Entscheidungsstichwort (Thema)
AfA bei Bauten auf fremdem Grund und Boden
Leitsatz (NV)
1. Baumaßnahmen auf fremdem Grund und Boden können zur Aktivierung in Höhe der Herstellungskosten wie ein materielles Wirtschaftsgut mit entsprechender Abschreibung führen, wenn die Baumaßnahmen in Ausübung eines Nutzungsrechts vorgenommen wurden.
2. Begründung und Ausübung eines solchen Nutzungsrechts zwischen (Miteigentümer-) Ehegatten setzen für die steuerliche Anerkennung klare und eindeutige Verhältnisse voraus, die Schenkungselemente ausschließen.
3. Abweichungen vom Regel-AfA-Satz des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG (i.V.m. § 4 Abs. 4 EStG) bedürfen konkreter Rechtfertigung in den objektiven Gegebenheiten. Insoweit treffen den Steuerschuldner erhöhte Mitwirkungspflichten.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 7 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 4 Sätze 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Apotheker und bezieht Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Zusammen mit seiner Ehefrau erwarb er aufgrund notariellen Vertrags vom 13. Mai 1972 mit Wirkung vom 1. Juli 1972 je zur ideellen Hälfte das bebaute Grundstück ...
Zuvor, am 1. Juni 1972, hatten die Eheleute folgenden Vertrag geschlossen:
Die Ehefrau überläßt ihrem Ehemann ihren hälftigen Anteil am Hause ... zwecks Ausbau und Einrichtung einer Apotheke. Sie erhält dafür eine monatliche Pacht in Höhe von 600 DM. Die Pacht ist monatlich zu zahlen. Sollte der Pächter mit seinen Zahlungen in Rückstand geraten, so ist eine Verzinsung von 8% vorzunehmen. Für sämtliche laufende Kosten, die den Grundstücksanteil betreffen - insbesondere auch Zinsleistungen für aufgenommene Gelder - hat der Pächter aufzukommen ...
In den Jahren 1972 und 1973 nahm der Kläger im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erhebliche Um-, Ausbau- und Modernisierungsarbeiten am gesamten Gebäude vor. Dabei wurde vor allem das Erdgeschoß des bis dahin ausschießlich als Wohngebäude genutzten Grundstücks zu einer Apotheke umgestaltet.
Bei einer im Jahre 1978 beim Kläger für die Jahre 1973 bis 1976 durchgeführten Betriebsprüfung sah der Prüfer den Kläger hinsichtlich des seiner Ehefrau gehörenden Anteils am Erdgeschoß als wirtschaftlichen Eigentümer an, aktivierte die gesamten Baukosten für die Errichtung der Apotheke in Höhe von 342605,40 DM (ohne Vorsteuern) beim Kläger und nahm insoweit einheitlich mit dem übrigen Gebäude gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Abschreibungen in Höhe von 2,5 v.H. jährlich vor.
Bei einer weiteren Außenprüfung 1983 stellte sich der Prüfer auf den Standpunkt, hinsichtlich des Miteigentumsanteils der Ehefrau sei der Kläger nicht als wirtschaftlicher Eigentümer und der hierauf entfallende Herstellungsaufwand nicht als ein solcher des Gebäudes, sondern eines selbständigen materiellen Wirtschaftsguts Gebäudenutzungsrecht anzusehen. Die Absetzungen für Abnutzung (AfA) berücksichtigte er gemäß § 7 Abs. 1 EStG entsprechend der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Gebäudes von 40 Jahren weiterhin mit 2,5 v.H. im Jahr.
Hiergegen wandte sich der Kläger erfolglos mit Einspruch und Klage, die auf einen AfA-Satz von 5 v.H. pro Jahr gerichtet waren. Sein Begehren begründete der Kläger damit, daß die voraussichtliche Nutzungsdauer nur 20 Jahre betrage, weil er seinen Betrieb mit Vollendung des 65. Lebensjahres, also im Jahre 1992, aufgeben werde.
Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt sei nicht geeignet, einen höheren AfA-Satz zu rechtfertigen, weil nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs nicht feststehe, daß ein abschreibungsfähiges Nutzungsrecht in der Person des Klägers überhaupt begründet worden sei. Der Vertrag vom 1. Juni 1972 sei unklar und lückenhaft. Nach seinem Text sei denkbar, daß die Pachtzahlung von monatlich 600 DM allein der Nutzung der auf dem Grundstücksanteil seiner Ehefrau errichteten Apotheke gelte. Aus der gemeinsamen Einkommensteuererklärung der Eheleute aber ergebe sich, daß das Entgelt auch die Nutzung bezüglich der Wohnungen im übrigen Gebäude betreffe. Anders sei es nämlich nicht zu erklären, daß für 1981 die Klägerin nur die Pachteinnahmen aus dem Vertrag vom 1. Juni 1972 (7200 DM), der Kläger hingegen alle Erträge aus den Wohnungsvermietungen als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Grundstück erklärt und dabei offensichtlich auch alle Werbungskosten aus dieser Einkunftsart bei sich mitberücksichtigt habe. Infolgedessen sei schon fraglich, was der Kläger überhaupt gepachtet habe und was er nutzen dürfe, vor allem aber wie lange die angeblich dem Kläger zugesprochene Nutzung andauern solle. Schließlich enthalte der Vertrag auch keinerlei Regelung hinsichtlich der Rechtsfolgen aus § 951 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Eine solche Vertragsgestaltung sei unter Fremden nicht üblich: Ein Dritter würde nicht Beträge von weit über 100000 DM in ein ihm nicht gehörendes Grundstück investieren, ohne Art, Umfang und Dauer der Nutzung sicherzustellen und ohne eine Regelung seiner Ansprüche bei Nutzungsende zu treffen.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er ist weiterhin der Meinung, es müsse eine 20jährige Nutzungsdauer und infolgedessen ein AfA-Satz von 5 v.H. zugrunde gelegt werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das FG es abgelehnt, die angefochtenen Einkommensteuerbescheide unter Berücksichtigung des erstrebten höheren AfA-Satzes abzuändern.
