Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübereignung zwischen Verwandten unter Gründung einer GmbH
Leitsatz (NV)
Zur Haftung des Erwerbers bei Übereignung des Betriebes einschließlich (Weiter-) Vermietung wesentlicher Betriebsräume zwischen verwandtschaftlich verbundenen Personen unter Neugründung einer GmbH.
Normenkette
AO 1977 § 75
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die einen Einzelhandel mit Artikeln der Elektro-, Radio- und Fernsehbranche, den Betrieb einer Kundendienst- und Reparaturwerkstätte und die Ausführung von Elektroinstallationen betreibt. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin ist X.
Die Klägerin wurde am 1. Juni 1985 gegründet. Sie übernahm durch Kaufvertrag von diesem Tage das Anlage- und Umlaufvermögen der ursprünglich vom Vater des X betriebenen, später von dessen Mutter fortgeführten Einzelfirma, deren Geschäftsgegenstand die Elektroinstallation, der Groß- und Einzelhandel mit Radio-, Fernseh- und Elektrogeräten aller Art sowie die Reparatur solcher Geräte gewesen war. Der Kaufpreis des übernommenen Vermögens (Warenbestand, Fuhrpark, Laden- und Werkstatteinrichtung, Garage, Geschäftsanteil Interfunk) betrug . . . DM zuzüglich . . . DM Umsatzsteuer. Die Klägerin betreibt ihr Unternehmen in denselben Geschäftsräumen wie die Einzelfirma. Dieser waren die Geschäftsräume von X vermietet worden, der den Mietvertrag mit der Einzelfirma zum 31. Mai 1985 kündigte. Ebenfalls zum 1. Juni 1985 gründete im Rückgebäude desselben Anwesens ein ehemaliger Arbeitnehmer der Einzelfirma X unter der Firma A-Service eine Rundfunkreparaturwerkstatt. Er übernahm von der Einzelfirma X Meßgeräte, Werkzeuge und Inventar aus der Rundfunkwerkstatt zum Preis von . . . DM und Ersatzteile für Rundfunk-, Fernseh- und Videogeräte zum Preis von . . . DM. Die Klägerin schloß mit der Firma A-Service einen Kooperationsvertrag über die Durchführung von Rundfunkreparaturen, der sie verpflichtete, sämtliche Reparaturfälle an den Kooperationspartner weiterzuleiten.
Durch Haftungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Klägerin als Erwerberin nach § 75 der Abgabenordnung (AO 1977) für rückständige Umsatzsteuer Mai 1985 der Einzelfirma X in Höhe von . . . DM in Anspruch. Die Haftung wurde auf den Wert des übernommenen Vermögens beschränkt. Die Klage der Klägerin gegen den Haftungsbescheid blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:Die Klägerin habe als Erwerberin des Unternehmens den Haftungstatbestand des § 75 AO 1977 erfüllt. Die Ermessensentscheidung des FA, sie als Haftende in Anspruch zu nehmen, sei sachgerecht, weil Beitreibungsmaßnahmen gegen die Inhaberin der übernommenen Einzelfirma ohne Erfolg geblieben seien und enge verwandtschaftliche Beziehungen zwischen der Veräußerin und dem Alleingesellschafter der Klägerin bestünden, die ein verstärktes öffentliches Interesse an dem Erlaß des Haftungsbescheids begründeten.
Dem Einwand der Klägerin, sie habe kein lebendes Unternehmen, sondern allenfalls einzelne Vermögensgegenstände übernommen, könne nicht gefolgt werden. Die Einzelfirma sei nicht konkursreif gewesen. Sie habe vielmehr in 1984 rd. . . . Mio. DM umgesetzt und im März/April 1985 noch einen Umsatz von . . .DM gehabt. Die Umsätze der Klägerin selbst, die sich ab Juni 1985 nahtlos an die Übernahme angeschlossen hätten, hätten bis Dezember 1985 ca. . . . Mio. DM betragen. Nennenswerte Neuinvestitionen habe die Klägerin nach der Übernahme nicht vorgenommen. Sie sei damit in der Lage gewesen, mit den von ihr übernommenen Wirtschaftsgütern das Unternehmen fortzuführen.
