Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßrechtsfragen bei ungeklärter Vollbeendigung der klagenden OHG
Leitsatz (NV)
1. Ein Beteiligter ist bereits dann zur Einlegung eines Rechtsmittels befugt, wenn gegen ihn ein Urteil ergangen ist.
2. Für den Streit um die Beteiligtenfähigkeit ist ein Kläger als beteiligtenfähig anzusehen.
3. Im Rahmen der von Amts wegen zu prüfenden Frage, ob die Prozeßvoraussetzung der Beteiligtenfähigkeit gegeben ist, kann das Revisionsgericht die notwendigen Feststellungen ohne Bindung an das tatrichterliche Urteil selbst treffen. Es kann auch die Sache insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverweisen.
4. Zur alternativen Urteilsbegründung, wenn der klagende Gesellschafter entweder nach § 142 HGB Gesellschafter der OHG ist oder verschuldensunabhängig haftet.
Normenkette
FGO § 122 Abs. 1, § 155; ZPO § 56 Abs. 1; HGB §§ 142, 146 Abs. 1 S. 2; AO 1977 § 277
Tatbestand
Der 1974 verstorbene Kaufmann K R und sein Sohn E R (Kläger und Revisionskläger zu 2 - Kläger zu 2 -) waren Gesellschafter der K R OHG i. L. (Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 - Klägerin zu 1 -). In dem Testament des K R ist bestimmt, daß der Kläger zu 2 den von ihm an seinen Bruder G R zu zahlenden Betrag u. a. ,,für den Gesellschaftsanteil" in fünf gleichen Jahresraten auszuzahlen habe. Die Erbeinsetzung des Klägers zu 2 als Erbe zu 3/4 erläuterte der Erblasser dahingehend, daß sein Sohn E R ,,das Betriebsrisiko zu tragen" habe. Im Jahre 1971 hob der Erblasser K R die letztwillige Verfügung auf. Dies begründete der Erblasser mit Hinweis auf ,,die veränderte Sachlage", die er dahin kennzeichnete, daß seine als Vorerbin eingesetzte Ehefrau verstorben und sein Sohn G R ,,aus der Erbschaft abgefunden" sei.
Im Jahre 1971 wurde das gerichtliche Vergleichsverfahren betreffend das Vermögen der Klägerin zu 1 eröffnet. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beteiligte sich nicht am Vergleichsverfahren. Die Hauptgläubiger verzichteten vorab auf 15 v. H. ihrer Forderungen. Die Vergleichsquote betrug 35 v. H. Der Vergleich wurde durchgeführt. Nach Zahlung der Vergleichsquote an die beteiligten Gläubiger wurde das Verfahren durch Beschluß des Amtsgerichts B vom 28. Mai 1975 aufgehoben.
Im Hinblick auf ausgefallene Verbindlichkeiten (hierin enthaltene Vorsteuer: 70 977,14 DM), Forderungsnachlässe und Warenrückgaben entstand aufgrund einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967 ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 114 078,70 DM. Der bestandskräftige Bescheid vom 27. Oktober 1976 über Umsatzsteuer 1971 führte zu einer Zahllast in Höhe von 60 026,45 DM.
Das FA verrechnete diese Umsatzsteuerschuld zunächst mit Einkommensteuer-Erstattungsansprüchen aus den Veranlagungen der Eheleute E R zur Einkommensteuer 1972 bis 1977. Diese Aufrechnung wurde gegenüber den Eheleuten E R mit Verfügung vom . . . 1981 wieder rückgängig gemacht.
