Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzug größeren Erhaltungsaufwands durch Nießbraucher
Leitsatz (NV)
Läßt der Vorbehaltsnießbraucher an einem Mietwohngrundstück Gasetagenheizungen anstelle der bisherigen Öfen einbauen, kann er die Aufwendungen sofort als Werbungskosten abziehen, wenn er sie in der Nießbrauchsvereinbarung übernommen hat (Anschluß an BFH-Urteil vom 14. 11. 1989 IX R 110/85, BFHE 159, 442, BStBl II 1990, 462). Die Vereinbarung hierüber bedarf auch dann keiner Form, wenn der Nießbrauch im Zusammenhang mit der Grundstücksschenkung notariell beurkundet wurde.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1-2, § 12 Nr. 2, § 21 Abs. 1; EStDV § 82b
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Mit notariellem Übergabevertrag vom 29. Juni 1973 übergab der Kläger ein Mietwohngrundstück seinen beiden Söhnen als Miteigentümer je zur Hälfte. Gleichzeitig räumten die Söhne den Klägern auf Lebenszeit und unentgeltlich den Nießbrauch in Gesamtberechtigung ein, wobei für den Nießbrauch die gesetzlichen Bestimmungen gelten sollten. Im Streitjahr 1984 ließen die Kläger in das Gebäude mit einem Aufwand von 47 985 DM Gasetagenheizungen einbauen. Diese Kosten machten sie in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als Erhaltungsaufwand bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Dem folgte der Beklagte und Revisionbeklagte (das Finanzamt - FA -) im Einkommensteuerbescheid nicht, weil es sich um außergewöhnliche Erneuerungsarbeiten handele, welche die Söhne als Eigentümer zu tragen hätten. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen. Das FG führte im wesentlichen aus: Die Kläger könnten auch die Aufwendungen als Werbungskosten geltend machen, die sie nach dem Gesetz oder nach vertraglichen Regelungen zu tragen hätten. Nach dem Übergabevertrag von 1973 in Verbindung mit § 1041 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) seien die Kläger zu Ausbesserungen und Erneuerungen nur insoweit verpflichtet, als sie zur gewöhnlichen Unterhaltung des Gebäudes und der Wohnungen gehörten. Ihre Behauptung, es sei stillschweigend oder mündlich vereinbart worden, daß sie als Nießbraucher alle, also auch die außerordentlichen Aufwendungen zu tragen hätten, möge zutreffen. Da es sich hierbei um eine Vereinbarung zwischen Eltern und Kindern handele, die von der im notariellen Vertrag getroffenen Regelung abweichen würde, hätte es einer Vereinbarung in der gleichen, notariellen Form bedurft, damit sie steuerrechtlich anerkannt werden könnte.
Zu der als außergewöhnlich anzusehenden Erneuerung der Heizung seien die Kläger gemäß § 1043 BGB berechtigt gewesen, es habe ihnen aber gemäß § 1049 BGB ein Ersatzanspruch für ihre Aufwendungen zugestanden, den sie nicht geltend gemacht hätten. Es sei davon auszugehen, daß die im hohen Alter stehenden Kläger von vornherein keine Ersatzansprüche gegen ihre Söhne als Grundstückseigentümer hätten geltend machen wollen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Dezember 1982 VIII R 53/82, BFHE 139, 28, BStBl II 1983, 710). Bei diesem Verzicht handele es sich um eine Zuwendung an unterhaltsberechtigte Personen, die bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht abgezogen werden könne (§ 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts, insbesondere der §§ 9 Abs. 1, 12 Nr. 2, 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Sie seien wirtschaftliche Eigentümer des Grundstücks geblieben. Die strittigen Aufwendungen hätten der gewöhnlichen Unterhaltung des Gebäudes und der Wohnungen gedient (§ 1041 BGB). Für das alte Gebäude seien seit der Grundstücksübertragung tatsächlich im Jahresdurchschnitt immer Aufwendungen in ähnlicher Höhe notwendig gewesen. Außerdem sei eine vertragliche Grundlage für die Verpflichtung der Kläger, diese Aufwendungen zu tragen, durch konkludente Handlungen und eine mündliche Vereinbarung gegeben, die später zusätzlich schriftlich festgelegt worden sei. Hierbei handele es sich lediglich um eine ergänzende Nebenabrede zur Ausfüllung einer Gesetzeslücke. Die Kläger hätten die Aufwendungen im eigenen Interesse und aus dem erzielten Einnahmenüberschuß erbracht. Es lägen keine Zuwendungen an die Söhne vor.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1984 dahingehend zu ändern, daß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zusätzliche Werbungskosten in Höhe von 47 985 DM berücksichtigt werden; ferner die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig und das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Es folgt der Ansicht des FG und führt zusätzlich aus: Vereinbarungen unter nahen Angehörigen seien nach ständiger Rechtsprechung der Besteuerung grundsätzlich nur dann zugrunde zu legen, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam abgeschlossen seien und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspreche. Hierbei müßten klare und eindeutige Vereinbarungen vor Beginn des Leistungsaustausch getroffen sein. Im vorliegenden Fall widerspreche die von den Klägern behauptete mündliche Nebenabrede der notariell vereinbarten Verweisung auf die gesetzlichen Bestimmungen zum Nießbrauch. Außerdem handele es sich insoweit um eine Vertragsänderung, die wie der Nießbrauch selbst notarieller Form bedurft hätte. Unter Fremden sei es auch nicht üblich, sich über Formvorschriften bewußt hinwegzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Zwar hat das FG im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. die Nachweise bei Schmidt / Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 7 Anm. 3 e - 1 -) wirtschaftliches Eigentum des Klägers an dem Mietwohngrundstück zutreffend verneint, weil er nicht, wie nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) erforderlich, die bürgerlich-rechtlichen Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das nießbrauchsbelastete Grundstück ausschließen konnte.