Das Unternehmen der Eltern des X sei auch im ganzen, d. h. in seinen wesentlichen Grundlagen, auf die Klägerin übergegangen. Bei einem Groß- oder Einzelhandelsgeschäft gehörten - von Ausnahmen abgesehen - das Warenlager und die Ladeneinrichtung zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen. Diese seien ebenso wie der Fuhrpark von der Klägerin übernommen worden. Zu den wesentlichen Grundlagen von Unternehmen der vorliegenden Art gehörten auch die Betriebsräume, mithin das Grundstück, von dem aus das Unternehmen betrieben werde. Könne ein solches Betriebsgrundstück an den Erwerber nicht übereignet werden, weil es im Eigentum eines Dritten stehe und vom Veräußerer nur angemietet sei, so reiche es für die Haftung gemäß § 75 Abs. 1 AO 1977 aus, wenn der Veräußerer beim Abschluß eines Mietvertrags durch den Erwerber mitwirke. Es gebe aber auch Fallgestaltungen, in denen der Veräußerer an der Übertragung von Nutzungsmöglichkeiten nicht mitwirken müsse. Im Streitfall sei X, der Sohn der Inhaberin des Einzelunternehmens, Eigentümer des Betriebsgrundstücks gewesen. Eine Mitwirkung der Veräußerin bei der Übertragung des Nutzungsrechts auf die Klägerin sei deshalb hier nicht erforderlich gewesen, weil der Grundstückseigentümer X gleichzeitig alleingeschäftsführender Gesellschafter der Klägerin gewesen sei. Die Klägerin sei somit in der Lage gewesen, auch ohne Mitwirkung Dritter das Grundstück zu nutzen.
Dagegen stelle die Rundfunkwerkstatt, die von der Firma A-Service übernommen worden sei, keine wesentliche Betriebsgrundlage des vormals betriebenen Einzelunternehmes dar; es brauche deshalb nicht entschieden zu werden, ob sie einen eigenen Teilbetrieb dargestellt habe. Wie sich aus dem Kooperationsvertrag ergebe, mit dem sich die Klägerin die Durchführung der in ihrem Unternehmen anfallenden Rundfunk- und Fernsehreparaturen durch den A-Service gesichert habe, sei bei Betrieben der vorliegenden Art die Unterhaltung einer eigenen Reparaturwerkstatt keine unabdingbare Voraussetzung für den Bestand des Unternehmens.
Es spiele deshalb im Streitfall für die Frage der Haftung keine Rolle, daß die Klägerin den ursprünglichen Geschäftsbetrieb eingeschränkt habe. Die Haftung nach § 75 Abs. 1 AO 1977 verlange keine Identität zwischen dem veräußerten und dem erworbenen Betrieb. Somit sei auch der Wegfall des Großhandelsbereichs und die Aufgabe des unbedeutenden Verkaufs von Heimorgeln durch die Klägerin für die Haftungsfrage ohne Bedeutung. Auch die Übernahme nur eines Teils der Arbeitnehmer der früheren Einzelfirma könne für die Frage der Haftung unberücksichtigt bleiben.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß es für die Erfüllung des Haftungstatbestands nach § 75 AO 1977 genüge, wenn der Erwerber einen Teil des Personals wieder einstelle, dem der Veräußerer zuvor wegen Zahlungseinstellung gekündigt habe. Das FG habe den Betriebsbegriff i. S. des § 75 Abs. 1 AO 1977, der wie im Zivilrecht als die organisatorische Zusammenfassung persönlicher und sachlicher Mittel ausgelegt werden müsse, verkannt. In der Wiedereinstellung von Arbeitskräften könne kein Übergang von Betriebsgrundlagen liegen, weil sie ohne Mitwirkung des Veräußerers erfolge. Aus den gleichen Gründen finde in solchen Fällen auch § 613 a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) keine Anwendung.
