Unerlaubte Hilfeleistung in Steuersachen durch eine Buchhaltungsgesellschaft
Hintergrund: Zurückweisung eines Bevollmächtigten
Die Beteiligten streiten über eine Zurückweisung der Klägerin als Bevollmächtigte nach § 80 Abs. 7 AO und über einen Folgenbeseitigungsantrag.
Der Streitfrage zugrunde liegender Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein inländisches selbständiges Buchführungsbüro in der Rechtsform der UG (haftungsbeschränkt). Sie führt Arbeiten im Sinne des § 6 Nr. 3 und 4 StBerG aus. Für die Firma B-GmbH ist sie seit circa 20 Jahren als Lohnbuchhaltungsbüro tätig.
Das (Finanzamt (FA) setzte gegen die B-GmbH einen Verspätungszuschlag zur Lohnsteuer-Anmeldung für September 2019 in Höhe von 180 EUR fest. Daraufhin wandte sich die Klägerin als Vertreterin der B-GmbH mit Schreiben vom 11.12.2019 an das FA und erklärte, die Lohnsteuer-Anmeldung für September 2019 sei urlaubsbedingt leider zu spät abgegeben worden. Wörtlich führte sie aus: "Da dies aber ein einmaliges Versehen war, bitten wir den Verspätungszuschlag zu erlassen."
Das FA verstand dieses Schreiben als einen Erlassantrag und betrachtete die Tätigkeit der Klägerin insoweit als eine unbefugte geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen.
Mit Verwaltungsakt vom 19.12.2019 wies das FA die Klägerin – unter Bezugnahme auf den Antrag auf Erlass eines Verspätungszuschlags – als Bevollmächtigte gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 AO mit Wirkung für alle anhängigen und zukünftigen Verwaltungsverfahren der B-GmbH im Zuständigkeitsbereich des FA zurück, da sie unbefugt Hilfe in Steuersachen geleistet habe. Zudem teilte das FA der Klägerin mit, dass gemäß § 80 Abs. 10 AO alle Verfahrenshandlungen, die sie trotz Zurückweisung künftig für die B-GmbH vornehme, ohne steuerliche Wirkung blieben. Dem Verwaltungsakt war ein Merkblatt über die Tätigkeiten im Bereich der selbständigen Buchführungshilfe beigefügt. Darin waren Ausnahmen vom Verbot der Hilfeleistung in Steuersachen gemäß § 6 Nr. 3 und 4 StBerG erläutert. Weiter war ausgeführt: "Nicht zulässig sind mit der Buchführung zusammenhängende Beratungen der Mandanten oder deren Vertretung gegenüber den Finanzbehörden."
Mit Schreiben vom 19.12.2019 gab das FA auch der B-GmbH die Zurückweisung gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 AO bekannt und fügte dasselbe Merkblatt bei, das sie der Klägerin gesandt hatte. Abschließend bat es die B-GmbH, im "eigenen Interesse" die Klägerin nicht mehr zu beauftragen.
Aufgrund eines von der Klägerin eingelegten Einspruchs vom 16.1.2020 teilte das FA der Klägerin mit Schreiben vom 4.2.2020 mit, "dass die Zurückweisung vom 19.12.2019 insoweit aufzuheben ist, als diese sich nicht ausschließlich auf den Erlassantrag vom 11.12.2019 bezieht". Im Übrigen wies das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 24.4.2020 als unbegründet zurück.
Dagegen erhob die Klägerin Klage vor dem FG, mit der sie eine Aufhebung des Verwaltungsakts vom 19.12.2019 in Gestalt des Schreibens vom 4.2.2020 und der Einspruchsentscheidung begehrte. Zudem begehrte sie, das FA zu verurteilen, der B-GmbH mitzuteilen, dass die dieser gegenüber aufgestellten Aussagen zurückgenommen werden.
Während des Klageverfahrens wandte sich das FA mit Schreiben vom 11.11.2020 an die B-GmbH und stellte ausdrücklich klar, dass sich die Zurückweisung der Klägerin als Bevollmächtigte lediglich auf den Antrag vom 11.12.2019 auf Erlass des Verspätungszuschlags bezogen habe. Die vom Buchführungsbüro – der Klägerin – erstellten Lohnsteuer-Anmeldungen würden selbstverständlich weiterhin vom FA entgegengenommen und bearbeitet. Einer weiteren Beauftragung stehe insoweit nichts entgegen.
