Leitsatz (amtlich)
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß das FG Unterhaltszahlungen eines in der Bundesrepublik Deutschland tätlgen Gastarbeiters an seine Eltern in Jugoslawien durch Vorlage einer Bescheinigung als nachgewiesen angesehen hat, in der eine jugoslawische Bank bestätigt, daß die Eltern des Gastarbeiters monatlich bestimmte Beträge von dessen Devisenkonto abgehoben haben (Ergänzung zum BFH-Urtell vom 14. Mai 1982 VI R 266/80).
Normenkette
EStG 1977 § 33a Abs. 1; AO 1977 § 90 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau sind als jugoslawische Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) tätig. In ihrem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1977 machten sie Aufwendungen für den Unterhalt der in Jugoslawien lebenden Eltern des Klägers in Höhe von 6 000 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Sie legten zwei Unterhaltsbescheinigungen der zuständigen jugoslawischen Behörden vor, nach denen die Eltern des Klägers im Streitjahr 1977 unterstützungsbedürftig gewesen seien, weil sie keine Einkünfte und kein eigenes Vermögen besäßen und keine anderen Angehörigen in der Bundesrepublik hätten. Sie reichten ferner eine Bescheinigung einer jugoslawischen Bank ein, nach der die Eltern von einem Devisenkonto des Klägers im Jahr 1977 monatlich (mit Ausnahme des Monats März) Beträge von insgesamt 6 500 DM abgehoben haben. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte die Unterhaltsaufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung an. Er wies den Einspruch als unbegründet zurück, weil die Kläger nicht nachgewiesen hätten, wann, von wem und welche Beträge im Streitjahr 1977 auf das Konto des Klägers in Jugoslawien eingezahlt worden seien.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der der Kläger nur noch 4 000 DM als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht hatte, statt. Es führte u. a. aus, der Kläger habe durch die Bescheinigung der Heimatbank nachgewiesen, daß er seine Eltern im Streitjahr 1977 mit insgesamt 6 500 DM unterhalten habe. Es bestehe kein Anlaß, an der sachlichen Richtigkeit dieser Bescheinigung zu zweifeln. Der Bundesminister der Finanzen (BMF) habe zwar in einem Schreiben vom 16. Januar 1979 IV B 6 - S 2365 - 3/79 (Lohnsteuer-Kartei § 33a EStG Fach 1) ausgeführt, in solchen Fällen könnten Abhebungsbescheinigungen der Bank im allgemeinen nicht als ausreichender Nachweis für geleistete Unterhaltszahlungen angesehen werden, es sei denn, das Konto laute auf den Namen des Steuerpflichtigen und es würden Unterhaltsaufwendungen nur an den Ehegatten oder die Kinder des Steuerpflichtigen geltend gemacht. Diese Verwaltungsanweisung sei jedoch mit allgemeinen Nachweisgrundsätzen und mit den erhöhten Mitwirkungspflichten der Gastarbeiter nicht vereinbar. Es sei insbesondere nicht ersichtlich, warum Abhebungsbescheinigungen bei Unterhaltsaufwendungen an Ehegatten und Kinder genügten, bei anderen Angehörigen hingegen zusätzliche Beweise vorgelegt werden sollten, so etwa für die vom Steuerpflichtigen durchgeführten Überweisungen vom Inland auf sein Konto im Heimatland und für die Höhe der Kontostände. Entsprechend den Anweisungen in dem Schreiben des BMF vom 26. Oktober 1979 IV B 6 - S 2365 - 85/79 (BStBl I 1979, 622) seien 2/3 der in § 33a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Höchstbeträge von jeweils 3 000 DM für die Eltern, insgesamt also ein Betrag von 4 000 DM als außergewöhnliche Belastung vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen.
Das FA legte gegen diese Entscheidung Revision ein. Es führt u. a. aus:
Der Kläger sei verpflichtet, bei mehreren Möglichkeiten der Beweisführung die zu wählen, die im Rahmen des Zumutbaren den sichersten Beweis liefere. Der sicherste Beweis für Unterhaltszahlungen an Angehörige im Ausland ergebe sich bei Überweisungen von einer inländischen Bank oder von einem inländischen Postamt an den Unterhaltsempfänger im Ausland. Im Streitfall wäre es, das FA, der vorgelegten Abhebungsbescheinigung der ausländischen Bank praktisch "ausgeliefert". Etwaige Manipulationen könnten von hier aus nicht aufgedeckt werden und es sei nicht bekannt, ob ausländische Banken ebenso sorgfältig arbeiteten wie inländische Banken. Es sei auch kaum nachprüfbar, ob bzw. inwieweit die Angehörigen des Klägers abhebungsberechtigt seien, ob sich die Bank bei der Abhebung über die Person des Abhebenden vergewissert und die abhebenden Personen überhaupt namentlich festgehalten habe.