Abzulehnen sei auch die Auffassung des FG, es komme für die Haftung nicht darauf an, daß die Inhaberin der Einzelfirma ihr (der Klägerin) nicht das zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörende Grundstück verschafft habe, weil dieses ihrem Gesellschafter und Geschäftsführer bereits gehört habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof (BFH) müsse der Betriebsveräußerer, der nicht Eigentümer, sondern nur Mieter des Betriebsgrundstücks sei, an der wirtschaftlichen Übertragung dieser wesentlichen Betriebsgrundlage positiv mitwirken. Hier habe aber sie (die Klägerin) den Besitz am Betriebsgrundstück gegen den Willen der Inhaberin der Einzelfirma, der auch das Mietverhältnis gekündigt worden sei, erlangt. Die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen der Vormieterin und ihrem Alleingesellschafter seien unbeachtlich.
Bei der Beurteilung der wesentlichen Grundlagen des übereigneten Unternehmens habe das FG zu Unrecht das Anlagevermögen des Reparaturdienstes, das zum Preise von . . . DM an die Firma A-Service verkauft worden sei, außer acht gelassen. Wie sie - die Klägerin - mehrfach vorgetragen habe, habe das Schwergewicht des Einzelunternehmens auf dem Verkaufsgeschäft gelegen, das kundendienstbezogen mit hierfür geeignetem Personal betrieben worden sei.
Das FG habe das für die Haftung erforderliche Maß der Identität zwischen veräußertem und erworbenem Betrieb verkannt. Eine Fortführung des Unternehmens in eingeschränktem Umfang gebe es nach der Rechtsprechung nur im Hinblick auf das Umsatzvolumen und nicht - wie das FG meine - im Hinblick auf bestimmte Betriebsbereiche. Der Kooperationsvertrag mit der Firma A-Service als Rechtstatsache sei im Zusammenhang mit der Beurteilung des Reparaturbetriebes als wesentliche Betriebsgrundlage fehlerhaft gewürdigt worden.
Das FG habe zu Unrecht nicht dazu Stellung genommen, ob die Haftung nicht nach § 75 Abs. 2 AO 1977 ausgeschlossen gewesen sei. Im Streitfall sei die Inhaberin der Einzelfirma X zum Zeitpunkt des Verkaufs der Betriebsmittel zahlungsunfähig gewesen; eine Konkurseröffnung sei nicht beantragt worden, weil sie mangels Masse abgelehnt worden wäre. Der Zwang zur Betriebseinstellung und zur Verwertung der Betriebsmittel sei wirtschaftlich mit dem Fall der Veräußerung der Vermögensgegenstände durch einen Sicherungsnehmer zu vergleichen, für den der BFH das Vorliegen eines übereignungsfähigen Unternehmens verneint habe. Auch in der Hand der Inhaberin der Einzelfirma sei wegen Sicherungen (für die Gläubiger) und Eigentumsvorbehalts frei verwertbares Betriebsvermögen nur im beschränkten Umfang vorhanden gewesen. Das FG habe die Frage, ob überhaupt ein übereignungsfähiges Unternehmen vorliege, allein anhand der Umsätze beurteilt. Die Umsatzkraft der Erwerberin komme aber aus anderen Quellen als die der Veräußerin.