FG wies die Klage ab
Das FG wies die Klage mit Urteil vom 20.05.2021 ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom 11.12.2019 einen Antrag auf Erlass des Verspätungszuschlags zur Lohnsteuer-Anmeldung gestellt. Sie könne sich nicht darauf berufen, keinen förmlichen Antrag, sondern lediglich eine "Bitte" formuliert zu haben. Es sei offenkundig, dass die Klägerin mit der Formulierung einer "Bitte" einen förmlichen Erlassantrag gemäß § 227 AO gestellt habe. Die Stellung des Erlassantrags sei weiterhin nicht kraft Sachzusammenhangs als bloße Nebentätigkeit zur Lohnsteuer-Anmeldung von § 6 Nr. 4 StBerG erfasst. Das FA habe die Klägerin daher zu Recht gemäß § 80 Abs. 7 AO als Bevollmächtigte zurückgewiesen.
Revision eingelegt
Die Klägerin hat Revision eingelegt und u.a. beantragt, das das FA zu verurteilen, der B-GmbH mitzuteilen,
- dass das Schreiben des FA vom 19.12.2019 gegenstandslos ist und nicht mehr an der Behauptung festgehalten wird, dass die Klägerin für die B-GmbH unbefugt geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen geleistet habe
- die Aufforderung an die B-GmbH, die Klägerin nicht mehr zu beauftragen, zurückgenommen wird,
- die Androhung der Einleitung eines Bußgeldverfahrens bei weiterer Beauftragung der Klägerin zurückgenommen wird.
BFH hält die Revision der Klägerin für unbegründet
Die Revision ist mit ihrem Antrag, das FA zu verurteilen, der B-GmbH die von der Klägerin näher bezeichneten Mitteilungen zu machen (Folgenbeseitigungsantrag), unbegründet.
Der von der Klägerin mit ihrer Klage gestellte Folgenbeseitigungsantrag ist unzulässig. Es fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
Der BFH weist auf Folgendes hin:
- Der angefochtene Verwaltungsakt vom 19.12.2019 in Gestalt des Schreibens vom 4.2.2020 und der Einspruchsentscheidung vom 24.4.2020 ist rechtmäßig. Das FA hat die Klägerin aufgrund ihrer streitgegenständlichen Tätigkeit zu Recht gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 AO zurückgewiesen.
- Die Klägerin hat geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen geleistet. Im Streitfall stellt die Hilfeleistung der Klägerin sowohl bei der Lohnbuchführung (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 StBerG) als auch bei der Lohnsteuer-Anmeldung und einem eventuellen Antrag auf Erlass im Sinne von § 227 AO im Zusammenhang mit einer Lohnsteuer-Anmeldung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerG) eine Hilfeleistung in Steuersachen dar.
- Die Klägerin hat auch dadurch geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen geleistet, dass sie für die B-GmbH mit Schreiben vom 11.12.2019 einen Antrag auf Erlass des Verspätungszuschlags zur Lohnsteuer-Anmeldung für September 2019 gestellt hat. Mit diesem Schreiben hat sie nach den bindenden Feststellungen des FG nicht lediglich eine "Bitte" geäußert. Die Stellung eines Antrags auf Erlass eines Verspätungszuschlags zur Lohnsteuer-Anmeldung gemäß § 227 AO, ist keine gemäß § 6 Nr. 4 StBerG zulässige Tätigkeit dar.
- Wegen der Selbständigkeit sowohl des Verfahrens über die Festsetzung des Verspätungszuschlags zur Lohnsteuer-Anmeldung als auch des Antrags auf Erlass des Verspätungszuschlags gegenüber der ‑ der Klägerin gestatteten ‑ Lohnsteuer-Anmeldung war die Klägerin gemäß § 6 Nr. 4 StBerG nicht befugt, den Erlassantrag zu stellen. § 6 Nr. 4 StBerG kann nicht auf die Hilfeleistung in einem selbständigen Verwaltungsverfahren einer Finanzbehörde angewandt werden.
- Das FA hat die Klägerin daher zu Recht gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 AO mit Wirkung für alle anhängigen und künftigen Verwaltungsverfahren des Vollmachtgebers im Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörde zurückgewiesen. Dabei hat sie die Zurückweisung auf den Antrag auf Erlass eines Verspätungszuschlags beschränkt.
BFH, Urteil v. 16.4.2024, VII R 22/21; veröffentlicht am 11.7.2024
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