausgesucht hat. Zwar sind Aufwendungen für ein steuerlich berücksichtigungsfähiges Arbeitszimmer im Rahmen des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG gesondert anzusetzen (vgl. Senatsentscheidung vom 9. August 2007 VI R 23/05). Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers hat das FG indessen auf der Grundlage seiner nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen verneint, so dass ein Abzug der geltend gemachten Aufwendungen auch unter diesem rechtlichen Aspekt ausscheidet.
b) Dieser Beurteilung steht auch nicht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00 (BVerfGE 107, 27, BGBl I 2003, 636, BStBl II 2003, 534) entgegen. Denn auch auf der Grundlage der vom BVerfG getroffenen Unterscheidung zwischen freier oder beliebiger Einkommensverwendung einerseits und zwangsläufigem pflichtbestimmtem Aufwand andererseits erweitert diese Differenzierung nicht den Tatbestand des häuslichen Arbeitszimmers. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das BVerfG (Beschluss vom 7. Dezember 1999 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162) gerade zu diesem Abzugstatbestand darauf hingewiesen hat, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer die private Lebensführung berühren, zwar nicht dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG unterliegen, ihre Überprüfung aber wegen des engen Zusammenhangs zur Sphäre der privaten Lebensführung und des Schutzes durch Art. 13 des Grundgesetzes wesentlich eingeschränkt oder gar unmöglich ist und deshalb die begrenzte Abzugsfähigkeit der Aufwendungen sachlich gerechtfertigt ist.
Fundstellen
BFH/NV 2007, 2272 |
HFR 2008, 64 |
NWB 2008, 8 |