Das FG habe zu den folgenden Punkten seine Aufklärungspflicht verletzt:
Es sei der Frage nach der Betriebsstruktur und Betriebsorganisation (Handel, Reparatur, Installation als selbständig geführte Untereinheiten des Gesamtbetriebs) der Einzelfirma X nicht nachgegangen, sondern habe unter Hinweis auf den erst später von der Klägerin abgeschlossenen Kooperationsvertrag gefolgert, daß der Rundfunkreparaturbetrieb keine wesentliche Bedeutung gehabt habe. Bei der Feststellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen habe das FG ausschließlich auf den Handelsbereich der Einzelfirma X abgestellt und das Anlagevermögen des Reparatur- und Installationsdienstes nicht berücksichtigt. Dem Gericht sei aber bekannt gewesen, daß die gesamte Einrichtung der Rundfunkwerkstatt von dem anderen Erwerber zum Pauschalpreis von . . . DM übernommen worden sei, während sie (die Klägerin) für die Laden- und Werkstatteinrichtung einschließlich Installationsmaterial nur . . . DM bezahlt habe. Das Übergewicht des Anlagevermögens des Rundfunk- und Fernseh-Bereichs gegenüber dem Anlagevermögen des Installationsbereichs und des Handels sei damit für das FG erkennbar gewesen. Ferner fehlten Feststellungen zu dem vom FG behaupteten Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Vermietung der Betriebsräume und zu der Frage, ob ein lebensfähiges Unternehmen übereignet worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Die Haftung des Erwerbers für bestimmte Betriebssteuern und Steuerabzugsbeträge des Veräußerers nach § 75 Abs. 1 AO 1977 setzt voraus, daß diesem ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen übereignet worden ist. Die Übereignung eines Unternehmens im ganzen bedeutet den Übergang des gesamten lebenden Unternehmens, d. h. der durch das Unternehmen repräsentierten organischen Zusammenfassung von Einrichtungen und dauernden Maßnahmen, die dem Unternehmen dienen oder mindestens seine wesentlichen Grundlagen ausmachen, so daß der Erwerber das Unternehmen ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortführen kann (Urteil des Senats vom 18. März 1986 VII R 146/81, BFHE 146, 492, BStBl II 1986, 589, 591).
Das FG ist auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen und der vorstehenden Rechtsgrundsätze ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin den Haftungstatbestand des § 75 AO 1977 erfüllt hat, weil sie die wesentlichen Grundlagen des lebenden Unternehmens, das von der Einzelfirma X nahezu bis zum Zeitpunkt des Übergangs (1. Juni 1985) betrieben worden ist, erworben und das Unternehmen ohne größere Neuanschaffungen fortgeführt hat. Die Haftung der Klägerin erstreckt sich auf die im Betrieb der Einzelfirma - einschließlich der hier streitigen Unternehmensveräußerung (vgl. BFH-Beschluß vom 28. Januar 1982 V S 13/81, BFHE 135, 394, BStBl II 1982, 490) - begründete Umsatzsteuer für Mai 1985, da diese zweifelsfrei innerhalb des in § 75 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 definierten Haftungszeitraums entstanden und angemeldet worden ist. Der Senat nimmt hinsichtlich der Erfüllung des Haftungstatbestands sowie hinsichtlich der sachgerechten Ermessensausübung des FA bei der Inanspruchnahme der Klägerin (§ 191 Abs. 1 AO 1977) auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz Bezug. Die von der Revision gegen die Vorentscheidung erhobenen Einwendungen und Verfahrensrügen greifen nicht durch.
2. Das FG hat die Haftung der Klägerin nach § 75 AO 1977 mit der Begründung bejaht, daß diese die wesentlichen Grundlagen des Betriebsvermögens der Einzelfirma X übernommen hat. Es hat dabei - im Gegensatz zum Vorbringen der Klägerin - der Übernahme des Personals der früheren Firma ausdrücklich keine Bedeutung für die Haftung beigemessen. Es kommt somit nach Auffassung des FG nicht darauf an, daß die Arbeitnehmer im Streitfall nur zum Teil und erst nach vorausgegangener Kündigung durch die Veräußerin von der Klägerin wieder eingestellt (und nicht im Wege des Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB übernommen) worden sind.
Diese Rechtsauffassung ist nicht zu beanstanden. Ob die Rechtsbeziehungen zu den Arbeitnehmern zu den wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens gehören, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls und unterliegt weitgehend der tatsächlichen Würdigung durch das FG, an die das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist. Im übrigen hat die Klägerin in der Vorinstanz selbst vorgetragen, daß die überwiegende Mehrzahl der Arbeitnehmer der Einzelfirma X von der Klägerin weiterbeschäftigt worden ist. Nach dem Urteil des Senats vom 26. März 1985 VII R 147/81 (BFH/NV 1986, 64) reicht es für die Haftung des Betriebsübernehmers aus, wenn ein Teil der Arbeitnehmer des veräußerten Unternehmens vom Erwerber wieder eingestellt wird. Der Senat braucht deshalb für die steuerrechtliche Haftung nicht zu entscheiden, ob arbeitsrechtlich die Kündigung der Arbeitsverhältnisse durch die Veräußerin gemäß § 613 a Abs. 4 BGB wegen des Betriebsübergangs unwirksam war. Auf die im dortigen Urteilsfall ferner gegebene Fortführung der Aufträge des erworbenen Unternehmens kommt es - entgegen der Auffassung der Klägerin - in diesem Zusammenhang nicht an.