Das FA beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, sowie hilfsweise, die Streitsache zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der BMF ist dem Verfahren beigetreten. Er nimmt u. a. Bezug auf sein inzwischen ergangenes und mit den obersten Finanzbehörden der Länder abgestimmtes Schreiben vom 26. November 1981 IV B 6 - S 2352 - 31/81 (BStBl I 1981, 744). Dort habe er auf die besonderen Nachweispflichten hingewiesen, wenn ein Steuerpflichtiger Geldbeträge auf ein Konto im Ausland überweise, das nicht auf den Namen des Unterhaltsempfängers laute. Behaupte er, die bedürftigen Angehörigen (bzw. ein Bevollmächtigter von ihnen) könnten von diesem Konto Geldbeträge für ihren Unterhalt abheben, so müsse er die inländischen Einzahlungs- oder Überweisungsbelege, eine Bescheinigung der Bank über die Kontovollmacht sowie eine Erklärung der Bank über Zeitpunkt, Höhe und Empfänger der Auszahlung vorlegen. Hiervon könne nur abgesehen werden, wenn das Konto auf den Namen des Steuerpflichtigen laute und Unterhaltsaufwendungen nur für den Ehegatten und/oder die Kinder geleistet würden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Wie der Senat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 14. Mai 1982 VI R 266/80, BStBl II 1982, 772, dargelegt hat, sind Steuerpflichtige, die Unterhaltsleistungen an Angehörige im Ausland als außergewöhnliche Belastung nach § 33a EStG 1977 geltend machen, nach § 90 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) in besonderem Maße verpflichtet, solche Sachverhalte, die sich auf Vorgänge im Ausland beziehen, aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Der Senat hat in dieser Entscheidung, auf die im einzelnen Bezug genommen wird, ferner betont, daß der Nachweis solcher Unterhaltszahlungen stets eine Frage der Sachverhaltswürdigung im Einzelfall ist. Diese Aufgabe obliegt im steuergerichtlichen Verfahren dem FG als Tatsacheninstanz. Der Senat ist als Revisionsinstanz an eine Würdigung durch das FG nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden, es sei denn, daß der Revisionskläger hiergegen zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht hat. Das Urteil des FG ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Gericht zu dem von ihm gefundenen Ergebnis kommen konnte; es ist nicht erforderlich, daß es hierzu kommen mußte.
Die Revision ist im Streitfall unbegründet, weil das FG den Sachverhalt ohne Rechtsverstoß dahin hat würdigen können, daß der Kläger seine in Jugoslawien lebenden Eltern im Jahr 1977 mit Beträgen von insgesamt 6 500 DM unterhalten hat. Das Gericht hat es aufgrund der vom Kläger eingereichten Bescheinigung einer jugoslawischen Bank als erwiesen angesehen, daß der Kläger bei ihr ein Devisenkonto unterhalten hat und daß die Eltern von diesem Konto bestimmte, in der Bescheinigung angegebene Beträge monatlich abgehoben haben. Diese Würdigung war rechtlich möglich. Das FA hat keine zulässigen und begründeten Rügen gegen diese Sachverhaltsfeststellungen vorgebracht.
Der Senat tritt dem FA und dem BMF darin bei, daß Überweisungen von einer inländischen Bank oder einem inländischen Postamt an einen Unterhaltsempfänger im Ausland den sichersten Nachweis von Unterhaltsleistungen erbringen, weil davon ausgegangen werden kann, daß entsprechende inländische Bank- und Postbelege inhaltlich richtig sind und ein im Post- oder Banküberweisungsverkehr gezahlter Unterhaltsbetrag den auf den Einzahlungsbeleg genannten Empfänger in Jugoslawien tatsächlich erreicht hat. Es kann den in der Bundesrepublik tätigen Gastarbeitern aber nicht verwehrt werden, auch einen anderen Zahlungsweg zu wählen, wenn die so erbrachte Unterhaltsleistung in hinreichender Form nachgewiesen wird. Das wird vom FA und dem BMF auch grundsätzlich anerkannt.