Da die Nachforderung der Umsatzsteuer die Durchführung des Vergleichsverfahrens gefährdete, fand am 12. Juni 1972 bei der Oberfinanzdirektion (OFD) eine Verhandlung über den Erlaß der Umsatzsteuer statt. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei diesem Anlaß der Erlaß der Umsatzsteuer zugesagt worden ist. Die OFD forderte den Bevollmächtigten, Steuerberater H, auf, schriftlich einen Erlaßantrag zu stellen und zu begründen. Dem Vergleichsverwalter wurde zugestanden, die Vergleichsquote an die Gläubiger auszuzahlen. Der Inhalt der Verhandlung ist in einem Aktenvermerk des FA vom 15. Juni 1972 festgehalten. Die OHG wurde in der folgenden Zeit liquidiert. Sie blieb bis mindestens zum Jahre 1983 im Handelsregister eingetragen.
Den Antrag auf Erlaß der Umsatzsteuer 1971 lehnte das FA durch Verfügung vom 29. Juli 1977 u. a. mit der Begründung ab, auch in der Person des Klägers zu 2 seien Erlaßgründe nicht gegeben. Die Beschwerde gegen den ablehnenden Verwaltungsakt wies die OFD zurück. Zur Begründung führte sie aus, weder gegenüber der OHG noch gegenüber deren Gesellschafter sei eine Billigkeitsmaßnahme berechtigt. Die Einziehung der Umsatzsteuer gefährde nicht die Existenz der K R OHG, da deren Gesellschafter die Liquidation bereits im Jahre 1971 beschlossen hätten und das Unternehmen in anderer Rechtsform und durch andere Gesellschafter fortgeführt worden sei. Ein Erlaß wäre lediglich den übrigen Gläubigern zugute gekommen. Das FA habe auch keine verbindliche Zusage des Inhalts gegeben, daß entsprechend den Forderungsverzichten der Vergleichsgläubiger ca. 65 v. H. der Umsatzsteuerrückstände erlassen würden. Im übrigen sei die Umsatzsteuerschuld durch Umbuchungen getilgt worden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eheleute E R rechtfertigten nicht den Schluß, daß durch die Einziehung der Steuerforderung die wirtschaftliche Existenz des Gesellschafters gefährdet sei.
Die Klage blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) aus:
Der Erlaßantrag sei ermessensfehlerfrei abgelehnt worden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei eine verbindliche Zusage nicht erteilt worden. Soweit die Kläger geltend machten, die Steuerfestsetzung sei fehlerhaft, könne dies wegen der Bestandskraft des Steuerbescheides nicht mehr berücksichtigt werden. Soweit die OFD davon ausgegangen sei, daß die Steuerschuld im wesentlichen durch Umbuchungen getilgt sei, möge sie - rückschauend betrachtet - von falschen Voraussetzungen ausgegangen sein. Indes werde ihre Entscheidung durch den Hinweis getragen, daß sich die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Klägers zu 2 im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung gebessert hätten. Der Umstand, daß sich der Erlaß der Beschwerdeentscheidung verzögert habe, sei dem Kläger zu 2 zuzurechnen.
Mit der Revision rügen die Kläger, das FG habe bei der Entscheidung über die Frage, ob und mit welchem Inhalt am 12. Juni 1972 eine verbindliche Zusage erteilt worden sei, allgemeine Beweisregeln und materielles Recht (insbesondere §§ 133, 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) verletzt. Das FG habe nicht den gesamten Inhalt des Beweisergebnisses berücksichtigt.
Aus dem Inhalt der vom FG beigezogenen Akten habe sich eindeutig ergeben, daß das FA ,,während der gesamten Jahre" keinen Vollstreckungsversuch unternommen und alle Vergleichsquoten freigegeben habe. Das Gesamtverhalten der Finanzbehörden habe als Zusage aufgefaßt werden müssen. Die Ansicht des FG, ,,die von den Klägern behauptete verbindliche Zusage lasse sich nach Grund und Höhe nicht trennen", verstoße gegen die allgemeinen Denkgesetze und gegen die Praxis von verbindlichen Zusagen. Rechtlich möglich sei eine Zusage über einen nach objektiven Maßstäben bestimmbaren Betrag. Dessen rechnerische Ermittlung habe vorliegend nachgeholt werden müssen.