3. Zu den wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens der im Streitfall übernommenen Art - Handel mit Elektro-, Radio- und Fernsehgeräten nebst Elektroinstallationen - gehören, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, auch die Betriebsräume, in denen das Unternehmen betrieben worden ist (vgl. Senat in BFHE 146, 492, BStBl II 1986, 589, 591). Können diese nicht im bürgerlich-rechtlichen Sinne übereignet werden, weil sie nicht im Eigentum des Veräußerers stehen, sondern von diesem - wie im Streitfall - nur gemietet oder gepachtet worden sind, so genügt es für die Erfüllung des Haftungstatbestands des § 75 AO 1977, daß sie dem Erwerber im wirtschaftlichen Sinne übereignet werden. Hierzu muß der Veräußerer dem Erwerber die Möglichkeit verschaffen, über die dem Betrieb des Unternehmens dienenden Räume einen neuen Mietvertrag abzuschließen (Senat in BFH/NV 1986, 64, 65). Die Rechtsprechung des BFH verlangt für den Regelfall, daß der Veräußerer an dem Abschluß des neuen Miet- oder Pachtvertrags zwischen dem Erwerber und dem Grundstückseigentümer mitwirkt (BFHE 146, 492, BStBl II 1986, 589, 591). Das FG konnte aber aufgrund der hier vorliegenden besonderen Verhältnisse davon ausgehen, daß es im Streitfall einer Mitwirkung i. S. eines positiven aktiven Tuns der Inhaberin der Einzelfirma bei dem Abschluß des Mietvertrags über die Betriebsräume zwischen der Klägerin und dem Grundstückseigentümer nicht bedurfte.
Die Klägerin hat, vertreten durch ihren alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer X, die Betriebsräume von X als dem Grundstückseigentümer gemietet. In diesem Falle bedurfte es - wie das FG ausgeführt hat - für das Zustandekommen des Mietvertrages keiner aktiven Mitwirkung der Vormieterin und Veräußerin des Unternehmens. Es genügte vielmehr für die hier maßgebliche Übereignung im wirtschaftlichen Sinne, daß die Veräußerin mit dem Übergang der Nutzungsmöglichkeit auf die Klägerin einverstanden war (vgl. ähnlich: Gestattung der Nutzungsmöglichkeit durch den Betriebsveräußerer im Urteil des Senats vom 9. Juli 1985 VII R 126/80, BFH/NV 1986, 65, 67), woran im Hinblick auf die Tatsache, daß es sich um die Mutter des X handelte, die zudem daran interessiert war, ihren Betrieb an die von ihrem Sohn gegründete GmbH zu veräußern, keine Zweifel bestehen können. Das FG hat nicht festgestellt, daß sich die Inhaberin der Einzelfirma der vorangegangenen Kündigung des Mietvertrags durch X widersetzt hätte. Bei der nicht näher substantiierten Behauptung der Revision, der Besitz am Betriebsgrundstück sei gegen den Willen der früheren Betriebsinhaberin auf die Klägerin übergegangen, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden kann (§ 118 Abs. 2 FGO).
