Entscheidungsstichwort (Thema)
Sprungklage gegen Gebührenfestsetzung bei verbindlicher Auskunft
Leitsatz (NV)
1. Ausnahmsweise ist eine Klage ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu befinden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt (Sprungklage).
2. Stimmt die Behörde nicht zu, ist die Klage als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behandeln. Entsprechendes gilt, wenn die Zustimmung der Behörde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 45 Abs. 1 FGO, sondern verspätet erklärt wird.
3. Da die Sprungklage als ein im Zeitpunkt der Klageerhebung eingelegter Einspruch zu behandeln ist, wird die Rechtshängigkeit der Klage rückwirkend beseitigt. Daher ist über die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht zu entscheiden.
Normenkette
FGO § 45; AO § 89 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) beantragte beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) die Erteilung einer verbindlichen Auskunft. Nachdem das FA dem Begehren des Klägers entsprochen hatte, setzte es mit Verwaltungsakt vom 24. Januar 2007 für die Erteilung der Auskunft eine Gebühr in Höhe von 121 € gemäß § 89 Abs. 3 der Abgabenordnung --AO-- (in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007) fest. Grundlage der Gebührenberechnung war der Ansatz des gesetzlichen Mindestgegenstandswerts von 5.000 €.
Dagegen erhob der Kläger mit am 9. Februar 2007 beim Finanzgericht (FG) eingegangen Schriftsatz Sprungklage, die dem FA am 5. März 2007 zugestellt wurde. Zur Begründung führte der Kläger im Wesentlichen aus, dass die der Gebührenfestsetzung zugrunde liegenden Regelungen der AO gegen Verfassungsrecht verstießen. Am 19. April 2007 ging ein Schriftsatz des FA vom 17. April 2007 bei Gericht ein. Darin machte die Behörde Ausführungen zur Sache und stimmte zugleich der Sprungklage zu.
Das FG wies mit dem angegriffenen Urteil die Sprungklage als unbegründet ab, weil die Gebührenfestsetzung auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage beruhe.
Mit seiner Revision rügt der Kläger weiterhin, die Gebührenerhebung sei verfassungswidrig.
Er beantragt, das vorinstanzliche Urteil und damit den Bescheid des FA vom 24. Januar 2007 aufzuheben, hilfsweise dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 89 Abs. 3 bis 5 AO in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 verfassungsgemäß ist.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Gebühr werde dem Grunde und der Höhe nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung. Der Senat entscheidet gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache und gibt die als Einspruch zu behandelnde Sprungklage gemäß § 45 Abs. 3 FGO an das FA ab.
1. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerichtliche Sachentscheidung ist von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens, also auch in der Revisionsinstanz, zu überprüfen (ständige Rechtsprechung, Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. November 1984 VI R 176/82, BFHE 143, 27, BStBl II 1985, 266; vom 27. Februar 1998 VI R 88/97, BFHE 185, 126, BStBl II 1998, 445). Über eine Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt darf grundsätzlich nur entschieden werden, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist (§ 44 Abs. 1 FGO). Ausnahmsweise ist die Klage ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu befinden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt (§ 45 Abs. 1 Satz 1 FGO). Stimmt die Behörde nicht zu, dann ist die Klage als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behandeln (§ 45 Abs. 3 FGO).
Da die Wirksamkeit der Zustimmung gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO an eine Frist geknüpft ist, binnen deren sie erklärt werden muss, ist die Anfechtungsklage ohne Vorverfahren nicht zulässig, wenn die Zustimmung nicht oder nicht fristgerecht erklärt worden ist (BFH-Beschlüsse vom 28. August 1968 IV B 20/68, BFHE 93, 41, BStBl II 1968, 661; vom 28. August 1973 VII B 39/72, BFHE 110, 179, BStBl II 1973, 852; BFH-Urteile vom 27. September 1983 II R 178/79, BFH/NV 1986, 176; in BFHE 143, 27, BStBl II 1985, 266).
2. Danach ist im Streitfall die Sprungklage als Einspruch zu behandeln mit der Folge, dass dem FG eine Entscheidung in der Sache verwehrt war.
Die Klageschrift wurde dem FA am 5. März 2007 zugestellt. Die Monatsfrist lief gemäß § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 5. April 2007 ab. Die Zustimmung zur Sprungklage wurde erst am 19. April 2007 und damit zwei Wochen verspätet erklärt.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 1 FGO. Über die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens ist nicht zu entscheiden, weil ein solches Verfahren nicht rechtshängig war. § 45 Abs. 3 FGO bewirkt, dass die Sprungklage als ein im Zeitpunkt der Klageerhebung eingelegter Einspruch zu behandeln ist, wodurch die Rechtshängigkeit der Klage rückwirkend beseitigt wird (vgl. Brandt in Beermann/Gosch, FGO, § 143 Rz 23 f.).
Fundstellen
BFH/NV 2010, 44 |
HFR 2010, 61 |