Selbst wenn das FA keine Zusage erteilt hätte, sei sein nachträgliches Verhalten rechtsmißbräuchlich. Denn der Kläger zu 2, sein Steuerberater und der Vergleichsverwalter hätten ,,den festen Eindruck" gehabt, daß sich die Finanzverwaltung mit einer Quote am Vergleichsverfahren beteiligen werde.
Bei der Prüfung der subjektiven Erlaßgründe sei zu Unrecht die wirtschaftliche Situation des Jahres 1978 und nicht die des Jahres 1972 beurteilt worden. Denn die Finanzverwaltung habe viele Jahre hindurch keine Entscheidung getroffen. Entgegen der eindeutigen Aktenlage habe das FG angenommen, daß die Verzögerung den Klägern zuzurechnen sei. Aus dem Rechtsgedanken des § 162 BGB heraus sei die bei Antragstellung gegebene wirtschaftliche Situation zu beurteilen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil und die Verfügung des FA vom 29. Juli 1977 sowie die Beschwerdeentscheidung vom 31. Mai 1978 aufzuheben und das FA zu verpflichten, Umsatzsteuer in Höhe von 60 026,45 DM zu erlassen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision der Klägerin zu 1 wird das gegen sie ergangene Urteil aufgehoben; die Sache wird insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Die Revision des Klägers zu 2 ist unbegründet.
1. Die Revision der Klägerin zu 1:
a) Die Klägerin zu 1 ist Beteiligte am Verfahren über die Revision, da sie am Verfahren über die Klage beteiligt war (§ 122 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Sie ist zur Einlegung der Revision auch deswegen befugt, weil gegen sie ein Urteil ergangen ist (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 9. November 1977 VIII ZB 34/77, Lindenmaier / Möhring - LM -, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, Nr. 32 zu § 511 ZPO).
b) Aufgrund des im Revisionsverfahren vorgetragenen Sachverhalts ist derzeit ungeklärt, ob vor Ergehen der angefochtenen Verfügung infolge gesellschaftsrechtlicher Vollbeendigung nach § 142 des Handelsgesetzbuches (HGB) eine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten ist. Diese Frage betrifft die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin zu 1. Der mögliche Mangel der Beteiligtenfähigkeit führt nicht zur Unzulässigkeit der Revision und der Klage. Für den Streit um ihre Beteiligtenfähigkeit ist die Klägerin zu 1 als beteiligtenfähig anzusehen.
c) Nach § 155 FGO i. V. m. § 56 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) hat das Gericht den Mangel der Partei- bzw. Beteiligtenfähigkeit von Amts wegen zu berücksichtigen. Dies gilt in jeder Verfahrenslage und in jedem Rechtszug, auch in der Revisionsinstanz. Einer ausdrücklichen Verfahrensrüge bedarf es dazu nicht (§ 155 FGO i. V. m. § 559 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Beschränkungen des § 118 Abs. 2 FGO (= § 561 Abs. 2 ZPO) für die Berücksichtigung neuer Tatsachen gelten insoweit nicht (vgl. BGH-Urteile vom 22. Dezember 1982 V ZR 89/80, BGHZ 86, 184, 188; vom 10. Oktober 1985 IX ZR 73/85, Wertpapier-Mitteilungen / Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht - WM - IV 1986, 58, 59). Bei Prüfung der Frage, ob die Prozeßvoraussetzungen (einschließlich der Beteiligtenfähigkeit) vorliegen, hat das Revisionsgericht die notwendigen Feststellungen ohne Bindungen an das tatrichterliche Urteil selbst zu treffen (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 118 FGO Tz. 49 mit Nachweisen). Soweit neuer Tatsachenvortrag beachtlich ist, ist der Revisionsrichter in der Würdigung des Tatsachenstoffs frei und - vorbehaltlich der Möglichkeit einer Zurückverweisung (unten 1g) - zur eigenen Beweisaufnahme berufen (BGH-Urteil vom 14. Dezember 1959 V ZR 197/58, BGHZ 31, 279, 281 f.).