Das FG durfte - entgegen der Auffassung der Klägerin - die zwischen den Beteiligten bestehenden verwandtschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen und die sich daraus ergebende Interessenlage in seine Tatsachenwürdigung, an die der Senat gebunden ist, einbeziehen. Von einem Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten ist das FG nicht ausgegangen, so daß die insoweit erhobene Aufklärungsrüge (§ 76 Abs. 1 FGO) ins Leere geht. Der Senat hat zwar entschieden, daß es für die Übereignung i. S. des § 75 AO 1977 nicht ausreicht, wenn das nach wie vor für Unternehmenszwecke genutzte Grundstück nicht im Eigentum der Betriebsübernehmerin steht, sondern im Eigentum eines Dritten, der als Gesellschafter und Geschäftsführer der Erwerberin mit dieser eng verbunden ist (Urteile vom 16. März 1982 VII R 105/79, BFHE 135, 239, BStBl II 1982, 483, 485, und in BFHE 146, 492, BStBl II 1986, 589, 591). Die Ausführungen zur Begründung dieser Entscheidungen stehen aber der Annahme einer wirtschaftlichen Übereignung der dem Unternehmen dienenden Räume im Streitfall nicht entgegen. Denn in den vorgenannte Urteilsfällen beruhte die fortbestehende Nutzungsmöglichkeit der Räume bei dem früheren und dem späteren Betriebsinhaber auf unterschiedlichen Rechtspositionen (Eigentum und Miete), während im Streitfall dieselbe Rechtsposition am Grundstück (Mietrecht) von der Veräußerin auf die Klägerin übergegangen ist.
4. a) Soweit das FG neben der Nutzungsmöglichkeit an den Betriebsräumen das zum Preis von . . . DM erworbene Warenlager und die Laden- und Werkstatteinrichtung (Preis . . . DM) als die wesentlichen Betriebsgrundlagen des übernommenen Unternehmens angesehen hat, die die Haftung der Klägerin nach § 75 AO 1977 rechtfertigen, handelt es sich um eine Feststellung tatsächlicher Art, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich gebunden ist (Urteil des Senats in BFH/NV 1986, 65). Die Feststellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen durch die Vorinstanz beruht auf einer zutreffenden Gesetzesauslegung und verstößt im Hinblick auf die Art des übernommenen und von der Klägerin fortgeführten Unternehmens - entgegen der Auffassung der Revision - nicht gegen die Denkgesetze. Das FG ist bei seiner Beurteilung der wesentlichen Betriebsgrundlagen zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin mit deren Übernahme in der Lage war, das Unternehmen ohne nennenswerte Neuinvestitionen fortzuführen.
Dabei hat das FG - wie der Urteilstatbestand zeigt - entgegen der Revision den Verkauf des Anlagevermögens der Rundfunkreparaturwerkstatt zum Preis von . . . DM - neben Ersatzteilen für . . . DM - durch die Einzelfirma X an die Firma A-Service nicht unberücksichtigt gelassen. Auch insoweit ist die Rüge der Klägerin, das FG habe seine Aufklärungspflicht (§ 76 FGO) verletzt, weder in der gebotenen Form vorgebracht (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO) noch begründet. Das FG konnte unter Berücksichtigung der Wertverhältnisse der Gegenstände des Betriebsvermögens, die insgesamt an die Klägerin und an die Firma A-Service verkauft worden sind, sowie der uneingeschränkten Möglichkeit der Betriebsfortführung durch die Klägerin ohne weitere Sachaufklärung zu dem Ergebnis gelangen, daß die Rundfunkreparaturwerkstatt keine wesentliche Betriebsgrundlage des zuvor betriebenen Einzelunternehmens darstellte. Für diese Beurteilung kam es nicht entscheidend auf den Umfang und Wert des Anlagevermögens der Reparaturwerkstatt an. Wie die Klägerin selbst vorträgt, lag das Schwergewicht der Einzelfirma auf dem Verkaufsgeschäft. Die im Rahmen des Rundfunk- und Fernsehgeschäfts anfallenden Kundendienst- und Reparaturleistungen konnte die Klägerin als Betriebsübernehmerin - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - auch durch ein Serviceunternehmen durchführen lassen, bzw. ihre Kunden insoweit an die Firma A-Service verweisen.
