Leitsatz (amtlich)
Das Leistungsgebot in einem Steuerbescheid, mit dem der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger für Steuerschulden des Erblassers in Anspruch genommen wird, ist keine geeignete Rechtsgrundlage dafür, nach Beschränkung der Haftung auf den Nachlaß (hier durch Eröffnung des Nachlaßkonkurses) unter Berufung auf § 1978 BGB (Haftung der Erben für bisherige Verwaltung) in das Eigenvermögen des Erben zu vollstrecken.
Normenkette
AO 1977 §§ 45, 191, 254, 322; BGB §§ 1922, 1975, 1978, 1994, 2005-2006; KO § 166 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist neben seiner Mutter und drei Geschwistern Erbe des 1974 verstorbenen Bauunternehmers W. Am 1. Juli 1977 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) allen Miterben berichtigte Einkommensteuerbescheide für 1970 bis 1974 über 237 361 DM Einkommensteuer zu. Auf Antrag der Erben eröffnete das Amtsgericht S am 26. Oktober 1977 den Nachlaßkonkurs. Nach Verteilung der Konkursmasse, von der das FA einen Betrag von 8 128,21 DM erhielt, wurde am 8. September 1978 das Konkursverfahren aufgehoben. Nach erneuter Aufforderung des FA an die Miterben, zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen Zahlungsvorschläge zu unterbreiten, erhob der Kläger die Erschöpfungs- und Ausschließungseinrede gemäß §§ 1989, 1973 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Nachdem der Kläger Zahlungen in Höhe von 38 000 DM geleistet und sich danach sämtliche Miterben nicht zu weiteren Zahlungen bereit erklärt hatten, beantragte das FA beim Amtsgericht D die Eintragung einer Sicherungshypothek über 182 479,69 DM Einkommensteuer und 50 432 DM Säumniszuschläge (insgesamt 232 911,69 DM) auf einem Grundstück des Klägers in D. Die Sicherungshypothek wurde am 21. August 1979 eingetragen. Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es hob den Verwaltungsakt in der Form des Antrags auf Eintragung einer Sicherungshypothek an das Amtsgericht D auf und verpflichtete das FA, dem Kläger eine Löschungsbewilligung zu erteilen.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 45 AO 1977, § 1978 BGB). Zur Begründung führt es aus, daß im Falle des Nachlaßkonkurses der Erbe für die bisherige Verwaltung des Nachlasses den Nachlaßgläubigern gegenüber so verantwortlich sei, wie wenn er von der Annahme der Erbschaft an die Verwaltung für sie als Beauftragter zu führen gehabt hätte. Über das zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandene Vermögen sei zum Nachteil des Nachlasses und auch der Nachlaßgläubiger vor Eröffnung des Konkursverfahrens verfügt worden. Es bestünden danach entsprechende Herausgabeansprüche der Nachlaßgläubiger (§§ 667, 668 BGB), für die der Kläger gesamtschuldnerisch nach § 2058 BGB hafte. Die durch § 2060 Nr. 3 BGB getroffene Beschränkung der Haftung auf einen dem Erbteil entsprechenden Anteil an den Nachlaßverbindlichkeiten treffe nicht zu, da der Nachlaßkonkurs erst nach Teilung des Nachlasses eröffnet worden sei. Die Ansprüche aus § 1978 BGB könnten nicht nur der Konkursverwalter, sondern auch die Nachlaßgläubiger geltend machen.
