Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Berlinzulage für das Computerprogramm ,,Wordstar- Textverarbeitung"
Leitsatz (NV)
Das Computerprogramm ,,Wordstar- Textverarbeitung" ist ein immaterielles Wirtschaftsgut, für das eine Investitionszulage nicht gewährt wird.
Normenkette
BerlinFG § 19
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in Berlin (West) eine Druckerei. Im Streitjahr 1984 erwarb sie unter anderem das Computerprogramm ,,Wordstar-Textverarbeitung" zum Preis von 1 280 DM. Es handelt sich um ein problemorientiertes Standardprogramm, mit dessen Hilfe die Silbentrennung und die Gliederung von Schriften vorgenommen wird.
Mit Änderungsbescheid vom 17. Oktober 1986 setzte der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) die Berlinzulage auf . . . DM fest. Dabei versagte das FA die Zulage für das Programm mit der Begründung, daß es sich dabei um ein immaterielles Wirtschaftsgut handele.
Die Klage hatte in diesem Punkt Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stellte fest, daß der Vertrag, mit dem die Klägerin das Programm erworben hat, kein Miet- oder Lizenzvertrag, sondern ein Kaufvertrag ist und daß die Klägerin an dem Programm das Eigentum erworben hat. Das FG sieht in dem Programm ein sog. fixes Standardprogramm (vgl. Walter in Der Betrieb - DB - 1980, 1815 - 1817 -), bei dem sich die geistige Leistung weitgehend materialisiert habe. Das ist nach Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise (Gutachten der Industrie- und Handelskammer Berlin vom 11. Oktober 1984, vgl. dazu näher Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Juli 1987 III R 7/86, BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728) dann der Fall, wenn Computerprogramme hinsichtlich der Auflagenhöhe, des Verhältnisses von Herstellungskosten zu dem Einzelverkaufspreis und hinsichtlich des Vertriebsweges mit Büchern oder Schallplatten vergleichbar sind.
Bei dem Wordstar-Textverarbeitungsprogramm handele es sich - so das FG - bereits um ein solches Programm. Das Programm sei bis zum Sommer 1984 bereits über 1,5 millionenmal verkauft worden. Der Verkaufserfolg beruhe darauf, daß es wegen seiner Anpassung an gängige Betriebssysteme auf über 20 verschiedenen Computern genutzt werden könne. Diese hohe Auflage stelle sicher, daß der Einzelverkaufspreis, den der Anwender zu zahlen habe, nur noch einen Bruchteil der Entwicklungskosten des Programms betrage. Das streitige Textverarbeitungsprogramm werde über den Fachhandel und sogar über den Versandhandel vertrieben, ohne daß der Käufer mit dem Hersteller des Programms in einen direkten Kontakt trete.
Gegen das Urteil wendet sich das FA mit dem Antrag, das FG-Urteil insoweit aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen, als das FG der Klägerin für das Wordstar-Textverarbeitungsprogramm eine Berlinzulage gewährt hat.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
Der Senat hat inzwischen über die hier streitige Frage in seinem Grundsatzurteil in BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728 entschieden. Er sieht in den anwendungsorientierten Computerprogrammen auch dann immaterielle Wirtschaftsgüter, wenn sie nicht für einen speziellen Zweck entwickelt (sog. Individualprogramme), sondern wenn sie dank einer gleichgerichteten Aufgabenstellung bei Anwendern in einer Vielzahl von Fällen kopiert und vertrieben werden (sog. Standardprogramme). Für den Senat stand dabei der Gedanke im Vordergrund, daß der Anwender eines solchen Programms bei seinem Erwerb in erster Linie an dem geistigen Gehalt des Programms interessiert ist, mit dem er in seinem Betrieb oder Büro vielfältige Aufgaben lösen kann, und daß dem Datenträger nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt.
Demgegenüger sind die Kriterien, von denen die Vorentscheidung ausgegangen ist, bei der Beurteilung der Frage, ob Computerprogramme materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter sind, nicht brauchbar. Dazu hat sich der Senat in seinem Urteil in BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728 unter Nr. 3 Buchst. a bis c ebenfalls bereits geäußert. So hat er seine frühere Auffassung (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1982 III R 132/81, BFHE 138, 126, BStBl II 1983, 647), daß die Verträge (Kauf- oder Nutzungsverträge) eine Grundlage für die investitionszulagerechtliche Beurteilung abgeben könnten, aufgegeben. Der von Walter (DB 1980, 1815 - 1817 -) geprägte Begriff des ,,datenträgergebundenen fixen Standardprogramms" ist für eine Abgrenzung ebenfalls nicht geeignet. Denn der inzwischen erreichte Grad der Standardisierung von Software geht über den Einsatzbereich des Mikro- und Personalcomputers, den Walter vorrangig im Auge hatte, bereits weit hinaus. Schließlich sind die im Gutachten der Industrie- und Handelskammer Berlin vom 11. Oktober 1984 genannten Abgrenzungskriterien untauglich.
An dieser Beurteilung kann auch der Umstand nichts ändern, daß das Wordstar- Textverarbeitungsprogramm inzwischen millionenfach veräußert worden ist. Wie der Senat inzwischen in einem weiteren Urteil entschieden hat (vgl. Urteil vom 5. Februar 1988 III R 49/83, BFHE 153, 269) ist bei der Beurteilung eines Computerprogramms entscheidend auf die Funktion abzustellen, die ein solches Programm im Betrieb oder Büro des Anwenders hat. Dabei spielt die Frage, wie oft ein Programm inzwischen ,,verkauft" worden ist, keine Rolle.
Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung verweist der Senat auf sein Urteil in BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728.
In der bereits zitierten Entscheidung in BFHE 153, 269 hat der Senat angedeutet, daß abweichend von den vorstehend dargelegten Grundsätzen ein anwendungsorientiertes Computerprogramm ausnahmsweise dann ein materielles Wirtschaftsgut sein könne, wenn es selbst keine Befehlstruktur aufweist, sondern wenn auf ihm lediglich allgemein bekannte und jedermann zugängliche Bestände von Daten (z. B. von Zahlen oder Buchstaben) gespeichert sind, die im Bedarfsfalle in den Computer eingegeben werden. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch offensichtlich nicht vor.
Da die Vorentscheidung diesen Grundsätzen nicht entspricht, war sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Investitionszulage wird anderweitig auf . . . DM festgesetzt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen
Haufe-Index 415946 |
BFH/NV 1989, 128 |
NJW 1990, 408 |