Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrevision mit Bezugnahme auf Nichtzulassungsbeschwerde; Auslegung der Klage einer Vermietungsgesellschaft
Leitsatz (NV)
Eine Bezugnahme in der Revisionsbegründung auf die Ausführungen im Verfahren über die Nichtzulassung der Revision ist ausreichend, wenn die Begründung der Beschwerde ihrem Inhalt nach zur Begründung der Revision genügt und das Revisionsgericht in seinem die Revision zulassenden Beschluß das Vorliegen des gerügten Verfahrensmangels bejaht hat.
Eine "für" eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts erhobene Klage gegen einen Be scheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung kann als Klage der einzelnen Gesellschafter auszulegen sein.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 2 S. 2; BGB § 133
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger zu 1 bis 6 (Kläger) sind an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt. Aus der Beteiligung erzielten sie in den Streitjahren (1982 und 1983) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) stellte die Vermietungseinkünfte abweichend von den Feststellungs erklärungen fest. Das Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger zu 1 bis 5 erhob Klage für die "Grundstücksgemeinschaft X-GbR". Für die Kläger zu 1 bis 5 sowie für den durch einen eigenen Prozeßbevollmächtigten vertretenen Kläger zu 6 wurde jeweils eine Prozeßvollmacht vorgelegt. Das Finanzgericht (FG) verwarf die Klage als unzulässig, da sie nach der Klageschrift für die nicht beteiligtenfähige GbR erhoben worden sei.
Die Kläger zu 1 bis 5 legten innerhalb, der Kläger zu 6 nach Ablauf der Revisionsfrist Revision ein. Zur Begründung beziehen sich die Kläger zu 1 bis 5 im wesentlichen auf ihr Vorbringen im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, aufgrund deren der erkennende Senat die Revision zugelassen hatte.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Nach seiner Ansicht genügt die Bezugnahme auf den Vortrag im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht den formellen Anforderungen an eine Revisionsbegründung.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision des Klägers zu 6 ist unzulässig. Sie wurde entgegen § 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Revisionszulassung beim FG eingelegt. Der Beschluß wurde der Prozeßbevollmächtigten des Klägers zu 6 am 13. September 1993 zugestellt. Die Revisionsschrift ging erst am 3. November 1993 und somit verspätet beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Der Kläger zu 6 hat die Revision zudem bei der falschen Empfangsbehörde eingereicht.
II. 1. Die Revision der Kläger zu 1 bis 5 ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt den Anforderungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO, auch wenn die Kläger zu 1 bis 5 im wesentlichen nur auf ihre Ausführungen im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen haben. Eine solche Bezugnahme ist ausreichend, wenn -- wie im Streitfall -- die Begründung der Beschwerde ihrem Inhalt nach zur Begründung der Revision genügt und das Revisionsgericht in seinem die Revision zulassenden Beschluß das Vorliegen des gerügten Verfahrensmangels bejaht hat (BFH- Urteile vom 18. März 1981 I R 102/77, BFHE 133, 247, BStBl II 1981, 578; vom 6. Februar 1992 V R 57/87, BFH/NV 1992, 614; vom 26. Mai 1992 VII R 26/91, BFH/NV 1993, 177).
2. Die Revision der Kläger zu 1 bis 5 ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die Vorinstanz hat rechtsfehlerhaft angenommen, die Klage sei für die "Grundstücksgemeinschaft X- GbR" und nicht für die daran beteiligten Gesellschafter erhoben worden. Es hat dadurch § 65 Abs. 1 FGO verletzt.
Der BFH ist an die Auslegung der Klageschrift durch das FG nicht gebunden. Er kann prozessuale Willenserklärungen selbst auslegen (BFH-Beschluß vom 25. September 1985 IV R 180/83, BFH/NV 1986, 171; Urteil vom 11. Dezember 1992 VI R 162/88, BFHE 169, 507, BStBl II 1993, 306).
Zwar ist das FG zu Recht davon ausgegangen, daß eine GbR im Verfahren über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Vermietungseinkünften weder beteiligtenfähig noch klagebefugt ist (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1983 VIII R 203/81, BFHE 140, 22, BStBl II 1984, 318; Senatsbeschluß vom 26. April 1990 IX B 224/88, BFH/NV 1991, 240; Senatsurteil vom 3. Dezember 1991 IX R 10/87, BFH/NV 1992, 662). Es hätte jedoch die Klageschrift dahin auslegen müssen, daß nicht im Namen der GbR, sondern für die einzelnen an der Gesellschaft beteiligten Personen Klage erhoben worden ist. Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger zu 1 bis 5 hat sich in der Klageschrift auf die angefochtenen Feststellungsbescheide sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung bezogen, in denen die einzelnen Gesellschafter als Feststellungsbeteiligte aufgeführt sind. Diese Unterlagen sind zur Auslegung der Klageschrift heranzuziehen (vgl. BFH- Urteile vom 12. Mai 1989 III R 132/85, BFHE 157, 296, BStBl II 1989, 846; in BFHE 169, 507, BStBl II 1993, 306). Aus den angefochtenen Entscheidungen ist zu ersehen, wer an der GbR beteiligt war und als Kläger in Betracht kam. Diese Auslegung wird durch die im Klageverfahren vorgelegten Vollmachten bestätigt, die auf die Namen der einzelnen Feststellungsbeteiligten lauten und in denen überwiegend deren Steuernummern vermerkt sind (vgl. Senatsbeschluß vom 3. Mai 1989 IX R 168/84, BFH/NV 1990, 378). Die Bezeichnung der "Grundstücksgemeinschaft X" als Klägerin in der Klageschrift ist demnach nur als Kurzbezeichnung der einzelnen Gesellschafter zu verstehen.
Entgegen der Rechtsauffassung der Vor instanz spricht gegen die vorstehende Auslegung nicht, daß der Kläger zu 6 dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger zu 1 bis 5 keine Vollmacht zur Erhebung der Klage erteilt hatte. Deren Prozeßbevollmächtigter hat die Klage für alle Gesellschafter der GbR eingelegt, somit auch für den Kläger zu 6, der sich der Klagebegründung angeschlossen und damit die Klageerhebung gemäß § 155 FGO i. V. m. § 89 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung nachträglich genehmigt hat (vgl. BFH-Urteile vom 30. No vember 1988 I R 168/84, BFHE 156, 1, BStBl II 1989, 514; vom 23. April 1991 VII R 63/90, BFH/NV 1992, 180).
Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Das angefochtene Ur teil ist aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, die eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Feststellungsbescheide ermög lichen.
Fundstellen