Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Unternehmereigenschaft bei bloßen Vorbereitungshandlungen
Leitsatz (NV)
Die unternehmerische Tätigkeit beginnt zwar bereits mit den ersten, nach außen und auf die Ausführung entgeltlicher Leistungen gerichteten Handlungen. Die zum Vorsteuerabzug berechtigende Unternehmereigenschaft wird aber erst dadurch erworben, daß Leistungen zum Zweck der Entgeltserzielung erbracht werden. Fehlt es hieran und bleibt es bei bloßen Vorbereitungshandlungen, so entspricht es dem Gesetzeszweck, diesen erfolglosen Unternehmer mangels Ausführung weiterer der Umsatzsteuer unterliegender Umsätze als Letztverbraucher zu behandeln; denn Zweck des durch den Vorsteuerabzug geprägten UStG ist es, daß der Unternehmer keine Steuer für diejenigen Bestandteile seines Preises mehr zu zahlen hat, für die andere Unternehmer bereits Umsatzsteuer entrichtet haben.
Normenkette
UStG 1980 § 2 Abs. 1 S. 3, § 15
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) meldete zum 15. Oktober 1986 beim Bezirksamt der Stadt einen Einzelhandel mit ... an. Diesen stellte er zum 31. Dezember 1986 ein und meldete ihn ab. In seiner Umsatzsteuererklärung für 1986 erklärte er Umsätze von 0 DM und machte Vorsteuerbeträge von 9767,86 DM geltend. Das Finanzamt (FA) lehnte den Erlaß eines Umsatzsteuerbescheids 1986 ab. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Auf die Klage hat das Finanzgericht (FG) das FA verpflichtet, einen Umsatzsteuerbecheid 1986 unter Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen von 3522,66 DM zu erlassen. Es führt im wesentlichen aus, der Kläger sei im Streitjahr Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 und damit grundsätzlich zum Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 berechtigt gewesen. Die Unternehmereigenschaft beginne bereits mit vorbereitenden Tätigkeiten, so daß Vorsteuern auf den Erwerb von Gegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens, die künftigen Umsätzen dienen sollten, bereits vor dem Zeitpunkt abziehbar seien, in dem tatsächlich Umsätze erzielt würden. Das gelte auch dann, wenn der ernsthafte Versuch, ein gewinnbringendes Unternehmen zu gründen, fehlschlage. Dies folge aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980, wonach es zur Bejahung der Unternehmereigenschaft reiche, wenn jemand in der Absicht tätig werde, Einnahmen zu erzielen. Die Unternehmereigenschaft sei allerdings bei erfolglosen Gründungsversuchen dann zu verneinen, wenn den wirtschaftlichen Aktivitäten die Erfolglosigkeit von vornherein auf der Stirn gestanden habe. Hierfür gebe der Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Die Beteiligten hätten in Übereinstimmung mit dem Senat festgestellt, daß Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis i.S. des § 14 Abs. 1 UStG 1980 über insgesamt 3522 DM vorlägen. Insoweit sei dem Klagebegehren stattzugeben.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung der §§ 2 und 15 UStG. Es trägt im wesentlichen vor, die Unternehmereigenschaft setze voraus, daß Lieferungen und sonstige Leistungen gegen Entgelt bewirkt würden. Der Systematik des UStG entsprechend sei der Vorsteuerabzug davon abhängig, daß Umsätze ausgeführt würden. Die Zuordnung von Vorbereitungshandlungen zur unternehmerischen Tätigkeit setze eine spätere Erbringung von Leistungen im Leistungsaustausch voraus. Allein durch Vorbereitungshandlungen könne keine Person Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG 1980 werden. Der Kläger habe mangels Umsätzen keinen Anspruch auf Erstattung der Vorsteuerbeträge. Er sei einem Letztverbraucher gleichzustellen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Vorentscheidung verletzt § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 UStG 1980, weil das FG den Kläger als einen zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer beurteilt hat.
Nach § 15 Abs. 1 UStG 1980 hängt die Berechtigung zum Vorsteuerabzug - neben der Lieferung und Inrechnungstellung durch einen Unternehmer - davon ab, daß die Lieferung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt worden ist. Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 UStG 1980). Der Auffassung des FG, daß Vorbereitungshandlungen, die in der ernsthaften Absicht der Einnahmenerzielung vorgenommen werden, unabhängig davon, ob tatsächlich entgeltliche Leistungen bewirkt werden, die Unternehmereigenschaft begründen, kann nicht gefolgt werden. Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG 1980 ist nur derjenige, der Leistungen gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 erbringt. Nur diese Auslegung, die vom möglichen Wortsinn des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 gedeckt ist, entspricht dem systematischen Zusammenhang des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 mit § 2 Abs. 1 UStG 1980 (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Mai 1988 V R 115/83, BFHE 154, 173, BStBl II 1988, 916; vom 28. September 1988 X R 6/82, BFHE 155, 204, BStBl II 1989, 122, und vom 6. Mai 1993 V R 45/88, BFHE 171, 138, BStBl II 1993, 564). Sie steht auch in Einklang mit der Regelung des Vorsteuerabzugs in der 6. Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer vom 17. Mai 1977 - 77/388 EWG 6. Richtlinie - (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 145 S. 1). Nach Art. 17 Abs. 2 der 6. Richtlinie ist Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, daß die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke der besteuerten Umsätze verwendet werden (vgl. auch Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 1. April 1982 Rs. 89/81, EuGHE 1982, 1277 = Steuerrechtsprechung in Karteiform, 2. USt-Richtlinie (EWG), Art. 4, Rechtsspruch 1 = Umsatzsteuer-Rundschau 1982, 246).
Die unternehmerische Tätigkeit beginnt zwar bereits mit den ersten, nach außen und auf die Ausführung entgeltlicher Leistungen gerichteten Handlungen. Die zum Vorsteuerabzug berechtigende Unternehmereigenschaft wird aber erst dadurch erworben, daß Leistungen zum Zweck der Entgeltserzielung erbracht werden. Fehlt es hieran und bleibt es bei bloßen Vorbereitungshandlungen, so entspricht es dem Gesetzeszweck, diesen erfolglosen Unternehmer mangels Ausführung weiterer der Umsatzsteuer unterliegender Umsätze als Letztverbraucher zu behandeln; denn Zweck des durch den Vorsteuerabzug geprägten UStG ist es, daß der Unternehmer keine Steuer für diejenigen Bestandteile seines Preises mehr zu zahlen hat, für die andere Unternehmer bereits Umsatzsteuer entrichtet haben.
Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Die Klage war abzuweisen. Da der Kläger von seinem Vorhaben, ein Gewerbe zu betreiben, Abstand genommen hat, ohne Leistungen gegen Entgelt erbracht zu haben, ist er nicht Unternehmer geworden. Er hat keinen Anspruch auf Abzug der ihm in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge. Zu Recht hat mithin das FA die Festsetzung von Umsatzsteuer für das Streitjahr 1986 abgelehnt.
Fundstellen
Haufe-Index 419215 |
BFH/NV 1994, 131 |