b) Durch die Auslagerung und den Verkauf der Rundfunkreparaturwerkstatt an einen anderen Unternehmer wird die notwendige Identität zwischen dem veräußerten und dem von der Klägerin erworbenen Betrieb (vgl. v. Wallis in Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 75 AO 1977 Anm. 10; Schulze zur Wiesche, Die Haftung des Erwerbers eines Unternehmens für betriebsbedingte Steuern, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1972, 560, 561) nicht berührt. Maßgeblich für die Erfüllung des Haftungstatbestands ist die Übernahme der wesentlichen Betriebsgrundlagen, durch die der Erwerber die Möglichkeit erlangt, das Unternehmen ohne wesentliche finanzielle Aufwendungen fortzuführen. Diese Voraussetzungen liegen - wie ausgeführt - im Streitfall vor. Daß die Weiterführung des Betriebs - bedingt durch organisatorische Veränderungen - nur im eingeschränkten Umfang erfolgt, schließt nach der Rechtsprechung des Senats die Haftung des Erwerbers nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli 1985 VII R 129/80, BFH/NV 1986, 573, 576; ebenso Barth, Die Haftung des Erwerbers von Unternehmen für die Betriebssteuern, Betriebs-Berater - BB - 1975, 1150, 1154). Denn für die Haftung kommt es allein darauf an, daß der Erwerber sich die wirtschaftliche Kraft des übernommenen Unternehmens - sei es durch Verpachtung, Weiterveräußerung oder Stillegung zur Steigerung der Erträge des eigenen Betriebs - zuführen und daraus die rückständigen Betriebsteuern zahlen kann (Senat in BFH/NV 1986, 573, 575 m. w. N.). Das kann auch dann der Fall sein, wenn er einen nicht wesentlichen Betriebsbereich nicht selbst übernommen hat. Daraus folgt, daß eine unschädliche Beschränkung des Umfangs der Unternehmensfortführung sich - wie im Streitfall - auch aus einer Veränderung der Betriebsorganisation ergeben kann und sich nicht nur - wie die Revision meint - auf das Umsatzvolumen beziehen muß. Das Unternehmen der Einzelfirma ist im übrigen von der Klägerin nach außen hin ohne wesentliche Veränderungen fortgeführt worden, da die Klägerin ihren Kunden gegenüber für die weitere Durchführung der notwendigen Garantiearbeiten und Reparaturen hinsichtlich der von ihr verkauften Rundfunk- und Fernsehgeräte durch Abschluß des Kooperationsvertrages mit der Firma A-Service gesorgt hat. Die hiermit übereinstimmende Auslegung des Kooperationsvertrages durch das FG ist entgegen der Meinung der Revision nicht zu beanstanden.
5. Das FG ist auch mit Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin ein lebendes Unternehmen und nicht nur einzelne Vermögensgegenstände erworben hat. Das ergibt sich bereits daraus, daß sie in der Lage war, das erworbene Unternehmen ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortzuführen. Ferner hat die Einzelfirma X - wie das FG festgestellt hat - im Jahre 1984 und noch in den Monaten März und April 1985 Umsätze in einer Größenordnung erzielt, die in etwa den Umsätzen der Klägerin im ersten Wirtschaftsjahr entsprachen. Da die Klägerin das erworbene Unternehmen ohne wesentliche Neuinvestitionen in nahezu unveränderter Form fortgeführt hat, kann der Auffassung der Revision nicht gefolgt werden, ihre Umsatzkraft beruhe auf anderen Quellen als die der Veräußerin. Eine kurzfristige Stillegung des veräußerten Unternehmens, die hier allenfalls im Monat Mai 1985 vorgelegen haben könnte, ändert nichts an der fortwährenden Existenz eines lebenden Unternehmens (Urteil des Senats vom 12. März 1985 VII R 140/81, BFH/NV 1986, 62, 63; Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 75 AO 1977 Tz. 5 a. F.). Auch die von der Klägerin behauptete Überschuldung der Rechtsvorgängerin steht der Annahme eines lebenden Unternehmens nicht entgegen (Urteil des Senats in BFH/NV 1986, 65, 67); denn maßgebend für die Haftung ist die - hier bei nachträglicher Betrachtung erwiesene - fortbestehende Ertragskraft des Unternehmens, die es dem Erwerber ermöglicht, die Betriebsschulden zu bezahlen.