1. Den geltend gemachten höheren AfA-Satz könnte der Kläger nur beanspruchen, wenn der Apothekennutzung, soweit sie auf den Eigentumsanteil seiner Ehefrau entfällt, ein Nutzungsrecht zugrunde läge, dessen betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer (§ 4 Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG) niedriger zu bemessen wäre als die für das Gebäude gemäß § 4 Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusetzende 40jährige Nutzungsdauer.
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) führen Baumaßnahmen auf fremdem Grund und Boden im Rahmen der Gewinnverwirklichung zur Aktivierung in Höhe der Herstellungskosten wie ein materielles Wirtschaftsgut und zur entsprechenden Abschreibung, wenn sie in Ausübung eines Nutzungsrechts vorgenommen werden. Dies wird, obwohl dem der Sache nach ein immaterielles Wirtschaftsgut zugrunde liegt (vgl. BFH-Urteil vom 10. August 1984 III R 98/83, BFHE 142, 90, BStBl II 1984, 805), damit gerechtfertigt, daß insoweit schuldrechtliche Ansprüche nach § 951 i.V.m. § 812 BGB enstanden sind (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 13. Juli 1977 I R 217/75, BFHE 123, 32, BStBl II 1978, 6; vom 31. Oktober 1978 VIII R 182/75, BFHE 127, 163, BStBl II 1979, 399, sowie VIII R 146/75, BFHE 127, 501, BStBl II 1979, 507; vom 22. Januar 1980 VIII R 74/77, BFHE 129, 485, BStBl II 1980, 244; vom 20. September 1989 X R 140/87, BFHE 158, 361, 367, BStBl II 1990, 368 unter 5.; vom 15. März 1990 IV R 30/88, BFHE 160, 244, 246, BStBl II 1990, 623 zu 2.).
3. Ob der Kläger im Streitfall eine Rechtsposition erlangt hat, die als ein solches Nutzungsrecht gewertet werden kann, erscheint zweifelhaft: Die vom FG getroffenen, mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen zum Vertrag vom 1. Juni 1972 und dessen steuerrechtliche Würdigung stehen einem Klageerfolg zwar nicht - wie das FG angenommen hat - unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs entgegen; denn die betriebliche Veranlassung der Baumaßnahmen steht außer Frage. Die von der Vorinstanz hervorgehobenen Unklarheiten des Vertrags, der in der Tat so zwischen fremden Dritten nicht geschlossen worden wäre, könnten aber dafür sprechen, daß in der Übernahme der auf den Miteigentumsanteil der Ehefrau entfallenden Kosten eine Schenkung liegt und es deshalb an den Voraussetzungen für den Erwerb eines aktivierungs- und abschreibungsfähigen Wirtschaftsguts fehlt (vgl. erkennender Senat in BFHE 158, 361, 367, BStBl II 1990, 368 m.w.N.). Dies bedarf aber schon wegen des Verbots der Schlechterstellung hier keiner weiteren Erörterung.
4. Selbst wenn man trotz der zuvor (unter 3.) angesprochenen Mängel von einem aktivierungs- und abschreibungsfähigen Nutzungsrecht ausginge, würde dies am bisherigen Ergebnis deshalb nichts ändern, weil kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich ist, daß gemäß § 4 Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 EStG für ein solches Recht eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von unter 40 Jahren anzusetzen wäre.
Nach der zuvor zitierten Rechtsprechung richtet sich die AfA nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts, es sei denn, daß die Dauer des Nutzungsverhältnisses kürzer ist (BFH in BFHE 127, 501, BStBl II 1979, 507). Für die Bemessung eines niedrigeren Abschreibungszeitraums bedarf es einer konkreten Rechtfertigung aufgrund der objektiven Gegebenheiten. Dabei treffen den Steuerschuldner, weil es um eine Schätzung (Schmidt/Drenseck, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 12. Aufl. 1993, § 7 Anm. 5b m.w.N.) und um Faktoren aus seinem Einfluß- und Wissensbereich geht (vgl. dazu BFH-Urteile vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462, und vom 3. Mai 1991 V R 36/90, BFH/NV 1992, 221, 222 jeweils m.w.N.), besondere Mitwirkungspflichten. Diesen ist der Kläger nicht nachgekommen, obwohl spätestens seit Kenntnisnahme von der Einspruchsentscheidung Veranlassung bestand, substantiiert objektive Umstände für die behauptete kürzere Nutzungsdauer darzutun; denn jedenfalls von diesem Zeitpunkt an mußte ihm klar sein, daß seine bloße Absichtsbekundung, er werde mit Vollendung des 65. Lebensjahres seine gewerbliche Tätigkeit beenden, zur Begründung seines Begehrens nicht ausreicht. Die Lebenserfahrung spricht nicht ohne weiteres dafür, daß ein Selbständiger mit Vollendung des 65. Lebensjahres seine Betätigung einstellt. Selbst wenn es außerdem im konkreten Fall inzwischen dazu gekommen wäre, hätte dies nicht unbedingt zu einer Nutzungsbeendigung führen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 419388 |
BFH/NV 1994, 169 |