d) Die gesellschafts- und erbrechtlichen Rechtsakte, die für die Beurteilung der Rechtsnachfolge in den Gesellschaftsanteil des K R maßgebend sind, sind tatrichterlich nicht festgestellt. Denkbar ist, daß z. B. aufgrund einer erbrechtlichen Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag oder - in Ermangelung einer solchen - durch ,,Übernahmevereinbarung ad hoc" mit der Erbengemeinschaft (vgl. Baumbach / Duden / Hopt, Handelsgesetzbuch, 27. Aufl., 1987, § 142 Anm. 2 B, D) - etwa in Verfolg einer Teilungsanordnung des Erblassers - eine Vollbeendigung der OHG gemäß § 142 HGB eingetreten ist. Diese Annahme setzt freilich voraus, daß die (Liquidations-)Gesellschaft im Zeitpunkt des Erbfalls bzw. der Übernahmevereinbarung noch bestand und das Handelsgeschäft noch zum Gesamthandsvermögen gehörte (vgl. Ulmer in Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., 1973, § 142 Anm. 3, 17). Im Falle einer Vollbeendigung der OHG gemäß § 142 HGB wäre der Kläger zu 2 Gesamtrechtsnachfolger der Klägerin zu 1 und damit an deren Stelle Steuerschuldner geworden und gemäß § 8 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) / § 45 der Abgabenordnung (AO 1977) sachlich-rechtlich und verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung der vollbeendeten OHG eingetreten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. April 1965 II 9/62 U, BFHE 82, 484, 487 f., BStBl III 1965, 422; Kühn / Kutter / Hofmann, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 45 AO 1977 Anm. 2).
e) Bei vorheriger Vollbeendigung der Klägerin zu 1 konnten die Verfügung vom 29. Juli 1977 und die Beschwerdeentscheidung vom 31. Mai 1978 ihr gegenüber nicht mehr wirksam werden. Soweit diese Verwaltungsakte eine selbständige formelle Beschwer enthalten, hat die Klägerin zu 1, insoweit parteifähig und rechtswirksam vertreten durch den Kläger zu 2, zwecks Beseitigung des durch die Verwaltungsakte bewirkten Rechtsscheins einen Anspruch auf deren Aufhebung; darüber hinaus könnte eine Sachentscheidung für oder gegen die Klägerin zu 1 nicht mehr ergehen.
f) Hat die Klägerin zu 1 - mangels Vollbeendigung nach § 142 HGB - als Liquidationsgesellschaft fortbestanden, war und ist sie bis zur Abwicklung aller ihrer Rechtsbeziehungen steuerrechtsfähig und kann Beteiligte eines Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens sein. In diesem Falle konnte die Klägerin zu 1 nur dann rechtswirksam vertreten sein, wenn der Kläger zu 2 zum alleinigen Liquidator bestellt war (arg. § 146 Abs. 1 Satz 2 HGB).
g) Bevor nicht die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin zu 1 feststeht, kann für oder gegen sie eine Sachentscheidung nicht ergehen. Da diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, kann das gegen die Klägerin zu 1 ergangene klagabweisende Sachurteil nicht bestehen bleiben und ist, weil sich die Vorentscheidung auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 126 Abs. 4 FGO), aufzuheben. Das Revisionsgericht kann zwar die zur Beurteilung der Prozeßvoraussetzungen notwendigen tatsächlichen Feststellungen selbst treffen. Hierzu ist es jedoch nicht verpflichtet, vielmehr kann es die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO; vgl. zu § 565 ZPO BGH-Urteil in WM IV 1986, 58, 59). Im vorliegenden Fall erscheint die Zurückverweisung angebracht, da sich die entscheidungserhebliche Frage nach der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin zu 1 aus Rechtsvorgängen beantwortet, deren Inhalt zweckmäßigerweise vom Tatrichter festzustellen ist.