Das FA beantragt, das Urteil das FG aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG ist zu Recht von der Regelung des § 45 Abs. 1 und 2 AO 1977 ausgegangen. Insbesondere ist seiner Auffassung zu folgen, daß § 45 Abs. 2 Satz 1 AO 1977, wonach Erben für die aus dem Nachlaß zu entrichtenden Schulden nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Haftung des Erben für Nachlaßverbindlichkeiten einzustehen haben, nur den Umfang der sich aus Satz 1 der genannten Vorschrift infolge der gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) ergebenden Eigenhaftung des Erben bestimmt. Das FG ist, was den Umfang der Haftung betrifft, ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gekommen, daß keiner der Tatbestände erfüllt ist, bei deren Vorliegen der Erbe unbeschränkt haften würde. Durch die Eröffnung des Konkursverfahrens hat sich die Haftung des Klägers auf den Nachlaß beschränkt (§ 1975 BGB). Diese Beschränkung der Haftung bleibt auch nach Aufhebung des Konkursverfahrens und nach Beendigung des Nachlaßkonkurses durch Verteilung der Masse bestehen (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 42. Aufl., § 1975 Anm. 1 und § 1989 Anm. 1).
Aus dem Vorstehenden folgt, daß das FA aus dem gegen den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger ergangenen vollstreckbaren Steuerbescheid nur in Nachlaßgegenstände vollstrecken konnte (§ 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AO 1977 i. V. m. § 1975 BGB). Die Sicherungshypothek ist aber auf Antrag des FA nicht auf einem zum Nachlaß gehörenden Grundstück, sondern auf einem dem Kläger gehörenden Grundstück eingetragen worden. Für eine solche Vollstreckungsmaßnahme -- der Antrag auf Eintragung einer Zwangshypothek ist ein Akt der Zwangsvollstreckung (vgl. Tipke/ Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 322 AO 1977 Rdnr. 17) -- auf der Grundlage des gegen den Kläger als Erben ergangenen Steuerbescheides bietet aber, wie das FG zutreffend entschieden hat, der vom FA herangezogene § 1978 BGB keine Rechtsgrundlage. Bei der rechtlichen Würdigung dieser Vorschrift braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die sich hieraus gegen den den Nachlaß verwaltenden Erben ergebenden Ersatzansprüche, die sich auch gegen dessen Eigenvermögen richten können, auch von den Nachlaßgläubigern oder nur durch den Konkursverwalter geltend gemacht werden können. Für letztere Auffassung könnte § 1978 Abs. 2 BGB sprechen, wonach die den Nachlaßgläubigern nach Abs. 1 zustehenden Ansprüche als zum Nachlaß gehörend gelten (vgl. zum Streitstand Palandt, a. a. O., § 1978 Anm. 4; Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl., § 1978 Anm. 5). Die Nachlaßgläubiger müßten dann gemäß § 166 Abs. 2 der Konkursordnung (KO) eine Nachtragsverteilung beantragen. Selbst wenn die Nachlaßgläubiger und damit die Steuerbehörden berechtigt sein sollten, Ersatzansprüche gemäß § 1978 BGB gegen den Erben geltend zu machen, so handelt es sich jedenfalls nicht um einen Anspruch aus einem gegen den Erben als Gesamtrechtsnachfolger ergangenen Steuerbescheid, wie er hier gegen den Kläger geltend gemacht wird (dessen Haftung sich auf den Nachlaß beschränkt), sondern um eine originäre Eigenverbindlichkeit des Erben den Nachlaßgläubigern gegenüber. Einen dahin gehenden Anspruch hat jedoch das FA bis zur Stellung des Antrages auf Eintragung einer Zwangshypothek auf dem dem Kläger gehörenden Grundstück weder im Klagewege noch durch Erlaß eines Haftungsoder Duldungsbescheides (§ 191 AO 1977) erhoben. Der Senat hat im übrigen erhebliche Zweifel, ob von Finanzbehörden aus § 1978 BGB abgeleitete Ersatzansprüche gegen den Erben überhaupt auf § 191 AO 1977 gestützt werden können. Die Frage ist aber hier nicht zu entscheiden.
Die angefochtene Entscheidung ist nach allem nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das FG, gestützt auf § 100 Abs. 1 Satz 2 FGO, auch entschieden, daß das FA verpflichtet ist, dem Kläger eine Löschungsbewilligung zu erteilen.
Fundstellen
BStBl II 1983, 653 |
BFHE 1984, 12 |