Nach dem Urteil des BFH vom 8. Juli 1982 V R 138/81 (BFHE 137, 388, BStBl II 1983, 282) liegt indes ein übereignungsfähiges Unternehmen nicht vor, wenn die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des veräußerten Unternehmens mangels Masse abgelehnt worden ist und sich die wesentlichen verwertbaren Betriebsgrundlagen im Veräußerungszeitpunkt im Eigentum Dritter befunden haben. Es kann dahinstehen, ob auch im Streitfall - wie die Revision behauptet - die Inhaberin der Einzelfirma zahlungsunfähig war und ein Konkursantrag gegen sie mangels Masse abgelehnt worden wäre. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, lag ein dem vorgenannten Urteilsfall entsprechender Sachverhalt nicht vor, weil das veräußerte Unternehmen bis zuletzt lebensfähig war. Das FG hat auch nicht festgestellt, daß hier die wesentlichen Betriebsgrundlagen im Eigentum Dritter gestanden hätten; Verfahrensrügen hat die Klägerin insoweit nicht vorgebracht. Die Klägerin hat auch die Gegenstände des Betriebsvermögens durch Kaufvertrag von der Inhaberin der Einzelfirma erworben. Es liegt somit kein Fall des Erwerbs vom Sicherungseigentümer oder Vorbehaltseigentümer als Dritten vor, für den der Senat die Haftung nach § 75 AO 1977 abgelehnt hat, wenn der Erwerb erst nach Einstellung des früheren und Eröffnung des späteren Betriebs erfolgt ist (Urteil vom 19. Januar 1988 VII R 74/85, BFH/NV 1988, 479). Im übrigen können die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens auch dann i. S. des § 75 AO 1977 übereignet werden, wenn sie einem Dritten zur Sicherung übereignet sind oder unter Eigentumsvorbehalt stehen, der Erwerber aber vollen Umfangs in die Rechte des Sicherungsgebers (Vorbehaltskäufers) einrückt und wie dieser wirtschaftlicher Eigentümer des Sicherungsguts (Vorbehaltsguts) wird (vgl. Urteile des Senats in BFH/NV 1986, 64, und in BFH/NV 1988, 479, 480; Tipke / Kruse, a. a. O., § 75 AO 1977 Tz. 8). Von diesem Sachverhalt muß im Streitfall ausgegangen werden, da die Klägerin nicht von Dritten, sondern von der Inhaberin der Einzelfirma erworben hat. Daß diese aus wirtschaftlichen Gründen zum Verkauf des Unternehmens gezwungen war und etwaige Sicherungsnehmer (Banken) damit einverstanden waren, schließt die Haftung der Erwerberin nach § 75 AO 1977 nicht aus. Der Streitfall kann somit - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht einem Erwerb aus der Konkursmasse oder dem Erwerb im Vollstreckungsverfahren gleichgestellt werden, für den nach § 75 Abs. 2 AO 1977 die Haftung des Erwerbers nicht gegeben ist.
6. Soweit die Revision hinsichtlich mehrerer Punkte mangelnde Sachaufklärung durch das FG (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) rügt, sind die Rügen unzulässig, weil sie nicht der in § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO vorgeschriebenen Form entsprechen. Die Klägerin hat weder angegeben, welche von ihr angebotenen Beweismittel das FG nicht erhoben hat, noch vorgetragen, wo Tatsachen benannt worden sind, hinsichtlich derer sich dem Gericht auch ohne Beweisantritt eine Beweiserhebung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Rz. 40). Die allgemeine Bezugnahme auf die im Verwaltungsverfahren und im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze ohne konkreten Hinweis (Datum und Seitenzahl des Schriftsatzes) auf das Beweisthema, den Beweisantritt und die aufklärungsbedürftigen Tatsachen, reicht für eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge nicht aus. Im übrigen hat das FG seine Sachaufklärungspflicht auch deshalb nicht verletzt, weil nach seiner - zutreffenden - Rechtsauffassung die von der Klägerin benannten Beweisfragen (Betriebsstruktur und Betriebsorganisation der Einzelfirma X, Verhältnis des Anlagevermögens der Rundfunkwerkstatt zum Anlagevermögen des restlichen Unternehmens, Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten bei der Vermietung der Betriebsräume) - wie oben ausgeführt - nicht entscheidungserheblich waren.
Fundstellen