2. Revision des Klägers zu 2:
a) Hinsichtlich des Erlasses der Steuer gegenüber dem Kläger zu 2 enthält das angefochtene Urteil hinreichende Feststellungen für eine alternative revisionsgerichtliche Überprüfung (vgl. BFH-Urteile vom 23. April 1975 II R 71/71, BFHE 116, 57, BStBl II 1975, 719; vom 1. August 1979 II R 133/73, BFHE 128, 341, BStBl II 1979, 744). Nach den Feststellungen des FG ist der Kläger zu 2 entweder Gesamtrechtsnachfolger der OHG, oder er haftet - sofern die Klägerin zu 1 nicht infolge einer Gesamtrechtsnachfolge vollbeendet ist - nach § 191 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 128 HGB verschuldensunabhängig für die Steuerschulden der Gesellschaft. Für die Frage, ob entweder die Steuerschuld oder die Haftungsschuld zu erlassen ist, ist jeweils derselbe Lebenssachverhalt nach denselben materiell-rechtlichen Maßstäben zu beurteilen.
b) Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß es sich bei der zu überprüfenden Verwaltungsentscheidung - Ablehnung des Erlaßantrags - um eine Ermessensentscheidung handelt, die materiell-rechtlich von den Gerichten grundsätzlich nur auf Ermessensüberschreitung und Ermessensfehlgebrauch nachgeprüft werden kann (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Das FG hat nach dem Maßstab der Billigkeit eine Ermessensüberschreitung und einen Ermessensfehlgebrauch durch die Finanzbehörden verneint und dargelegt, daß diese die vom Kläger zu 2 beantragte Billigkeitsmaßnahme ohne Rechtsverletzung abgelehnt haben. Das angefochtene Urteil läßt eine Verletzung des § 102 FGO nicht erkennen.
Ein Steuererlaß wegen objektiver Unbilligkeit kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil das Geltendmachen eines Rückforderungsanspruchs aus § 17 Abs. 2 UStG 1967 nicht sachlich unbillig i. S. des § 227 AO 1977 ist (BFH-Urteil vom 15. September 1983 V R 125/78, BFHE 139, 312, BStBl II 1984, 71). Insoweit schließt sich der Senat den Rechtsgrundsätzen des Urteils in BFHE 139, 312, BStBl II 1984, 71 vollinhaltlich an.
Der Senat läßt dahingestellt, ob ein gemäß § 17 Abs. 2 UStG 1967 zurückgeforderter Betrag in keinem Falle aus Gründen der subjektiven Unbilligkeit erlassen werden kann. Das angefochtene Urteil führt rechtsfehlerfrei aus, daß die Finanzbehörden auch insoweit einen Erlaß ohne Verstoß gegen die Rechtsgrundsätze der Ermessensausübung ablehnen konnten. Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Klägers zu 2 hat das FG zu Recht auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses der Beschwerdeentscheidung abgestellt. Die Revisionsrüge, nach dem klaren Inhalt der Akten sei die Verzögerung der Entscheidung über den Erlaßantrag den Finanzbehörden anzulasten, hält der Senat nicht für durchgreifend. Er sieht insoweit von einer Begründung ab (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - vom 8. Juli 1975, BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932).
c) Die Feststellung des FG, daß das FA am 12. Juni 1972 keine verbindliche Zusage gegeben hat, ist rechtsfehlerfrei getroffen worden. Die Feststellung ist in tatsächlicher Hinsicht möglich und enthält keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsgrundsätze. Aus diesem Grunde kann dahingestellt bleiben, ob eine Bindung des FA unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben bereits deswegen entfällt, weil der Kläger zu 2 keine Dispositionen im Vertrauen auf ein Verhalten der Finanzverwaltung getroffen hat, die nicht mehr rückgängig zu machen gewesen wären (vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90, 95).
Fundstellen