Das FA hat keine konkreten Umstände vorgetragen, aus denen sich im Streitfall Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung der jugoslawischen Bank ergeben könnten. Es besteht auch keine allgemeine Lebenserfahrung, daß schriftlichen Erklärungen ausländischer Banken, wie hier der jugoslawischen Bank, nicht zu trauen ist, auch wenn das FA die Erfahrung gemacht haben sollte, daß Abhebungsbescheinigungen jugoslawischer Banken gelegentlich unzutreffende Angaben enthalten. Der Umstand, daß Erklärungen ausländischer Banken im Inland schwerer als die von inländischen Instituten zu überprüfen sind, brauchte das FG ohne entsprechende Anhaltspunkte nicht dazu zu veranlassen, die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung der jugoslawischen Bank nicht als ein ausreichendes Beweismittel anzusehen.
Das FG konnte auch ohne Rechtsverstoß von den Verwaltungsanweisungen des BMF abweichen, nach denen Abhebungsbescheinigungen ausländischer Banken bei einem auf den Namen des Steuerpflichtigen lautenden Konto nur dann als ausreichendes Beweismittel anzuerkennen sind, wenn lediglich Unterhaltsaufwendungen an den Ehegatten und/oder an die Kinder geltend gemacht werden, während in allen anderen Fällen noch inländische Einzahlungs- und Überweisungsbelege sowie eine Bescheinigung der ausländischen Bank über die Kontovollmacht vorgelegt werden sollen. Wie der Senat im Urteil vom 14. Mai 1982 VI R 266/80 bereits hervorgehoben hat, beschränkt § 90 Abs. 2 AO 1977 bei Sachverhalten, die sich auf Vorgänge im Ausland beziehen, nicht den Umfang der einem Steuerpflichtigen zustehenden Beweismittel. So zweckmäßig die Anweisungen des BMF auch sein mögen, die FG sind an solche Anweisungen nicht gebunden. Sie haben vielmehr, solange der Gesetzgeber zum Nachweis von Unterhaltszahlungen an Angehörige im Ausland keine Sonderregelung trifft, nach freier, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnener Überzeugung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO in jedem Einzelfall darüber zu befinden, ob die vom Kläger vorgelegten Beweismittel, gleich welcher Art, zum Nachweis der geltend gemachten Unterhaltsleistungen ausreichen.
Der Senat tritt im übrigen dem FG darin bei, daß den Bankbescheinigungen über Abhebungen von ausländischen Devisenkonten durch die Ehefrau und/oder die Kinder generell kein höherer Beweiswert zukommt als bei Abhebungen durch andere Angehörige, wie hier durch die Eltern des Steuerpflichtigen. Das FG konnte sich dabei rechtsirrtumsfrei von der Erwägung leiten lassen, daß es auch bei Unterhaltszahlungen an andere Angehörige als Ehefrau oder Kinder nicht stets der Vorlage inländischer Einzahlungs- oder Überweisungsbelege bedarf, wenn nicht besondere Umstände zu Zweifeln Anlaß geben. Die Glaubwürdigkeit einer Abhebungsbescheinigung einer ausländischen Bank über das Bestehen und den Kontostand eines ausländischen Devisenkontos kann nicht davon abhängen, ob die Ehefrau bzw. die Kinder oder ob die Eltern des Steuerpflichtigen von diesem Konto Geld abgehoben haben. Es kann auch kein Rechtsverstoß darin erblickt werden, daß das FG sich im Streitfall eine Abholungsermächtigung der Eltern nicht hat vorlegen lassen. Es mag zutreffen, daß solche Ermächtigungen entsprechend dem Vorbringen des FA der Ehefrau und den erwachsenen Kindern häufiger ausgestellt zu werden pflegen als den Eltern eines Steuerpflichtigen. Darauf kommt es aber im Streitfall nicht an. Wesentlich ist vielmehr, daß die Kläger durch Vorlage von Bescheinigungen der zuständigen jugoslawischen Behörden die Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern nachgewiesen haben. Wurden die bedürftigen Eltern aber entsprechend diesen Bescheinigungen von den Klägern im Streitjahr unterhalten, dann ist es bei Eltern ebenso wie etwa bei der Ehefrau und den Kindern des Klägers in gleicher Weise glaubhaft, daß sie entsprechend der Bestätigung der Bank des Heimatlandes zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts die Beträge vom Konto des Gastarbeiters haben abheben dürfen und auch tatsächlich abgehoben haben.
Fundstellen
BStBl II 1982, 774 |
BFHE 1983, 101 |