Der Senat geht mit dem FG auch davon aus, daß die Kläger nicht kraft Gesetzes (§ 1041 BGB) zur Modernisierung der Heizung verpflichtet waren; denn derart aufwendige Reparaturen wie im Streitfall gehen über die ,,gewöhnliche Unterhaltung" des Gebäudes oder der Wohnungen hinaus (vgl. BFH-Urteil in BFHE 139, 28, BStBl II 1983, 710).
Das FG hat jedoch die Tragweite der von den Klägern geltend gemachten mündlichen, später schriftlich fixierten Vereinbarung über das Tragen außergewöhnlicher Reparaturaufwendungen verkannt. Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 14. November 1989 IX R 110/85 (BFHE 159, 442, BStBl II 1990, 462) kann der Vorbehaltsnießbraucher von ihm aufgewandte größere Reparaturkosten als Erhaltungsaufwand abziehen, wenn er solche Aufwendungen in der Nießbrauchsvereinbarung übernommen hat. Dabei können für den Inhalt der Nießbrauchsvereinbarung auch mündliche Abreden bedeutsam sein; denn eine - ergänzende - Vertragsauslegung ist auch bei Vereinbarungen unter nahen Angehörigen möglich. Ist die Nebenabrede tatsächlich durchgeführt, kommt es auch auf deren Form nicht an (vgl. die Rechtsprechungsnachweise im Senatsurteil in BFHE 159, 442, BStBl II 1990, 462).
Geht man hiervon aus, kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben, weil das FG rechtsfehlerhaft offen gelassen hat, ob die Kläger eine Vereinbarung über die Tragung außergewöhnlicher Reparaturkosten getroffen haben.
Die von den Klägern geltend gemachte Nebenabrede steht entgegen der Auffassung des FA nicht in Widerspruch zur notariell vereinbarten Verweisung auf die gesetzlichen Vorschriften zum Inhalt des Nießbrauchs. Abgesehen davon, daß es zur Anwendung dieser Bestimmungen keiner besonderen Vereinbarung bedarf (Petzold in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., Rdnr. 13 vor § 1030), ist nach der Gesetzesregelung weder der Nießbraucher noch der Eigentümer verpflichtet, eine außergewöhnliche Ausbesserung oder Erneuerung auf seine Kosten vorzunehmen (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 27. Juni 1969 V ZR 89/66, BGHZ 52, 229, 237). Daher ist allgemein anerkannt, daß die Beteiligten hierüber zusätzliche schuldrechtliche Vereinbarungen treffen können (Petzold, a. a. O., Rdnr. 14 ff. und § 1041 Rdnr. 1; Promberger in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., § 1041 Rdnr. 1).
Das FG hat rechtsfehlerhaft die Wirksamkeit einer solchen Nebenabrede von der Wahrung derselben notariellen Form wie die Nießbrauchsbestellung abhängig gemacht. Der Nießbrauch an Grundstücken entsteht nach §§ 873, 874, 1030 BGB durch Einigung der Beteiligten und Eintragung im Grundbuch (BFH-Urteil vom 7. März 1974 IV R 232/71, BFHE 112, 141, BStBl II 1974, 483, Nr. 1 b bb der Gründe; Petzold, a. a. O., Rdnr. 25 vor § 1030). Die Verpflichtung zur Nießbrauchsbestellung bedarf keiner Form (BGH-Urteil vom 19. Juni 1957 IV ZR 214/56, BGHZ 25, 1, 4). Ein Erfordernis notarieller Beurkundung für die Nebenabrede kann auch nicht darauf gestützt werden, daß sich wegen der gleichzeitigen Grundstücksübertragung der Formzwang des § 313 Satz 1 BGB auch auf die Nießbrauchsvereinbarung erstreckt (vgl. zu zusammengesetzten Verträgen Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 49. Aufl., § 313 Anm. 8 a und c mit Rechtsprechungsnachweisen). Selbst wenn die Formbedürftigkeit der Nebenabrede unterstellt würde, wäre der Formmangel gemäß § 313 Satz 2 BGB mit der Auflassung und Grundbucheintragung geheilt (vgl. BGH-Urteil vom 11. November 1983 V ZR 211/82, BGHZ 89, 41, 48; Palandt, a. a. O., Anm. 12 e-aa).
Die Behauptung des FA, daß solch formlose Nebenabreden unter Fremden nicht üblich seien, entbehrt der Begründung; dagegen spricht schon die Vielzahl zivilgerichtlicher Entscheidungen, die zu § 313 Satz 2 BGB ergangen sind.
Die nicht spruchreife Sache geht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Hinsichtlich der noch zu klärenden Fragen wird auf das Senatsurteil in BFHE 159, 442, BStBl II 1990, 462 verwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 417214 |
BFH/NV 1991, 157 |